Von einem einheitlichen Europa sind wir noch weit entfernt! Das zeigen die Geschichten von vier Milchviehhaltern, die im Grenzgebiet von Deutschland, den Niederlanden, Flandern und der Wallonie innerhalb eines Radius von 10 km wohnen, aber dennoch mit sehr unterschiedlichen...
Von einem einheitlichen Europa sind wir noch weit entfernt! Das zeigen die Geschichten von vier Milchviehhaltern, die im Grenzgebiet von Deutschland, den Niederlanden, Flandern und der Wallonie innerhalb eines Radius von 10 km wohnen, aber dennoch mit sehr unterschiedlichen Vorschriften zu kämpfen haben.
Die gemeinsame europäische Agrarpolitik sollte den europäischen Milcherzeugern in etwa gleiche wirtschaftliche Rahmenbedingungen „bieten“. Doch es gibt gravierende Unterschiede zwischen einzelnen Regionen! Ein Besuch auf vier Milchviehbetrieben im Grenzgebiet der Niederlande, Flandern, der Wallonie und Deutschland zeigt, wie groß diese tatsächlich sind.
Ein Beispiel: Während in einigen Regionen/Ländern roter Diesel (Heizöl) genutzt werden darf, ist dies in benachbarten Regionen verboten. Das kann die Häckselkosten für Maissilage um bis zu 40 €/ha höher ausfallen lassen. Ein weiteres Beispiel: In den Niederlanden und Flandern sind Güllefässer mit Prallteller bzw. Gülleauswurf verboten – in der Wallonie und in Deutschland dürfen sie jedoch noch genutzt werden. In der Wallonie sogar ab dem 16. Januar.
Auch die Übertragungsmöglichkeiten von Milchquote unterscheiden sich deutlich von Region zu Region. Sie sorgen für unterschiedlich große finanzielle Belastungen und Wachstumsmöglichkeiten. So kostete den niederländischen Milcherzeuger im vergangenen Milchwirtschaftsjahr das Quotenleasing 26 ct/kg Milch, während sein wallonischer Nachbar nur 2,5 ct für ein kg Milchquote aufbringen musste. In Flandern ist das Leasen von Quote hingegen nur bei höherer Gewalt wie z. B. bei Eintritt einer Tierseuche möglich, in Deutschland gar nicht. Bekanntermaßen darf Quote nur an der Börse gekauft werden.
Mentalität hat großen Einfluss
Mit der Abschaffung der Milchquote im kommenden Frühjahr dürften die Unterschiede zwischen den Milchviehbetrieben in den einzelnen euopäischen Ländern jedoch nicht kleiner werden, das zumindest erwartet Johan Achten, Geschäftsführer des niederländischen Beratungsbüros Liba. „Die Möglichkeit der Quotenübertragung hat bislang doch mehr oder weniger bestimmt, in welchem Tempo und Umfang Milchviehbetriebe wachsen konnten. Wenn die Quote im nächsten Jahr wegfällt, werden die Unterschiede in der Gesetzgebung und den Verordnungen zwischen den Mitgliedsstaaten eine noch größere Rolle spielen. Vor einigen Jahren noch ließ die EU nicht so viele Unterschiede zu. Aber durch die Erweiterung der EU werden diese wohl wieder größer werden“, stellt Achten fest. „Jedes Land setzt die gemeinsame europäische Agrarpolitik mehr und mehr nach eigenen Vorstellungen um.
Aber nicht nur zwischen den Mitgliedsstaaten, sondern auch innerhalb einer Provinz oder Gemeinden werden den Milcherzeugern mittlerweile schon unterschiedliche Vorgaben gemacht.“ Eine Erklärung für die unterschiedliche Entwicklung der Mitgliedsstaaten liegt nach Achten auch in der Mentalität der Milcherzeuger, Berater, Vorstände und Politiker. „In den Niederlanden ist beispielsweise die Mentalität, groß zu denken, ähnlich stark ausgeprägt wie in Dänemark oder England.
In der Wallonie z. B. gibt es auch viele Möglichkeiten eine große Herde zu managen, aber die Mentalität dort gleicht eher der der Franzosen. Die Milcherzeugung ist dort oft nur eine Nebensache. Die Wallonen würden die Milchquote wahrscheinlich auch gern beibehalten, wenn sie die Wahl hätten. Die flämischen Betriebsgrößen liegen laut Achtens zwischen denen in der Wallonie und denen in den Niederlanden. Hier sind häufig noch Gemischtbetriebe anzutreffen.
Die vier im Artikel vorgestellten Milchkuhbetriebe sind charakteristisch für das Grenzgebiet. Innerhalb der einzelnen Mitgliedsstaaten können durchaus andere Voraussetzungen gelten. Wie groß die Unterschiede zwischen den vier Milchviehbetrieben auch sein mögen, alle Unternehmer haben sich innerhalb ihrer Rahmenbedingungen stark entwickelt. Es ist sicher den Unternehmerqualitäten der Betriebsleiter geschuldet, dass sich die Betriebsgrößen ungeachtet der Gesetze/Verordnungen in der jüngsten Vergangenheit mehr als verdoppelt haben.
Florus Pellikaan