Eine ressourcenschonende Produktion, ein hohes Maß an Tierwohl und ein geringer Einsatz an Medikamenten sind Voraussetzung für die Akzeptanz der Milchproduktion in der Öffentlichkeit. Dies konkurriert mit einer modernen, wachstumsorientierten Milchproduktion. Oder etwa doch nicht?
Molkereien und vermehrt auch Milcherzeuger werden zunehmend häufiger gefragt, wie „nachhaltig“ ihre Produkte bzw. die Produktionsabläufe sind. In den Augen vieler Umweltexperten und Verbraucher hat die Intensivierung der Nutztierproduktion Ausmaße erreicht, die dringenden Handlungsbedarf erfordern (u. a. unerwünschte Umweltbeeinflussungen, mangelnder Tierschutz, zu hoher Medikamentebeinsatz).
Es stellt sich die Frage, wie künftig noch Milch erzeugt werden kann, ohne zwischen ökonomischen Zwängen (steigende Produktionskosten durch zunehmende Regulierung) auf der einen und den Forderungen kritisch eingestellter Verbraucher und den Vorgaben der Unternehmen der Lebensmittelbranche auf der anderen Seite aufgerieben zu werden? Die Antwort kann nur lauten: durch eine nachhaltige Milchproduktion!
Nachhaltigkeit (sustainability) gilt seit mehreren Jahren als Leitbild für eine zukunftsfähige, nachhaltige Entwicklung der Menschheit. Aber auch wenn alle Welt über Nachhaltigkeit redet, weiß im Detail eigentlich kaum jemand so genau, was sich hinter dem Begriff eigentlich verbirgt. Das öffnet Vorurteilen und Ideologien Tür und Tor.
Lässt sich Nachhaltigkeit messen?
Erstmals formulierte Hans-Karl von Carlowitz im Jahr 1713 das Prinzip der Nachhaltigkeit in seinem Buch über die Ökonomie der Waldkultur mit den Worten: „Schlage nur so viel Holz ein, wie der Wald verkraften kann! So viel Holz, wie nachwachsen kann!“ Heute lässt sich das Thema „Nachhaltige Produktion“ nicht mehr so einfach definieren, dafür sind die Zusammenhänge zu komplex. Aber nach welchen Kriterien lassen sich die Arbeitsprozesse im Milchkuhbetrieb in punkto Nachhaltigkeit bewerten? Grundsätzlich gilt es zwischen vier Segmenten zu unterscheiden (Übersicht 1):
- Ökonomie (Liquidität/Investitionen/…)
- Ökologie (Landschaft/Umwelt/Energie/…)
- Tierwohl (Haltung/Gesundheit/…)
- Soziales (Arbeitsplatz/Fortbildung/…)
- Ökonomie (Liquidität/Investitionen/…)
- Ökologie (Landschaft/Umwelt/Energie/…)
- Tierwohl (Haltung/Gesundheit/…)
- Soziales (Arbeitsplatz/Fortbildung/…)
Zusammengefasst bedeutet eine nachhaltige Milchproduktion gleichermaßen die Berücksichtigung ökonomischer, ökologischer, tierbezogener und gesellschaftlicher Interessen. Auf den ersten Blick scheint also alles in Ordnung, denn schließlich streben Milcherzeuger (Unternehmer) zur Sicherung ihrer Zukunftsfähigkeit profitable Gewinne an, pflegen und schützen die Umwelt, halten ihre Rinder und Kühe artgerecht, versorgen diese nach guter fachlicher Praxis und nehmen ihre gesellschaftliche und soziale Verantwortung sehr ernst.
Doch was nutzt es, selbst davon überzeugt zu sein, nachhaltig zu wirtschaften? Im globalen Wettbewerb zählen nur harte Fakten, mit denen sich die eigene Nachhaltigkeitsleistung dokumentieren lässt.
In vielen Industriezweigen gibt es bereits Kennzahlen, anhand derer sich das Nachhaltigkeits-Management bestimmen lässt. Mithilfe einiger praxistauglicher Indikatoren lässt sich bestimmen (messen), wie nachhaltig im Milchviehbetrieb gearbeitet wird. In Übersicht 2 sind einige Kennzahlen aufgelistet, die sich theoretisch dazu eignen, das Ausmaß der Nachhaltigkeit einzustufen. Während bei einigen Kennzahlen Konsenz herrschen dürfte, bedarf es andere noch umfassend zu diskutieren bzw. durch wissenschaftlich fundierte Studien abzusichern (Weidegang, …). Aber dennoch lässt sich nicht leugnen, dass es im Sinne einer nachhaltigen Milchproduktion noch einige Punkte zu optimieren gilt:
1. Abgangsraten verringern, Nutzungsdauer steigern
Die durchschnittliche deutsche Milchkuh wird rund 5,4 Jahre alt. Die derzeitige Nutzungsdauer der Milchkühe ist sowohl aus physiologischer als auch aus wirtschaftlicher Sicht als zu gering einzustufen, da die Gewinngrenze – in Abhängigkeit von den Färsenaufzuchtkosten, der Milchleistung, den Kosten der Milchproduktion und dem Milchpreis – erst in der Mitte der dritten Laktation erreicht wird. Dieser alters-physiologische Leistungsanstieg wird derzeit nicht ausgeschöpft, denn in Deutschland erreichen 80 Prozent der Kühe nicht die vierte Laktation! Unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit ist eine längere Nutzungsdauer und eine höhere Lebensleistung (Ziel: deutlich über 40.000 kg) erstrebenswert. Das gelingt aber nur, wenn die Nutzungsdauer der Milchkühe um mindestens eine Laktation erhöht wird.
Ein besonderes Augenmerk gilt in diesem Zusammenhang dem Verbleib von Färsen (Erstkalbskühen) in der Herde. Die oft noch viel zu hohe Zwangsremontierung lässt sich vor allem durch eine Optimierung des Herdenmanagements während der kritischen 100 Tage rund um die Abkalbung (Transitphase) erreichen.
Remontierungsentscheidungen dienen immer dazu, die Leistungsstruktur der Herde und damit den wirtschaftlichen Erfolg der Milchviehhaltung zu optimieren. Durch vorzeitige Schlachtungen, häufig bedingt als Folge von Leistungsminderungen nach Erkrankungen wie z. B. Stoffwechsel- oder Euterkrankheiten, Fruchtbarkeitsstörungen oder Erkrankungen des Bewegungsapparates, wird dieser Entscheidungsspielraum mehr als eingeengt. Wenn jede dritte Kuh zwangsgemerzt wird, ist dies nicht nachhaltig, da sich eine Selektionsentscheidung im betriebswirtschaftlichen Sinne nicht mehr treffen lässt.
Anders sieht es hingegen aus, wenn aus züchterischer Sicht die Herde intensiv selektiert wird. Ein solches Vorgehen kann mittelfristig zu einer Erhöhung der Nutzungsdauer führen. Deshalb eignet sich die Remontierungsrate auch nicht unbedingt als Kriterium zur Beurteilung der Nachhaltigkeit.
Tipp: Durch die Einführung der genomischen Selektion in der Rinderzucht konnte das Generationsintervall erheblich, um ca. fünf Jahre, verkürzt werden. Es muss nicht mehr auf die ersten erfassten Töchterleistungen gewartet werden, um erste Sicherheiten für die Merkmalsleistungen zu erhalten. Selbst Kälber (technisch möglich auch Embryonen!) können bereits anhand ihres genomischen Zuchtwertes für die weitere Nutzung in der Zucht ausgewählt werden. Letztlich lässt sich so der Zuchtfortschritt enorm steigern, insbesondere bei den Fitnessmerkmalen (Gesundheit/Fruchtbarkeit).
Künftig rückt zudem eine stärkere züchterische Bearbeitung der (angeborenen) Immunität in den Fokus. Es ist bekannt, dass es große Unterschiede bei der angeborenen Immunität von Rindern gibt, der Erblichkeitsgrad liegt zwischen 20 und 30 %. Kanadische Wissenschaftler der Universität Guelph haben einen Test entwickelt, mit dem sich bereits bei jungen Rindern ab dem zweiten Lebensmonat die genetisch programmierte Immunität testen lässt. So lassen sich Rinder mit besonders stabilem Immunsystem selektieren. Die ersten Ergebnisse sind vielversprechend. Eine Gegenüberstellung der Erkrankungsraten von Kühen mit einer hohen Immunität und „normalen“ Kühen in einer 3.000er-Milchviehanlage in Florida (USA) zeigte, dass bei Tieren mit der genetisch stärkeren Immunabwehr 27 % weniger Mastitis, 32 % weniger Nachgeburtsverhaltungen und 17 % weniger Metritis diagnostiziert wurden. In einer anderen US-Milchfarm (1.500 Kühe) fiel die Mastitisinzidenz bei Erstlaktierenden mit hoher Immunabwehr um 44 % geringer aus, die durchschnittliche gesamte Erkrankungsrate sank um 8,5 %. Im Rinderstall wurde bei 25,3 % der Tiere, die von Bullen mit dem „Immunity+ Faktor“ abstammten, weniger Pneumonien beobachtet. In einer weiteren Studie wurden im Blut der „Immunity+ Kühe“ deutlich weniger ParaTBC-Antikörper nachgewiesen (10 % vs. 32 %).
2. Arzneimitteleinsatz reduzieren
Es kann davon ausgegangen werden, dass pro Jahr etwa 30 % aller Milchkühe aufgrund von Erkrankungen antibiotisch behandelt werden. An dieser Schraube lässt sich sicherlich noch etwas drehen. So kann z. B. bei leichten bis mittleren Mastitiden eine Therapie zunächst mit Entzündungshemmern gestartet werden. Es muss nicht sogleich mit einer Antibiose begonnen werden.
Ähnlich verhält es sich beim Trockenstellen der Kühe. Rund 80 % aller deutschen Milcherzeuger dürften antibiotische Trockensteller zum Schutz der Euter einsetzen. Auch wenn ein kompletter Verzicht auf antibiotische Trockensteller nachgewiesenermaßen nicht nachhaltig ist (Zunahme an Eutererkrankungen; siehe Elite 2/2013 „Von Fall zu Fall entscheiden!“), kann in Milchkuhbetrieben mit einem guten Mastitismanagement der Einsatz zunächst selektiv erfolgen.
Tipp: Eine kürzlich vom Eutergesundheitsdienst Baden-Württemberg und dem Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt Karlsruhe veröffentlichte Studie (318 Milchkühe) kommt zu dem Ergebnis, dass nur 15 % der hochtragenden Kühe mit einem Langzeitantibiotikum in Kombination mit einem internen Zitzenversiegler und nur 30 % mit einem Langzeitantibiotika trockengestellt werden mussten. 55 % aller Euterviertel wurden nur mit einem internen Zitzenversiegler behandelt. Zu ähnlichen Ergebnissen (- 40 % Trockensteller) gelangt eine in bayerischen Milchkuhbetrieben durchgeführte Praxisstudie. Das zeigt, dass sich letztlich nicht nur der Antibiotikaverbrauch verringern, sondern auch ein ökonomischer Gewinn erzielen lässt.
3. Grundfutterleistung hochschrauben
In der Praxis ist leider allzu häufig zu beobachten, dass Grundfutter nur noch als Strukturträger eingesetzt wird, die Milch aber aus dem Kraftfutter ermolken wird. Dieser Effekt ist besonders ausgeprägt auf ackerfähigen Standorten und nimmt oft mit steigender Herdengröße zu. Hochleistenden Kühen wird nicht selten mehr als 30 dt Kraftfutter jährlich zugeführt. Solch hohe Kraftfuttermengen sind nicht zielführend, denn die Kühe vertragen diese Mengen auf längere Sicht nicht! Nachhaltiger ist es vielmehr, das Potenzial des Grundfutters besser auszuschöpfen.
Tipp: Grasbestände intensiver pflegen bzw. erneuern (Sortenwahl), Potenzial bei Silagegewinnung ausnutzen (Siliermitteleinsatz, Technikeinsatz).
Futtereffizienz messen: Für alle Kühe, über alle Laktationen hinweg ergibt sich eine anzustrebende, durchschnittliche Futtereffizienz von 1,4. Werte die unter- bzw. oberhalb des Zielbereichs liegen, sollten nicht angestrebt werden (Fütterung uneffektiv bzw. Kühe leben von der Substanz).
Mit der Netto-Flächenleistung (Kilogramm Milch pro Hektar) kann die Effizienz des Milchproduktionssystems umfassend berechnet und beurteilt werden, weil alle produktionstechnischen Schritte wie der Futterbau, die Futterkonservierung, die Fütterung und das genetische Potenzial der Kühe einbezogen sind.
In den besseren Lagen lassen sich bei sehr guter Grundfutterqualität von einem Hektar umgerechnet 25.000 kg Milch, auf sehr guten Standorten sogar bis zu 30.000 kg Milch vom Hektar melken.
4. Kraftfutter aus nachhaltigem Anbau
Das Kraftfutter sollte nur regional erzeugte Komponenten beinhalten bzw. solche, die aus nachweislich nachhaltigem Anbau stammen.
Tipp: Ein Großteil des Proteinbedarfs kann in TMR durch heimisches Rapsextraktionsschrot als Proteinträger abgesichert werden. Beim Zukauf von Soja- und weiteren (Extraktions)Schroten sollte beim Einkauf auf die zwei Standards geachtet werden, die eine große Akzeptanz bei Marktbeteiligten (vor allem beim Handel) und bei den Naturschutzorganisationen genießen (z. B. gentechnikfreies Soja, das gemäß „RTRS“ (Round Table of Responsible Soy) oder den Basler Kriterien („ProTerra CERT-ID“) zertifiziert ist. Die Basler Kriterien besagen, dass beim Anbau soziale und ökologische Standards eingehalten werden müssen. Dazu gehört u.a., dass Wälder und Flächen mit hohem Schutzwert nicht in Soja-Land umgewandelt werden dürfen. Auch werden existenzsichernde Löhne und gerechte Arbeitsbedingungen gefordert.
5. Gülle besser ausnutzen
Nach Angaben des Umweltbundesamtes stammen ca. 50 % der deutschen Methanemissionen aus der landwirtschaftlichen Tierhaltung, von denen ca. ein Drittel der Milchviehhaltung zugerechnet wird. Bedingt durch die großen Stoffumsatzmengen der Rinder sind auch deren Stickstoffumsätze erheblich. Dies ist u. a. ein Grund dafür, dass der deutschen Rinderwirtschaft 52 % der nationalen Ammoniakemissionen zugeschrieben werden. Hier hat der Umgang mit den Exkrementen einen wesentlichen Einfluss. Emissionsarme Lagerung und Ausbringung der Wirtschaftsdünger reduzieren nicht nur die Umweltbelastungen, sondern verbessern die Effizienz der Nährstoffnutzung.
Ammoniak-Verluste (NH3) aus organischen Düngern gelten als die größte Quelle für atmosphärisches NH3 und damit als Auslöser negativer Umweltwirkungen wie Bodenversauerung, Eutrophierung und Begünstigung von krebsfördernden Feinstäuben. Die Applikation von Gülle kann zu beträchtlichen gasförmigen N-Verlusten als (NH3) und Emissionen des Treibhausgases Lachgas (N2O) führen. Dies tritt vor allem dann auf, wenn überhöhte Gülle-Mengen ungleichmäßig verteilt werden. Auch die in der Praxis immer noch suboptimale Gülleausbringungstechnik (u. a. Prallteller) trägt zu erhöhten Ammoniakverlusten und einer geringen N-Effizienz bei.
Tipp: Emissionsmindernde Verfahren wie Schleppschuh (geringerer Energieaufwand und höhere Ausbringungsgeschwindigkeit im Vergleich zur Injektion) einsetzen, auch wenn dies mit höheren Kosten und geringerer Schlagkraft verknüpft ist. Im Gegenzug nimmt die N-Verwertung zu (NH3-Verluste können sich negativ auf die Erträge auswirken und sollten deshalb auch aus einem betriebswirtschaftlichen Betrachtungswinkel berücksichtigt werden).
6. Energie einsparen
Bis zum Jahr 2022 soll in Deutschland im Zuge der Energiewende die Kernenergie komplett eingestellt und durch erneuerbare Energieformen ersetzt werden. Die sogenannten regenerativen (grünen) Energien werden u. a. von Solar- und Biogasanlagen erzeugt. Milchkuhbetriebe sind geradezu prädestiniert, diese Forderungen umzusetzen.
Tipp: Verantwortungsbewusster Umgang mit den Energieressourcen: Durch die Installation von Vorkühlern zum Herunterkühlen der Milch, Frequenzsteuerungen, Austausch älterer Aggregate zur Wärmerückgewinnung sowie der Bereitsstellung von LED-Lampen in den Ställen, lässt sich der Energieverbrauch im Kuhstall oftmals noch um 20 bis 25 % verringern.
7. Verbesserung der Arbeitsbedingungen
Derzeit fokussieren sich die Diskussionen zur Nachhaltigkeit einzelner landwirtschaftlicher Produktionszweige wie der Milchproduktion bislang überwiegend auf ökologische Dimensionen. Darüber geraten die sozialen Komponenten gerne in Vergessenheit. In der Diskussion über eine nachhaltige Milchproduktion sollte nicht vergessen werden, dass auch das Erwirtschaften eines ausreichenden (Arbeits-)Einkommens sowie würdige und gleichberechtigte Le-bens- und Arbeitsbedingungen für alle in der Wertschöpfungskette tätigen Personen dazu gehört.
Das über Jahrzehnte politisch propagierte Leitbild des bäuerlichen Familienbetriebs hat zu einer gewissen Selbstausbeutung der bäuerlichen Familien-Arbeitskräfte geführt. Im Sinne einer nachhaltigen Wirtschaftsweise sollten die Arbeitsplätze so gestaltet werden, dass die dort tätigen Menschen gesund und leistungsfähig und die Tätigkeiten attraktiv bleiben. Optimierungsbedarf besteht in der Praxis oft noch in den folgenden Punkten: Einsatz innovativer Prozesstechnik, Melkroboter.
Wichtig ist, dass die täglichen Arbeitsstunden nicht die nationalen Vorgaben überschreiten (max. acht bis zehn Stunden!) sowie der gesetzlich vorgeschriebene Mindestlohn ausbezahlt wird. Zudem sollte Angestellten mindestens ein freier Tag pro Woche gewährt werden, der vom Gehalt gedeckt wird. Überstunden sollten nur unter außergewöhnlichen Umständen angeordnet werden (z. B. Futterernte) und adäquat kompensiert werden.
Weide: (K)ein Symbol der Nachhaltigkeit?
Die Kuh auf der Weide ist für viele Menschen das Symbol einer nachhaltigen Milchproduktion. Ob eine „Zwangsweide“ jedoch nachhaltig ist, ist diskussionswürdig (in den Niederlanden besteht seitens der Politik die Forderung, 80 % aller Kühe zu weiden. In Schweden ist Weidegang sogar gesetzlich verankert). Fraglich ist, ob sich bei täglichem Weidegang mit größeren Tierbeständen ein nachhaltig hoher Gesundheitsstatus erreichen und aufrechterhalten lässt. Hinzu kommt, dass in sommertrockenen Regionen nicht ausreichend Gras nachwächst. Hier müssten die Weideflächen künstlich beregnet werden, kein nachhaltiges Management!
Unbestritten ist aber, dass sich durch einen „Teilweidegang“ bzw. das Austreiben von Rindern und/oder Trockenstehern die Tierwohl-Diskussion entschärfen lässt.
Innovationen erforderlich
Optimierungen und Kontrollen werden nicht ausreichen, um die gesamte Produktionskette Milch mit dem Gütesiegel „100 % nachhaltig“ auszuzeichnen. Dazu sind in den kommenden Jahren noch erhebliche Innovationen erforderlich. Dabei geht es vor allem um die bessere Ausnutzung der vorhandenen Ressourcen.
Forschungsbedarf besteht u.a. noch im Bereich Fütterung (Methanausstoß) und der Anpassung von Haltungssystemen (Null-Emissions-Stall). Es gilt die vorhandenen Produktionssysteme weiterzuentwickeln, gleichermaßen positive Veränderungen für das Wohlbefinden von Mensch und Tier herbeizuführen sowie die Umwelt zu entlasten – ohne dabei die Rentabilität der Milchproduktion zu schmälern (ökonomische Nachhaltigkeit!).G. Veauthier