Mandel-, Soja- oder Haferdrinks: Die Bandbreite der Milchalternativen im Lebensmitteleinzelhandel wächst. Ist dieser Trend eine Bedrohung? Wie können Molkereien gegenhalten?
Im Supermarktregal ist der Konkurrenzkampf augenscheinlich: Kuhmilch und Pflanzendrinks buhlen, nebeneinanderstehend, um die Gunst der Verbraucher. Nicht nur, dass die Fülle und Vielfalt an Milchersatzprodukten zugenommen hat, auch der Absatz steigt stetig an. So ist der globale Einzelhandelsumsatz pflanzlicher...
Mandel-, Soja- oder Haferdrinks: Die Bandbreite der Milchalternativen im Lebensmitteleinzelhandel wächst. Ist dieser Trend eine Bedrohung? Wie können Molkereien gegenhalten?
Im Supermarktregal ist der Konkurrenzkampf augenscheinlich: Kuhmilch und Pflanzendrinks buhlen, nebeneinanderstehend, um die Gunst der Verbraucher. Nicht nur, dass die Fülle und Vielfalt an Milchersatzprodukten zugenommen hat, auch der Absatz steigt stetig an. So ist der globale Einzelhandelsumsatz pflanzlicher Alternativen in den letzten Jahren jeweils um acht Prozent jährlich angestiegen und lag damit bei 15,6 Mrd. USD (Euromonitor, Marktforschung). Zwar ist der Absatz pflanzlicher Produkte in Deutschland im Verhältnis zum Konsummilch-Markt (8,3 Mio. Liter vs. 325,3 Mio. Liter; ZMB) noch gering, dennoch gewinnt er an Bedeutung und wächst stärker als der Absatz von Bio-Trinkmilch. Für (Flüssig-)Milch stellt sich hingegen ein gegenläufiger Trend dar. Zwar wird für die nächsten Jahre weltweit ein Anstieg der Nachfrage um ca. 2,5% erwartet, der u.a. durch das weitere Wachstum der Weltbevölkerung entstehen wird. In den westlichen Ländern ist der Milch-Konsum jedoch schon jahrelang rückläufig. So ist in Deutschland der Trinkmilch-Absatz um 10% gesunken, wobei aber verarbeitete Milchprodukte wie z.B. Käse stärker nachgefragt wurden.
Warum milchfrei?
Wie lässt sich dieses Umdenken beim Milchkonsum erklären? Ein Grund ist der Generationenwechsel bei den Konsumenten. Denn für die kaufkräftigen Millennials (Generation Y, geboren zwischen 1980 und 1997) und in einigen Jahren auch für die Generation Z (ab 1998) ist weniger der Preis, als vielmehr das Thema Gesundheit und vor allem die nachhaltige Produktion der Lebensmittel entscheidend. Hinzu kommt, dass für diese Generationen die Meinung sogenannter Influencer immer wichtiger wird. Influencer, die die vegane Lebensweise in sozialen Netzwerken propagieren, beeinflussen aktiv das Kaufverhalten gerade der sehr jungen Generation.
Die Entwicklung, dass gerade die jüngere Generation immer weniger Kuhmilch konsumiert, konnte auch eine Studie des britischen Beratungsunternehmens Mintel bestätigen. So zeigte eine Online-Umfrage mit 2.000 Teilnehmern, dass für einen großen Anteil unter den 16- bis 24-jährigen Briten Kuhmilch als Grundnahrungsmittel stark an Bedeutung verliert. Wenn eine Generation langsam aber stetig aufhört, Kuhmilch aus vermeintlich gesundheitlichen und umweltschützenden Gründen zu verzehren, steigt damit auch die Wahrscheinlichkeit, dass sie ihre Verzehrsgewohnheiten an ihre Kinder weitergeben.
Kernkäufergruppe sind nach Prof. Achim Spiller und Marlene Ohlau (Uni Göttingen) die „echten“ Veganer, aber nach eigenen Studien würden sich nur knapp 1% der Deutschen konsequent vegan ernähren. Auch bei Vegetariern ist der Marktanteil der Milchalternativen 5- bis 10-mal höher als bei den Omnivoren (Allesesser). Daneben gibt es noch die Flexitarier, die weniger Fleisch essen. Auch diese kaufen Milchalternativen ca. 2- bis 3-mal häufiger. Außerdem konsumieren Frauen unabhängig vom Ernährungsstil fast doppelt so viel Pfanzendrinks wie Männer. Die Zielgruppe 65 plus greift viel weniger zu Substituten, ebenso diejenigen mit niedrigem Bildungsabschluss.
Kein kurzfristiger Trend
Doch ist „milchfrei“ nur eine Modeerscheinung, die in einigen Jahren abebben wird oder bereits ein längerfristiger, nicht umzukehrender Trend, mit dem man sich auseinandersetzen muss? Für Prof. Achim Spiller spricht vieles dafür, dass es sich um eine langfristige Entwicklung handelt. Darauf deute das veränderte Mensch-Tier-Verhältnis. „Wir wissen aus einer eigenen Studie, dass gut 10% der Menschen Nutztierhaltung eigentlich ablehnen und damit potenzielle Veganer sind und weitere 10 bis 15%, die die Tötung von Tieren ablehnen, also potenzielle Vegetarier sind.“ Die tatsächlichen Gruppen sind jedoch deutlich kleiner. Hier liegt also Potenzial für ein langfristiges Ansteigen dieser Gruppen. Außerdem werden die gesundheitlichen Vorteile der Kuhmilch heute in den Ernährungswissenschaften nicht mehr ganz so klar positiv gesehen wie vormals, so Prof. Achim Spiller. Perspektivisch hätten Pflanzendrinks auch noch Potenziale zur Preissenkung und könnten daher auch preisbewusste Zielgruppen stärker ansprechen. Die Forschung zu Milchalternativen läuft weltweit, und es ist zu erwarten, dass die Produktvielfalt und die geschmackliche Qualität sich weiterentwickeln werden. Vielfalt und Geschmack (Übersicht 1) sind zentrale Faktoren der Lebensmittelauswahl.
Ein kleiner Vorteil im Konkurrenzkampf um die Konsumenten ist vielleicht das Urteil des EuGH (europäischer Gerichtshof), das 2017 entschied, dass geschützte Molkereibezeichnungen wie „Milch“ oder „Joghurt“ nicht als Bezeichnungen rein pflanzlicher Produkte verwendet werden dürfen. Damit kann zumindest den Konsumenten nicht mehr suggeriert werden, dass Soja- oder Haferdrinks vergleichbare Eigenschaften zu Milch aufweisen.
Pflanzendrinks nicht nur nachhaltig
Aber auch für Milchalternativen gibt es einige kritische Punkte, so Tom Bailey, Senior Analyst Rabobank, die den Absatz von Pflanzendrinks gefährden könnten. Dazu gehört für ihn u.a:
- Milchalternativen sind ernährungsphysiologisch unterlegen (zuckerhaltig, eiweißarm, Übersicht 2). Um höhere Kalziumgehalte (Vergleich Kuhmilch) zu bekommen, muss Kalzium zugesetzt werden.
- Es gibt eine große Konkurrenz zwischen Alternativen wie Soja, Mandel, Hafer, Kokos usw. Dies kann zu gegenseitigem Kanibalismus führen.
- Pflanzendrinks sind in der Regel teurer als Milchprodukte und sie sind in Blindgeschmacksstudien im Vergleich zu Kuhmilch schlechter bewertet worden.
- Milchalternativen sind ernährungsphysiologisch unterlegen (zuckerhaltig, eiweißarm, Übersicht 2). Um höhere Kalziumgehalte (Vergleich Kuhmilch) zu bekommen, muss Kalzium zugesetzt werden.
- Es gibt eine große Konkurrenz zwischen Alternativen wie Soja, Mandel, Hafer, Kokos usw. Dies kann zu gegenseitigem Kanibalismus führen.
- Pflanzendrinks sind in der Regel teurer als Milchprodukte und sie sind in Blindgeschmacksstudien im Vergleich zu Kuhmilch schlechter bewertet worden.
Auch die Nachhaltigkeit einiger Pfanzendrinks steht bereits in der Kritik. So stammen beispielsweise 80% der weltweit verarbeiteten Mandeln aus Kalifornien, so die Albert Schweizer-Stiftung. Dort herrschen Monokulturen vor und es ist viel Wasser für den Mandelanbau nötig.
Stärker auf Emotionen setzen
Welche Strategien könnte die Milchbranche entwickeln, um die Umsatzverluste umkehren zu können? Große Konzerne wie Danone oder Valio haben darauf ihre eigene Antwort gefunden und in Hersteller von Milchersatzprodukten wie WhiteWave (Marke Alpro) oder Oddlygood (Haferprodukte) investiert. Doch das allein kann nicht die Lösung sein. Vielmehr müssen die Molkereien von der Entwicklung rund um die Milchalternativen lernen, so Tom Bailey (Rabobank). Das haben auch deutsche Molkereiunternehmen erkannt. „Wegschauen ist keine Lösung. Das haben wir als DMK erkannt und pflanzliche Alternativen in unser Leitbild 2030 aufgenommen“, sagt Oliver Bartelt, Leiter Unternehmenskommunikation DMK. Statt vom Rohstoff würden sie ihre Produktentwicklung viel stärker vom Konsumenten aus steuern. „Deshalb wollen wir auch in angrenzende Getränke- und Lebensmittelsegmente vordringen, die z.B. pflanzenbasierte Alternativen beinhalten. Kuhmilch bleibt aber immer unser Rohstoff Nummer 1“, so Oliver Bartelt.
Daneben können die Molkereien auch von der Kommunikation der Hersteller von Milchersatzprodukten lernen. Denn sie haben es perfektioniert, weniger mit Zahlen und Fakten, dafür aber auf einer sehr emotionalen Ebene mit den Konsumenten zu kommunizieren und ihre Produkte zu platzieren. Milcherzeuger und Molkereien könnten das auch, indem sie z.B. verstärkt auf regionale, nachhaltige Kreisläufe hinweisen (Verzicht auf Soja, hohes Maß an Tierwohl, …) und damit ihre eigenen Leistungen wieder in den Vordergrund rücken. -os-, -so-