Für Peter Berndgen, Chef der Marketing-Agentur agro-kontakt, steht fest: In puncto Öffentlichkeitsarbeit fehlt es in der Landwirtschaft am...
Für Peter Berndgen, Chef der Marketing-Agentur agro-kontakt, steht fest: In puncto Öffentlichkeitsarbeit fehlt es in der Landwirtschaft am nötigen Know-how.
Elite: Hat die Milchbranche den Kontakt zum Verbraucher verloren?
Berndgen: Wir haben in der Tat bei vielen landwirtschaftlichen Verfahren ein zunehmendes Akzeptanzproblem. Ursache ist zum einen das über Jahre hinweg entstandene Kommunikationsdefizit aus dem Agrar-Sektor – mit dem Ergebnis, dass viele Verbraucher moderne Landwirtschaft nicht mehr verstehen und in der Folge Vertrauen und Akzeptanz fehlen. Verstärkt wird diese Entwicklung zurzeit noch dadurch, dass andere Interessengruppen in sehr professioneller Weise – häufig auch sehr emotional und/oder mit selektiven Wahrheiten – kommunizieren. Die Landwirtschaft kann hier u. a. wegen der fehlenden professionellen Kommunikationsstruktur kaum „gegenhalten“.
Elite: Lässt sich die zerstörte Vertrauensbasis Ihrer Meinung nach überhaupt wieder aufbauen?
Berndgen: Ähnlich wie in der Geflügel- oder Schweinehaltung gibt es auch in der Milchproduktion einige „Risikobereiche“, die zunehmend in das gesellschaftliche Interesse rücken und hier Ablehnung finden. Milchviehhalter müssen jetzt sehr feinfühlig sein, diese Bereiche erkennen und in der Kommunikation sehr sorgfältig damit umgehen. Grundsätzlich ist es aber nach wie vor so, dass Landwirte in Deutschland zu einer der Berufsgruppen gehören, denen der Bundesbürger das meiste Vertrauen entgegenbringt. Dies zeigen Untersuchungen immer wieder. Die Gründe hierfür sind klar: Ähnlich wie bei Ärzten, Krankenschwestern oder Feuerwehrleuten hat der Beruf des Landwirtes mit „Leben“ zu tun.
Elite: Was bedeutet das konkret?
Berndgen: Die Menschen erwarten von den Landwirten, dass sie gesunde Lebensmittel produzieren und ihre Lebensräume pflegen. Dies ist übrigens auch der Grund, warum die Empörung bei Störungen – etwa bei Lebensmittelskandalen – sehr heftig ist und Bürger und Medien oft sehr emotional reagieren.
Elite: Wie sähe für Sie eine wirksame Öffentlichkeitsarbeit aus? Welche Aktionen machen Sinn?
Berndgen: Die Ausgangslage für Öffentlichkeitsarbeit ist aufgrund des immer noch entgegengebrachten Vertrauens nicht so schlecht wie vielfach angenommen. Es gibt durchaus Chancen für eine gut gemachte Kommunikation mit der Gesellschaft. Allerdings gibt es nicht „die“ Öffentlichkeitsarbeit oder gar ein Patentrezept, da im Einzelfall sehr unterschiedliche Ziele im Blickpunkt stehen können, wenn es etwa um Produkte oder um den Agrarsektor als Ganzes geht. Wichtig für Milchviehhalter erscheint mir vor allem die Kommunikation auf betrieblicher Ebene, zum Beispiel mit Anwohnern, Geschäftskunden, Verpächtern etc. Dies wird zunehmend zu einer „überlebenswichtigen“ Management-Aufgabe.
Elite: Wie sollten die Verbraucher angesprochen werden?
Berndgen: Die Konzepte sind betriebsindividuell und so vielfältig wie die Betriebe selbst. Bei allen Ansätzen steht aber der authentische und damit glaubwürdige Landwirt im Mittelpunkt. Er ist der Schlüssel für eine erfolgreiche Kommunikation. Eine Erfahrung ist allerdings, dass Milcherzeuger – etwa getrieben durch eine aktuelle Situation mit der Öffentlichkeitsarbeit – anfangen und sehr schnell wieder aufgeben. Sie müssen zu viel zurechtrücken, ehe sie aktiv etwas bewirken können. Ihnen geht dann sehr schnell „die Puste aus“.
Elite: Woran liegt es, dass die Kommunikation der Landwirtschaft mit der Außenwelt so stiefkindlich behandelt wird?
Berndgen: Es fehlt in der Landwirtschaft an Aus-bildung, Know-how, Erfahrung und auch an ei-ner professionellen Unterstützung. Dies gilt vor allem für die Risiko- und Krisenkommunikation – etwa wenn es um Stallbauprojekte oder den Umgang mit Bürgerinitiativen geht. Nicht zuletzt beklagen aktive Öffentlichkeitsarbeiter auch das häufig sehr aggressive Vorgehen bestimmter Kreise. Sie füh-len sich und ihren Betrieb dadurch bedroht und verzichten deshalb lieber auf öffentliches Agieren. Empfehlenswert wäre es deshalb für einzelne Milchbauern, sich z. B. in Netzwerken zusammenzuschließen oder Unterstützung auf der Verbandsseite zu sichern.
Elite: Bei welcher Bevölkerungsgruppe besteht der größte Aufklärungsbedarf?
Berndgen: In den jüngeren Generationen! Viele Kinder, aber auch Erwachsene, haben kaum noch einen Bezug zur Natur/Landwirtschaft und somit auch keinerlei Kenntnisse über die Entstehung von Lebensmitteln. Gleichzeitig ändern sich die Anforderungen, die die Gesellschaft an Lebensmittel und Ernährung stellt, drastisch. Es entwickelt sich eine völlig neue Wertekultur. Hier wird sich auch die Landwirtschaft ein Stück weit anpassen müssen. Es geht damit auch um Marketing, also um die Ausrichtung des Unternehmens an aktuelle und zukünftige Marktbedürfnisse.
Elite: Können groß angelegte Aktionen das Image der Milchviehhaltung nachhaltig verbessern?
Berndgen: Wir leben in einer Mediengesellschaft – mit einem Medienkonsum von fast zehn Stunden pro Bundesbürger und Tag. Auf dem „Medienparkett“ gelten spezielle Regeln. Für landwirtschaftliche Öffentlichkeitsarbeit heißt dies beispielsweise auch, einmal neue Wege zu gehen und frische Ideen umzusetzen. Dies zeigen jüngere Aktionen landwirtschaftlicher Öffentlichkeitsarbeit sehr eindrucksvoll – etwa was die Nutzung von Social Media anbelangt. Facebook, Youtube und Co. sind mittlerweile etablierte Massenmedien, die in jede moderne Kommunikationsstrategie hineingehören.
Elite: Reichen neue Ideen und die Nutzung der sozialen Netzwerke aus, um das Bild über die Milchviehhaltung nachhaltig zu verändern?
Berndgen: Neue Ideen sind sicherlich gut und finden mediale Beachtung. Dazu darf dann auch mal ein Bauer Willi zählen, der sich über Verbraucher „empört“ oder ein Flashmob. Wichtig ist aber, dass es nicht nur bei Aktionismus bleibt, und die Maßnahmen Bestandteil einer klaren und langfristig angelegten Strategie sind, die auch Inhalte vermittelt.