Milcherzeuger und Tierärzte können nur gemeinsam die Herdengesundheit nachhaltig verbessern. Die Zusammenarbeit scheitert aber leider allzu oft an einer mangelnden, gegenseitigen Kommunikation.
Das Fressgitter klackert metallisch. Neugierig schauende Kühe, die den Fressgang entlanglaufen oder im Wiederkauen innehalten. Dazwischen zwei Männer...
Milcherzeuger und Tierärzte können nur gemeinsam die Herdengesundheit nachhaltig verbessern. Die Zusammenarbeit scheitert aber leider allzu oft an einer mangelnden, gegenseitigen Kommunikation.
Das Fressgitter klackert metallisch. Neugierig schauende Kühe, die den Fressgang entlanglaufen oder im Wiederkauen innehalten. Dazwischen zwei Männer in Stiefeln und Overall, die sich ratlos gegenüberstehen. An solche Situationen kann sich Dr. Heinz Jasper,1) ein ruhiger, gesetzter Mittvierziger, der sich selbst gerne als Großtierpraktiker aus Leidenschaft mit einem Schmunzeln auf den Lippen nennt, nur zu gut aus seinen Anfangsjahren als Tierarzt erinnern. „Als junger Tierarzt war ich manchmal fassungslos, wenn auch beim dritten, vierten oder gar fünften Betriebsbesuch keine meiner Empfehlungen so umgesetzt worden war, wie ich mir das vorgestellt hatte. Wenn es schlecht lief, bin ich dann wutschnaubend vom Hof gefahren.“ Und Empfehlungen, die nicht umgesetzt wurden, gab es einige. Da waren z. B. Melkroutinen, die trotz massiver Probleme mit kuhassoziierten Keimen einfach nicht geändert wurden. Manchmal stellte sich beispielsweise erst nach vielen Diskussionen heraus, dass eine Zwischendesinfektion aus arbeitswirtschaftlichen Gründen gar nicht umsetzbar war. „Vielleicht habe ich meinen Kunden die Tragweite nicht eindringlich genug erklärt? Vielleicht habe ich aber auch nicht richtig zugehört, worin das eigentliche Problem lag?“
Auf Augenhöhe
Jaspers Einschätzung scheint nicht nur auf seine Praxis draußen zuzutreffen. Welches Ausmaß diese Missverständnisse annehmen können, lässt sich vielleicht anhand der Ergebnisse einer britischen Studie erahnen. Hier befragten Wissenschaftler der Universität Nottingham (2012) parallel Tierärzte und Betriebsleiter nach der Bedeutung des Hoftierarztes für den ökonomischen Erfolg der Milchviehbetriebe. Die Antworten waren erstaunlich. So waren 50 % der Veterinäre davon überzeugt, maßgeblich an der Kostenoptimierung auf den Betrieben beteiligt zu sein. Diese Einschätzung teilten allerdings nur 10 % der Milchviehhalter.
Doch ist es überhaupt wichtig, dass beide Seiten einander verstehen? Ja, denn Milcherzeuger wollen nicht nur Anweisungen entgegennehmen. Gefragt ist Beratung und Informationsaustausch auf Augenhöhe. Denn die Meinung des Tierarztes ist vielen Milcherzeugern enorm wichtig.
Der rote Futterschieber fährt gleichmäßig surrend den Futtertisch entlang. Hinter ihm türmen sich aufgeschobene Futterberge. Einige Kühe graben ihr Maul in das Futter. So ruhig wie am Fressgitter geht es auch auf dem dahinterliegenden Fressgang zu. Kuh 46 schlendert gemächlich hinter den fressenden Kühen entlang, um sich ihren Fressplatz zu suchen.
Breite Laufgänge, die einen reibungslosen Kuhverkehr ermöglichen, viel Platz in den gegenständigen Liegeboxen und eine kontinuierliche Futtervorlage. In dem neu gebauten Boxenlaufstall von Carsten Lück, Milchviehhalter aus dem niedersächsischen Grasberg, sieht man, hier hat das Tierwohl oberste Priorität. „Viele Maßnahmen zur Verbesserung des Kuhkomforts gehen auf die Empfehlung unseres Tierarztes zurück. In der Planungsphase haben wir beide oft stundenlang über den Bauplänen gesessen“, erklärt Lück. Warum er auf Meinung und Rat seines Tierarztes so viel Wert legt? „Es gibt keinen Berater, der so nah am Tier ist. Bei jeder Trächtigkeitsuntersuchung, jeder Sterilitätskontrolle sieht er, welche Managementmaßnahmen fruchten, welche nicht. Hinzu kommt, dass er tagtäglich viele Herden sieht. Da weiß er wie es laufen muss.“ Mit seiner guten Meinung über die Beratungskompetenz der Tierärzte steht Lück nicht allein da. Denn die Studie aus Nottingham belegt auch, dass 81 % der Milchviehhalter die Diskussion mit ihrem Tierarzt sehr schätzen.
Ehrlichkeit als Grundvoraussetzung
Eine funktionierende Kommunikation zwischen Tierarzt und Milcherzeuger ist damit ein, wenn nicht sogar der wichtigste Faktor für die Verbesserung der Herdengesundheit. Denn nur wenn die Fachkompetenz der Veterinäre auch bei den Milcherzeugern ankommt, können sie gemeinsam an Erfolg versprechenden Gesundheitskonzepten arbeiten. Gibt es denn ein Patentrezept für eine gute Kommunikation? Lässt sich Kommunikationskompetenz erlernen? „Ehrlichkeit“, sagt Carsten Lück. Ehrlichkeit sei für ihn die Basis einer guten Kommunikation. „Ich kann mich darauf verlassen, dass mein Tierarzt mich schonungslos auf Probleme anspricht. Für mein Management ist das ein großer Gewinn.“
Ganz so einfach wie Lück sieht es Dr. Joachim Lübbo Kleen, selbst Tierarzt und Kommunikationsberater, nicht. Nach seiner Ansicht gibt es nicht das eine Patentrezept. „So wie es nicht den einen Tierarzt und den einen Milcherzeuger gibt, kann es eben auch nicht die eine Erfolg versprechende Strategie geben.“ Ehrlichkeit sei zwar ein Baustein, ebenso wichtig sei es aber festzustellen, was beide Parteien wirklich von der Zusammenarbeit erwarten. Beispielsweise kann der Satz „Da hat wieder ein Kalb Durchfall“ sehr unterschiedlich interpretiert werden. So kann der Satz bedeuten „Bitte behandeln Sie das Kalb“ oder aber „Die Durchfallerkrankungen hören nicht auf, vielleicht sollten wir eine andere Therapie ausprobieren“. Anhand dieser Interpretationsmöglichkeiten (und es gibt noch mehr) sieht man, wie wichtig es ist, präzise auszudrücken, wo das eigentliche Problem liegt bzw. was man tatsächlich vom anderen Gesprächspartner erwartet.
Dieser Ansicht ist auch Prof. Volker Krömker von der Hochschule Hannover. Wird er wegen Euterproblemen als Berater auf die Höfe gerufen, ist es für ihn der erste, wichtige Schritt, dass die Betriebsleiter ihre Probleme klar formulieren. „Denn oft werde ich auf die Betriebe gerufen und es ist nicht klar, was die Landwirte eigentlich stört. Sind die Zellzahlen zu hoch oder ist die Neuinfektionsrate angestiegen, wird zu wenig Milch abgeliefert? Ich bleibe dann solange am Ball bis sie mir das Problem konkret mit Zahlen benennen.“ Nur dann ließen sich auch gemeinsam aussichtsreiche Maßnahmen einleiten. Ebenso legt Krömker zusammen mit den Milcherzeugern belegbare Ziele fest. „Nicht selten stimmen die Ziele des Milcherzeugers nicht mit denen überein, die ich mir vorgestellt habe. Das sage ich dann auch. Aber ich bin der Dienstleister, damit muss ich umgehen können.“ Im Gegenzug erwarte er von seinen Kunden, dass sie frühzeitig signalisieren, wenn Maßnahmen aus arbeitswirtschaftlichen Gründen nicht umgesetzt werden können. „So lässt sich Frustration auf beiden Seiten vermeiden.“
Konkrete Ziele gemeinsam mit dem Tierarzt festzulegen, dass habe ihr den Berufseinstieg enorm erleichtert, erläutert die 27 Jahre junge Herdenmanagerin Lena Krellenberg mit Nachdruck in der Stimme. „Wir haben in allen Managementbereichen wie der Fruchtbarkeit oder der Kälberaufzucht konkrete Kennzahlen, die wir erreichen wollen, und Behandlungskonzepte festgelegt. Das hat mir gerade zu Beginn meiner Tätigkeit viel Sicherheit gegeben.“ Auch jetzt sendet sie ihrem Tierarzt wöchentlich die Daten aus dem Herdenmanagement-Programm. So könnten beide gemeinsam schnell auf Veränderungen reagieren.
Sprechen Sie miteinander
Miteinander sprechen, sprechen und nochmals sprechen! Wie in jeder anderen zwischenmenschlichen Beziehung auch ist dies einer der wichtigsten Erfolgsgaranten. Denn wie soll der Tierarzt unausgesprochene Erwartungen erfüllen? Im Gegenzug kann auch kein Milcherzeuger erspüren, welche Strategie der Hoftierarzt gerade verfolgt, wenn sie nicht offen und im Detail besprochen wird. Dabei müssen sich beide Seiten aber auf den jeweils anderen einlassen wollen. „Es ist doch klar, dass zwei Profis, also Milcherzeuger und Tierarzt, aufgrund ihrer unterschiedlichen Ausbildungswege auch unterschiedliche Sprachen sprechen. Da muss man zuhören und sein Gegenüber auch wirklich verstehen wollen“, betont Krömker. Neueinsteigern gibt Krömker noch einen Tipp mit auf den Weg: „Zusammen mit dem Milcherzeuger lege ich immer kurz-, mittel- und langfristige Maßnahmen fest. Die kurzfristigen müssen innerhalb der ersten drei Tage umsetzbar sein. Damit sowohl ich als Tierarzt als auch der Milcherzeuger schnell erste Ergebnisse sehen kann. Das motiviert enorm.“ Als Beispiel nennt er das Ziehen von Milchproben, um schnellstmöglich den Leitkeim herauszufiltern.
Kommunikation auf dem Lehrplan
Wenn sich durch eine gute Kommunikation die Tiergesundheit nachhaltig verbessern soll, dann muss Kommunikation künftig zur Aus- und Weiterbildung beider Berufsgruppen gehören. In anderen Ländern sind vor allem die Veterinärmediziner Vorreiter. So steht in Großbritannien oder den USA Kommunikation bereits auf dem Lehrplan angehender Veterinärmediziner. Dass nicht nur Tierärzte, sondern ebenso Milcherzeuger eine gute Kommunikation beherzigen sollten, das findet auch Carsten Lück. „Nicht nur mein Tierarzt sollte ehrlich zu mir sein. Auch ich schätze es, dass ich ihm meine Meinung sagen kann, ohne dass er sich persönlich angegriffen fühlt. Das ist für uns beide eine echte Win-win-Situation!“B. Ostermann-Palz