Den 1. Grasschnitt ins Silo zu bringen, ohne unnötig Qualität zu verschenken, ist gar nicht so einfach, denn der ideale Schnittzeitpunkt dauert nur 3 bis maximal 5 Tage an! Deshalb gilt: Ganz nah am wachsenden Bestand bleiben, um den richtigen Zeitpunkt nicht zu verpassen.
Wer Grassilagen mit überdurchschnittlichen Energiegehalten füttern will, der muss neben einer intensiven Pflege des Grünlands vor allem eins schaffen: zum optimalen Schnittzeitpunkt ernten.
Doch kaum ein Futterbauer wird sich davon freisprechen können, hier nicht einmal die falsche Entscheidung bei der Frage „Mähen oder nicht Mähen?“ getroffen zu haben. Es ist eben eine echte Gratwanderung, den richtigen Kompromiss zwischen Qualität und Massenertrag zu treffen.
Das Optimum dauert nur 3 bis 5 Tage
Um Energiegehalte von über 6,4 MJ NEL/kg TM in der Grasssilage zu erzielen, soll der Rohfasergehalt der Grasbestände zur Mahd bei 22% (24-Stunden-Silage) bis 21% in der TM (48-Stunden-Silage), bzw. 23 bis 25% ADFom, liegen. Dann stehen Energie-, Rohprotein- und Rohfasergehalte im optimalen Verhältnis zueinander. Bei den meisten Gräsern trifft das die Vegetationsphase zu Beginn des Ähren-/Rispenschiebens. Während des Silierprozesses steigt der Rohfasergehalt dann im Material um weitere 1 bis 2% an, sodass die Zielwerte in der Silage von 23 bis 24% Rohfaser in der TM erreicht werden.
Den richtigen Schnittzeitpunkt zu treffen, ist insbesondere beim 1. Schnitt so schwer, weil er deutlich schneller abreift, als die Folgeschnitte (Rohfasergehalt steigt, Energie- und Proteingehalte sinken). Und zwar steigt der Rohfasergehalt bei ihm in der Hauptwachstumsphase, je nach Witterung und Standortlage, täglich um 0,3 bis über 0,5% in der TM.
Achtung! Für die Mahd zum optimalen Schnittzeitpunkt stehen beim 1. Schnitt also nur drei bis maximal fünf Tage zur Verfügung (siehe Übersicht 1)! Um diese flüchtige Erntephase finden und ausnutzen zu können – und das auch in Ausnahmejahren – gibt es nur eine Lösung: die Grasbestände intensiv zu beobachten! Dazu gibt es drei wesentliche Instrumente, die idealerweise kombiniert werden:
1. Reifeprüfung zur Orientierung
Das Werkzeug, um den Vegetationsfortschritt frühzeitig mitzuverfolgen und Voreinschätzungen zum voraussichtlichen Schnittzeitpunkt Ihrer Bestände zu treffen, sind die wöchentlichen Reifeprüfungen bzw. Schnittzeitpunkt-Prognosen. Die Offizialberatungsstellen und Labore beginnen damit ab Anfang April und veröffentlichen ihre Ergebnisse wöchentlich.
Konzentrieren Sie sich auf die für Sie standortbezogenen Angebote. Denn die langjährige Reifeprüfung (z.B. der Landwirtschaftskammer NRW) macht deutlich, dass die Bestände sich regional sehr unterschiedlich entwickeln. Die Aufwüchse in Mittelgebirgslagen altern z.B. schneller und plötzlicher, als die in Niederungslagen. Der Energiegehalt, der von der LWK NRW beobachteten 1. Aufwüchse, fällt in der Hauptwachstumsphase in Niederungslagen am Rhein im Mittel täglich um 0,35 MJ NEL, in der Mittelgebirgsregion Sauerland jedoch um 0,6 MJ NEL/kg TM pro Tag!
2. Auf Halmfühlung gehen
Der Blick auf die Reifeprüfungen allein genügt nicht. Dafür weichen die Bedingungen vor Ort, wie Arten, Düngung, Pflege, Boden und Klima, zu stark voneinander ab, selbst innerbetrieblich. Fangen Sie also auch selbst frühzeitig damit an, zu beobachten, wie sich Ihre Bestände entwickeln.
Als zeitliche Richtschnur eignet sich dafür das Mittel des Schnittbeginns der Vorjahre. 4 bis 3 Wochen davor beginnen Sie Ihre Beobachtungen zu verschärfen. Fahren Sie dazu wöchentlich und, je näher am voraussichtlichen Termin, täglich Ihre Bestände ab. Und gehen Sie immer in die Mitte der Fläche, die Entwicklung der Randpflanzen ist nicht aussagekräftig!
Um ein gutes Gefühl für den Aufwuchs zu erhalten, tasten Sie die Blattscheide der Gräser ab. Das Entwicklungsstadium Ähren-/Rispenschieben beginnt, wenn die Spitze der Ähre/Rispe aus der Blattscheide wächst bzw. deren Basis noch in dieser steckt. Es endet mit dem vollständigen sichtbar werden der Ähre/Rispe (BBCH 51 bis 59). Konzentrieren Sie sich auf die Grasart, aus der sich der Bestand wesentlich zusammensetzt (Hauptbestandsbildner).
Achtung! Reinbestände von Welschem Weidelgras haben einen Rohfasergehalt von 22% bereits erreicht, wenn die Ähre noch nicht sichtbar, aber in der Blattscheide des Fahnenblattes fühlbar ist (BBCH 45)!
3. Analyse des eigenen Aufwuchses
Noch exakter, als mit der regionalen Reifeprüfung und der eigenen visuellen Bestandsbeobachtung, können Sie den Schnittzeitpunkt eingrenzen, wenn Sie Frischgras aus dem eigenen Bestand analysieren lassen. Teilweise haben Labore dafür gezielte Angebote (u.a. Food GmbH Jena Analytik oder die LKS mbH). Grundsätzlich kann aber jedes futtermitteluntersuchende Labor Frischgras auf die hier wichtigen Parameter Trockenmasse und Rohfaser untersuchen.
Dafür muss eine Mischprobe von 500 g bis 1.000 g Frischmasse genommen werden: von ca. zehn Stellen eines Schlages gleichmäßig verteilt und auf normaler Stoppelhöhe (mind. 8 cm) Gras schneiden; vermischen und luftfrei verpackt zügig ins Labor bringen bzw. einsenden. Die Ergebnisse erhalten Sie in der Regel am Tag nach Probeneingang. Die Kosten für die alleinige Untersuchung von TM und Rohfaser liegen zwischen 20 bis 30 €. Es kann sinnvoll sein, einzelne Proben von verschiedenen Flurstücken zu einem Zeitpunkt zu ziehen, wenn Sie innerbetrieblich auf sehr unterschiedlichen Standorten wirtschaften. So lässt sich auch eine Reihenfolge der Flächen für die Ernte bestimmen. Anhand des Ergebnisses können Sie dann die tägliche Zunahme des Rohfasergehaltes weiter abschätzen.
Wenn die Ergebnisse noch arg daneben liegen, kann es sich lohnen, erneut Proben einzuschicken.
Auf unterschiedliche Abreife reagieren
Beobachten Sie immer alle Flächentypen. Das gilt sowohl bei der visuellen Reifeprüfung Ihrer Bestände, als auch, wenn Sie Proben im Labor analysieren lassen möchten. Denn reifen die Aufwüchse sehr unterschiedlich ab, müssen Sie einen Kompromiss treffen oder getrennt ernten. Letzteres hängt von den Größen der einzelnen Bestände ab. Ist etwa Ihr Ackergrasanteil groß genug, um ein eigenes Silo zu füllen, kann eine getrennte Ernte sinnvoll sein. Zuerst das Ackergras zu mähen, das Silo zu verschließen und dann nur wenige Tage später für den Schnitt des Dauergrünlands erneut zu öffnen, ist dagegen nicht sinnvoll, der frühe Gärverlauf würde gestört.
Es ist nicht immer die 2. Mai-Woche!
Wie wichtig die individuelle Bestandsbeobachtung und die regionale Reifeprüfung zur Bestimmung des optimalen Schnittzeitpunktes ist, zeigen Ausnahmejahre wie 2013. Während sich der Mai 2013 in den östlichen Bundesländern als sehr trocken und sonnig mit rasch abreifenden Beständen auszeichnete, litt der Rest der Republik unter extrem nasser, kalter und trüber Witterung. Dies führte dazu, dass etwa der 1. Schnitt in NRW zu 80 bis 90% in der ersten Juni-Woche geerntet wurde. Also um zwei bis drei Wochen verzögert! Die Konsequenzen waren miserable Silagequalitäten und schlechte Grundfutterleistungen. Nur wer hier sehr früh gemäht und so auf mehr Masse verzichtet hatte oder trotz Regen Anfang Mai gemäht und dabei mit Siliermittel gearbeitet hatte, konnte damals gute Qualitäten in den Silagen erzielen.
Fazit: Sich allein am langjährigen Mittel der Schnitttermine zu orientieren ist falsch! Es dient zur Orientierung, entscheidend ist aber einzig der Rohfasergehalt!
Plan B für Regenwetter
Ein verregneter Schnitt erhöht das Risiko von hohen Aschegehalten, Fehlgärungen, Clostridienbesatz und Sickersaftverlusten. Doch die Erfahrungen aus 2013 zeigen auch, dass es sinnvoller ist, den ersten Nieselregen beim optimalen Schnittzeitpunkt in Kauf zu nehmen bzw. bei noch trockener Witterung weniger Massenaufwuchs bei hohen Energie- und Proteingehalten zu akzeptieren, anstatt in ein Dauerregenloch zu fallen. Welches zu einer schlechten Befahrbarkeit und einem überalterten, ins Lager gehenden Aufwuchs führt. Ein Lagerbestand erfordert einen tieferen Schnitt (= mehr Erdeintrag) und schwächt die Grasnarbe.
Stellen Sie sich mental und materiell also auch auf einen Regenschnitt ein: Wetterlage mittelfristig beobachten, ggf. Siliermittel der Wirkungsrichtung 1A (chemisch) ordern und dies mit Ihrem Lohnunternehmer absprechen.
Zweiter, dritter, vierter…
Bei den Folgeschnitten ist die Nutzungsspanne zwar elastischer, der optimale Schnittzeitpunkt orientiert sich aber auch hier am Beginn des Ähren-/Rispenschiebens.K. Berkemeier