Milcherzeuger stehen immer mehr unter Druck. Sei es beim Stallbau oder in den Medien. Hier sind Tipps, wie Sie Vorwürfe entkräften können!
Als ihn ein Nachbar im Ort nicht grüßte, tat Milcherzeuger Hans-Peter Jochens1) das als Versehen ab. Doch als die ersten Bekannten wegschauten, wenn er mit dem Schlepper vorbeifuhr, da schwante ihm nichts...
Milcherzeuger stehen immer mehr unter Druck. Sei es beim Stallbau oder in den Medien. Hier sind Tipps, wie Sie Vorwürfe entkräften können!
Als ihn ein Nachbar im Ort nicht grüßte, tat Milcherzeuger Hans-Peter Jochens1) das als Versehen ab. Doch als die ersten Bekannten wegschauten, wenn er mit dem Schlepper vorbeifuhr, da schwante ihm nichts Gutes. Einige Wochen später dann der GAU: Er wurde als Massentierhalter und Gülleverklapper beschimpft. Letztlich mündete die Ablehnung in der Gründung einer Bürgerinitiative gegen seinen geplanten Stall. Dabei hatte Hans-Peter Jochens nach seinem Ermessen alles richtig gemacht. Nach der Entscheidung seines Sohnes in den Betrieb einzusteigen, hatte er mit der Planung für einen Boxenlaufstall begonnen. Den jetzigen Stall wollte er spiegeln und den Bestand von 200 auf 400 Kühe aufstocken. Jochens hatte früh das Gespräch mit den Behörden gesucht. Der Standort bot beste Voraussetzungen für die Erweiterung. Doch mit der Reaktion seiner Nachbarn, damit hatte er in seinen schlimmsten Träumen nicht gerechnet.
Öffentlichkeitsarbeit vernachlässigt
Nach den ersten Angriffen wurde ihm schnell klar, „jetzt musst du handeln, damit die Situation nicht weiter eskaliert und in einer Katastrophe endet“. Doch wie? Außer gelegentlich ein paar Klassen auf seinem Hof herumzuführen, hatte sich Hans-Peter Jochens bisher nur wenig um Öffentlichkeitsarbeit, geschweige denn um die sogenannte Krisenkommunikation gekümmert. Betroffen von diesem Druck aus der Gesellschaft sind jedoch nicht nur einzelne Milchviehhalter, wie Hans-Peter Jochens, die gesamte Berufsgruppe der Milcherzeuger steht zurzeit unter (medialem) Dauerbeschuss. Aus Sicht der Öffentlichkeitsarbeit ist dies eine sehr ungünstige Position, denn es bleibt kaum noch Spielraum, um eigene Themen zu besetzen. Anstatt zu agieren müssen Milchviehhalter immer öfter auf Dinge reagieren, sich rechtfertigen und Vorurteile entkräften. Das ist auf Dauer sehr frustrierend.
Die Gründe für diese Entwicklung sind vielfältig und ein Stück weit hausgemacht. Über Jahre haben es Milcherzeuger versäumt für sich zu werben, Vertrauen aufzubauen. Die aktuelle mediale Anklage trifft nahezu unvorbereitet den gesamten Milch-Sektor. Milchviehhalter wie Jochens kommen künftig nicht mehr umhin, sich mit Kommunikation (Grundlagen S. 26) und zunehmend mit der Krisenkommunikation zu beschäftigen! Auch wenn noch keine Bürgerinitiative (BI) vor den Stalltoren gesichtet wurde, das Beherrschen von PR gehört ebenso zur Unternehmensführung wie z. B. das Klauenschneiden. Das Problem ist jedoch, dass es kaum einen Experten für Landwirte, etwa private oder Offizial-Berater gibt, die in Sachen Öffentlichkeitsarbeit hinzugezogen werden und bei einem akuten Vorfall (Krise) schnell weiterhelfen können.
In der Krise Vertrauen aufbauen
Das vordringlichste Ziel der Krisenkommunikation ist es nicht Verbraucher über Produktionsverfahren aufzuklären, es geht vielmehr darum, Vertrauen und Akzeptanz (wieder) aufzubauen. In Risiko- und vor allem in Krisensituationen will der Verbraucher/der Anwohner nur: erfahren, dass er ernst genommen wird und dass seine Bedenken rasch und zuverlässig angegangen werden. Entsprechende Botschaften erreichen nur dann den Empfänger, wenn sie gleichzeitig dessen Bedürfnis nach emotionaler und zum Teil sachlicher Information befriedigen. Eine Grundvoraussetzung ist deshalb, sich offen und sensibel gegenüber seinem Gesprächspartner zu zeigen und mit belegbaren Fakten zu argumentieren. Man sollte sich selbst mal in die Lage versetzen, wie verunsichert man von Themen ist, die einen selbst betreffen (z. B. Skandale in der Medizin), über die man aber nur wenig Wissen besitzt.
In der praktischen Kommunikation ist allerdings immer wieder zu beobachten, dass viele Milcherzeuger auf unfaire, emotionale Angriffe anspringen. Reizwörter wie „Massentierhalter und Gülleverklapper“ wie in Hans-Peter Jochens Fall führen nicht selten schnell zu einer blinden Reaktion. Emotion und Stimmung diktiert so aber leider der Angreifer.
Auf ein faires Miteinander achten
Damit man erst gar nicht in eine solche Situation gerät, ist es ratsam, die Methode der sogenannten Fried-Dialektik oder auch faire Dialektik anzuwenden. Hier steht das Fair Play im Mittelpunkt. Dazu gehören:
- Seinem Gegenüber Wertschätzung entgegenbringen.
- Zuhören und auch die andere Meinung verstehen wollen!
- Ausreden lassen. Niemals verbale Auseinandersetzungen zulasten anderer führen.
- Persönliche Bedürfnisse, wie den eigenen Ruf (Prestige), zurückstellen.
- Im Vordergrund muss immer das Sachziel stehen. Gemeinsam nach Lösungen suchen.
- Seinem Gegenüber Wertschätzung entgegenbringen.
- Zuhören und auch die andere Meinung verstehen wollen!
- Ausreden lassen. Niemals verbale Auseinandersetzungen zulasten anderer führen.
- Persönliche Bedürfnisse, wie den eigenen Ruf (Prestige), zurückstellen.
- Im Vordergrund muss immer das Sachziel stehen. Gemeinsam nach Lösungen suchen.
Diese Verhaltensweisen müssen allerdings bewusst eingeübt/verinnerlicht werden, damit man sie auch in emotional aufgeladenen Situationen abrufen kann.
Für eine gekonnte Risiko-Kommunikation ist es zudem wichtig, Argumente richtig vorzubereiten. Argumente sollten durch anschauliche, persönliche Beispiele verankert werden, etwa durch Bilder und Vergleiche.
Ein Beispiel: Sie sehen sich mit dem Vorwurf des Massentierhalters konfrontiert. Um hier gegenzuhalten, reicht es nicht aus zu sagen: „Masse allein sagt nichts über die Qualität der Milchviehhaltung aus.“ Erklären Sie Ihrem Gegenüber vielmehr welche Vorteile es hat, eine größere Gruppe von Tieren zu halten. So können Sie z. B. erklären, dass Sie bei einer größeren Herde die Möglichkeit haben, Gruppen zu bilden und Sie diese je nach ihrem Bedarf an Energie und Vitaminen füttern können. Wichtig ist es, die Informationen vereinfacht darzustellen, sodass auch Nicht-Landwirte sie verstehen, ohne aber die Fakten zu verfälschen.
Angriff umlenken
Auch das Grundwissen zum Aufbau von State-ments kann bei unfairen Angriffen helfen bzw. Sicherheit bei der Argumentation unter Stress bieten. Eine Basisstrategie ist das sogenannte Harvard-Konzept. Ähnlich wie bei asiatischen Kampfsportarten wird die Energie des Angreifers umgeleitet, also der Angreifer so beeinflusst, dass er sein Gleichgewicht verliert. Werden Sie also persönlich angegriffen, sollten Sie nicht gleich zur Gegenattacke übergehen, sondern den Teufelskreis von Angriff und Verteidigung durchbrechen.
Konkret: Treten Sie einen Schritt zur Seite und lenken Sie den Angriff auf das Problem. Sie können z. B. trainieren spezielle Formulierungen zu verwenden, um ein Gespräch in eine positive Richtung zu lenken, etwa durch Brückensätze. Dadurch ergibt sich ein psychologischer Puffer, um Angriffe zu entschärfen und zur Sache zurückzukehren. Ein Beispiel:
Angriff: „Dieser Kuhstall ist ja nicht gerade ein Beispiel für wirklich tiergerechte Haltung.“
Reaktion (Brückensatz): „Dies ist eine eher pauschale Behauptung, Herr xx. Mich würde sehr interessieren, worauf Sie Ihre Aussage stützen.“ Oder ...
„Das Wohlbefinden unserer Tiere ist für uns das A und O. Wie kommen Sie zu Ihrer Vermutung?“
All diese Strategien lassen sich in Medientrainings gezielt einüben. Angebracht ist eine solche Fortbildung immer dann, wenn man neue Projekte plant oder bereits um die notwendige Akzeptanz kämpft.
Krisenstab bilden
Neben den richtigen Kommunikationsstrategien sollten Sie im Fall von öffentlichen Anschuldigungen folgende Punkte beherzigen:
Sammeln Sie die Fakten! Wann hat sich z. B. die Bürgerinitiative gegründet? Was ist genau passiert und wie sieht die Position der Gegenseite aus? Wer ist der „Hauptmotor“ dieser Bürgerinitiative? Der sollte aber nicht als der „Hauptschuldige“ bezeichnet werden.
Finden Sie heraus, welche Ängste und Bedürfnisse die „angreifende“ Gruppe, die Öffentlichkeit und andere Gruppen (Politik, Anwohner) tatsächlich haben. Welche Ansprechpartner und Dialoggruppen gibt es bei diesem Problem für Sie? Wie können Sie diese erreichen? Entwickeln Sie entsprechend der Gruppe(n) ein Positionspapier.
Wichtig ist es, in einer Krise nicht allein zu agieren, sondern sich Hilfe zu holen. Finden Sie heraus, welche externen Berater, Experten, Multiplikatoren, Juristen, etc. Ihnen helfen können. Wer könnte z. B. bei Veranstaltungen gemeinsam mit Ihnen auftreten? Am besten ist es, diesen Krisenstab bereits vor einer möglichen Krise zusammenzustellen. Dementsprechend lässt sich im Ernstfall viel schneller reagieren.
- Reaktionen nach außen und innen
- Reaktionen nach außen und innen
Signalisieren Sie immer Offenheit und Dialogbereitschaft! Ideal ist eine sogenannte „One Voice“-Kommunikation. Ansprechpartner ist immer nur eine Person, sowohl nach außen als auch nach innen, z. B. für Ihre Mitarbeiter. So gelangen keine widersprüchlichen Aussagen an Außenstehende. Diese Person sollte geübt sein in der Kommunikation, sollte wissen, wie man sich vor Pressevertretern etc. ausdrückt. Wichtig ist es, dass die Öffentlichkeit nur über gesicherte Fakten informiert wird. Keine Spekulationen! Hilfreich ist es oft auch, die Kritiker zu einem Ortstermin einzuladen.
- Informationsfluss aufrechterhalten
- Informationsfluss aufrechterhalten
Suchen Sie kontinuierlich den Dialog mit der Bürgerinitiative/Interessengruppen. Bieten Sie ihnen Ihre Gesprächsbereitschaft an. Auch sollten Sie andere Gruppen (wie z. B. Politiker vor Ort, Anwohner, etc.) immer zeitnah informieren. Dabei sollten Sie aber immer auf die richtige Reihenfolge achten, um keine Gruppen zu verärgern. Auch die Medien sollten Sie alle gleich behandeln. Speisen Sie Pressevertreter niemals mit „Kein Kommentar“ ab. Lassen Sie sich aber auch nicht von den Medien „überrumpeln“, verweisen Sie auf eine Stellungnahme, etc. Wenn Sie digital vernetzt sind, sollten Sie in jedem Fall auch das Internet bzw. die neuen Medien nutzen. Hierfür sollten Sie die Informationen gut (kurz und knackig) aufbereiten.
Immer in Kontakt bleiben
Halten Sie Aufzeichnungen zur Betriebsführung bereit. Gute Leistungs- und Fruchtbarkeitskennzahlen könnten z. B. untermauern, wie wichtig Ihnen sowohl vor als auch nach der Bestandsaufstockung das einzelne Tier ist. Um aus einer Krise unbeschadet herauszukommen bzw. die betrieblichen Ziele auch auf lange Sicht realisieren zu können, bedarf es einer enormen Anstrengung, viel Know-how und Durchhaltekraft. Daher ist es umso wichtiger sich im Vorfeld ein positives Image in der Bevölkerung/Nachbarschaft zu erarbeiten. Das lässt sich nur durch intensiven Kontakt erreichen. -os-