Lässt sich das automatische Melken mit Weidegang kombinieren? Im Rahmen einer an der Hochschule Osnabrück erstellten Bachelorarbeit wurde dies untersucht.
Immer wieder ist zu beobachten, dass Weidebetriebe nach einer Aufstockung des Tierbestands oder dem Wechsel des Melksystems (von konventioneller auf automatische Melktechnik) auf Weidegang verzichten. Als Gründe für die Unvereinbarkeit des Melkens mit dem Melkroboter und Weidegang werden immer wieder die Roboterauslastung und arbeitswirtschaftliche Aspekte genannt.
Dabei sind die Vorteile der Weidehaltung hinreichend bekannt. So lässt sich mit Weidegang nicht nur das positive Image der Milchproduktion aufrechterhalten, Weidegang fördert die Tiergesundheit und kann gleichzeitig die Grundfutterkosten reduzieren. Grundsätzlich ist die Kombination von AMS und Weide möglich, sofern die Kühe mehrmals täglich in den Stall zurückkehren – und dies im optimalen Fall selbstständig, ohne dass die Anzahl der Melkungen gravierend zurückgeht. Dies setzt arrondierte Grünlandflächen voraus.
In der vorliegenden Arbeit wurden die Weidestrategien von 16 niedersächsischen Milchviehbetrieben in der Kombination von automatischem Melken und Weidegang untersucht. Die Milchkuhbetriebe wurden mittels Fragebogen über das Weidemanagement und die Auswirkungen des Weidegangs im Hinblick auf die Milchleistung, die Melkfrequenz und die Arbeitswirtschaft befragt.
Die befragten 16 Milchviehbetriebe hielten insgesamt 1.481 Kühe, der durchschnittliche Kuhbestand lag bei 93 Tieren (Übersicht 1). In allen Unternehmen kamen Lely-Melkroboter zum Einsatz (in fünf Betrieben molken Astronauten des Typs A2, in sieben Betrieben A3). Vier Betriebe setzen den Typ A4 ein. Die Anzahl der je AMS gemolkenen Tiere variierte zwischen 38 und 80 Tieren (Mittelwert 61 Kühe).
Die Weidesaison erstreckte sich im Durchschnitt über 6,7 Monate. Sie begann auf Betrieben bereits Mitte März und endete bei guten Wetterbedingungen spätestens Mitte November/Anfang Dezember.Die maximale Entfernung zwischen Stallgebäude und Weide lag im Mittel bei 353 m.
Elf der 16 Betriebe (69 Prozent) nutzten eine Selektionseinheit, um den Kuhverkehr zur Weide zu regeln. Von den elf Betrieben mit Selektionseinheit arbeiten sieben Betriebe mit dem Lely Grazeway und drei Betriebe mit der Selektion am AMS.
Auf acht Betrieben (50 Prozent) hatten die Kühe auf der Weide keinen Wasserzugang, die Tränken befanden sich nur im Stall. Ein Betrieb hatte eine Tränke zwischen der Weide und dem Stall angebracht, zwei Betriebe (25 Prozent) auf der Weide in Stallnähe und weitere sechs Betriebe (75 Prozent) hatten Tränkebecken auf der Weide verteilt.
Kuhverkehr: Der Anteil der von der Weide zu holenden Kühe pro AMS variierte zwischen 0 und 100 Prozent (Durchschnitt: 42 Prozent). Grundsätzlich gilt, dass je geringer die Stall : Weide-Entfernung ist, desto weniger Kühe müssen „eingesammelt“ werden. Bei einer Entfernung der Weide von bis zu 50 m waren dies nur vier bis fünf Kühe (sieben Prozent). Sofern die Kühe mehr als 300 m bis zum AMS zurücklegen mussten, blieben 53 Prozent auf der Weide zurück. Werden die Betriebe nach der Dauer des täglichen Weidegangs kategorisiert, ist zu erkennen, dass der Anteil der von der Weide zu holenden Kühe umso geringer ausfiel, je mehr Stunden die Kühe im Freien verbringen konnten. Hatten die Tiere die Möglichkeit, täglich mehr als 12 Stunden zu weiden, mussten im Mittel 29 Prozent der Tiere von der Weide zurück in den Stall getrieben werden, bei einer Dauer von sechs bis 12 Stunden im Mittel 49 Prozent. Bei weniger als sechs Stunden Weidezeit waren es 56 Prozent.
Nach Angaben der Betriebe ist der Anteil der von der Weide zu holenden Kühe sehr wetterabhängig. So gaben einige Betriebe Spannbreiten in der Anzahl der zu holenden Kühe an oder vermerkten, dass sich die Kühe bei sehr heißem oder regnerischem Wetter eher im Stall aufhielten als auf der Weide und damit der Anteil der zu holenden Kühe geringer sei.
69 Prozent der Betriebe gaben an, dass immer die gleichen Kühe von der Weide geholt werden müssen. Auf 56 Prozent der Betriebe kommt es nach dem Weidegang zum Stau vor dem AMS. Um diesen Stau zu vermeiden, gaben die Betriebe z. B. die folgenden Gegenmaßnahmen und Bemerkungen an:
- auf die Zwischenmelkzeit achten, ggf. überfällige Kühe eher von der Weide holen,
- Wasser-Vernebelung im Laufhof (Kühlung),
- häufigeres Füttern im Stall und/oder Anschieben der Futterration.
- auf die Zwischenmelkzeit achten, ggf. überfällige Kühe eher von der Weide holen,
- Wasser-Vernebelung im Laufhof (Kühlung),
- häufigeres Füttern im Stall und/oder Anschieben der Futterration.
Melkfrequenz: Bei Weidegang wurden die Kühe im Durchschnitt 2,6-mal täglich gemolken (2,1 bis 3,0). Zum Vergleich: Im Winter, bei reiner Stallhaltung, wurden durchschnittlich 2,8 Melkungen pro Kuh und Tag (2,4 bis 3,05) erreicht. Weidegang führte also zu einer Abnahme von 0,2 Melkungen pro Kuh und Tag.
Die höchste Melkfrequenz (3,0 Melkungen) wurde bei einer maximalen Stall : Weide-Entfernung von 0 bis 50 m beobachtet, während bei mehr als 50 m Wegstrecke durchschnittlich 2,5 Melkungen (2,1 bis 2,9) dokumentiert wurden. Beeinflusst wurde die Melkfrequenz auch von der täglichen Weidedauer. Sofern den Kühen nur zwischen sechs und 12 Stunden täglich Zugang zur Weide gewährt wurde, konnten durchschnittlich 2,7 Melkungen pro Kuh und Tag erreicht werden. Bei Weidegang von mehr als 12 Stunden sank die Melkfrequenz auf 2,5 Melkungen.
Milchleistung: Die tägliche Milchleistung pro Kuh fiel mit 27,7 kg im Schnitt bei einer Entfernung von 50 m zur Weide am höchsten aus. Im Fall einer Wegstrecke von über 300 m sank die Milchleistung um 0,9 kg auf 26,8 kg ab. Die höchste Milchleistung wurde auf den 16 Milchkuhbetrieben bei einer Weidedauer von weniger als sechs Stunden täglich erreicht (ø 28,9 kg/Kuh/Tag), die geringste (ø 25,8 kg/Kuh/Tag) bei sechs bis 12 Stunden Weidegang.
Selektionseinheit: Der Anteil der von der Weide zu holenden Kühe lag auf den Betrieben mit Selektionseinheit mit 36 Prozent deutlich unter dem Schnitt der Betriebe ohne Selektion (78 Prozent), da die Kühe vorselektiert auf die Weide kommen und somit nicht ungemolken auf die Weide gelangen. Außerdem konnten höhere (+ 0,2) Melkfrequenzen erreicht werden (2,1 – 3,0). Der tägliche Arbeitsaufwand ist auf diesen Betrieben leicht geringer (0,7 Std./Tag) als auf den Betrieben ohne Selektionstor (1,0 Std./Tag). Durch die Selektion der Kühe nach ihrer Melkberechtigung konnte auf diesen Betrieben eine längere Weidedauer (14 Std./Tag zu 9,3 Std./Tag) auf kleinerer Fläche erreicht werden.
Arbeitsaufwand: 69 Prozent der Betriebsleiter gaben an, dass durch den Weidegang Mehrarbeit anfällt. Dieser fiel mit durchschnittlich 0,3 Std./Tag bei einer max. Entfernung zwischen Stall und Weide von 0 bis 50 m bzw. bei einer Weidedauer von mehr als 12 Stunden pro Tag (0,7 Std./Tag) am geringsten aus. Die meiste Mehrarbeit fiel bei einer Entfernung der Weidekoppeln von mehr als 300 m an bzw. bei sechs bis 12 Stunden Weidegang (+ 0,9 Stunden pro Tag).
Tiergesundheit: 94 Prozent der Betriebe gaben an, dass sich der Weidegang positiv auf die Klauengesundheit und Vitalität der Kühe auswirkt.