Ställe öffnen für die Verbraucher oder verrammeln, um die Kühe vor Seuchen und Krankheiten zu schützen? Das eine schließt das andere nicht aus. Mit einer Risikoanalyse und einem ausgefeilten Hygieneplan können wir unsere Bestände weiter für die Öffentlichkeit zugänglich machen.
Welche Assoziationen haben Sie, wenn Sie das Schlagwort...
Ställe öffnen für die Verbraucher oder verrammeln, um die Kühe vor Seuchen und Krankheiten zu schützen? Das eine schließt das andere nicht aus. Mit einer Risikoanalyse und einem ausgefeilten Hygieneplan können wir unsere Bestände weiter für die Öffentlichkeit zugänglich machen.
Welche Assoziationen haben Sie, wenn Sie das Schlagwort „Biosicherheit“ hören? Vor meinem inneren Auge sehe ich Menschen in schützenden Ganzkörperanzügen, die tagtäglich mit hochinfektiösen Bakterien und Viren arbeiten. Ein Bild also, das so gar nicht in die Landwirtschaft passen will.
Dennoch, Biosicherheit wird für die Milcherzeugung in Zukunft immer wichtiger. In Zeiten des Klimawandels, in denen sich neue Erreger den Weg nach Europa suchen, aber auch mit einer schnell fortschreitenden BHV-1- und BVD-Sanierung wird es immer wichtiger den eigenen Bestand zu schützen. Doch was versteht man eigentlich unter Biosicherheit? Und wie kann sie in Milchviehställen aussehen?
Neu: Tierhalter haften
Mit Biosicherheit sind Maßnahmen gemeint, die getroffen werden, um Krankheiten von Herden fernzuhalten, in denen sie bislang nicht aufgetreten sind bzw. um die Ausbreitung aus dem Bestand heraus zu verhindern. Die Erhaltung einer guten Tiergesundheit ist also nicht nur Ziel der Biosicherheit, sondern gleichzeitig auch deren Grundvoraussetzung. Um die Risiken einer Infektion besser managen zu können, beschäftigt sich die Biosicherheit mit folgenden Fragen: Wie können Erreger eingeschleppt werden? Wie kann diese Einschleppung erschwert werden? Wie lässt sich der Neueintrag in den Bestand schnell feststellen? Wie können die Vorbeugemaßnahmen gestaltet werden?
Was sich zunächst nach viel Arbeit für die Betriebe anhört, bringt aber eben auch viele Vorteile mit sich:
- In den meisten Bundesländern befinden sich die Betriebe in der Endphase der Sanierung von BHV-1 und BVD. Biosicherheit kann eine Reinfektion verhindern.
- Eine Verhinderung von Seuchenzügen sichert den Export von Zuchtvieh, Sperma, etc.
- Mit Hygienemaßnahmen lassen sich nicht nur Seuchen vermindern, sondern auch „alltägliche“ Krankheiten wie Mastitis eindämmen.
- Präventionsmaßnahmen gehen mit einer Reduzierung des Arzneimittelverbrauchs (Antibiotika) einher.
- In den meisten Bundesländern befinden sich die Betriebe in der Endphase der Sanierung von BHV-1 und BVD. Biosicherheit kann eine Reinfektion verhindern.
- Eine Verhinderung von Seuchenzügen sichert den Export von Zuchtvieh, Sperma, etc.
- Mit Hygienemaßnahmen lassen sich nicht nur Seuchen vermindern, sondern auch „alltägliche“ Krankheiten wie Mastitis eindämmen.
- Präventionsmaßnahmen gehen mit einer Reduzierung des Arzneimittelverbrauchs (Antibiotika) einher.
Biosicherheit sollte aber nicht nur aus Eigeninteresse groß geschrieben werden. Seit Mai 2014 ist sie tatsächlich für Tierhalter verpflichtend. Denn nach §3 des Tiergesundheitsgesetzes müssen Tierhalter dafür „Sorge tragen, dass Tierseuchen weder in den Bestand eingeschleppt, noch aus dem Bestand verschleppt werden“. Zudem muss sich ein Tierhalter „im Hinblick auf die Übertragbarkeit anzeigepflichtiger Tierseuchen bei den von ihm gehaltenen Tieren sachkundig machen“.
Tierhalter können somit künftig eventuell haftbar gemacht werden, wenn sie keine Maßnahmen zur Verhinderung der Einschleppung oder Weiterverbreitung von Tierseuchen nachweisen können. Allerdings schweigt sich das Gesetz darüber aus, was Milcherzeuger konkret tun sollen, um nicht in eine Haftungsfalle zu geraten. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft hat zwar Empfehlungen für hygienische Anforderungen im Bundesanzeiger veröffentlicht, sie sind aber weder rechtsverbindlich noch eins zu eins umsetzbar. Praxistauglicher ist der Leitfaden Biosicherheit in der Rinderhaltung, den die Tierärztekammer Niedersachsen gemeinsam mit Rinderhaltern, Tierärzten, Klauenpflegern und Zuchtorganisationen entwickelt hat. Der Leitfaden ermöglicht die Einführung eines betrieblichen Biosicherheitskonzeptes.
Drei Sicherheitsstufen
Dieser Leitfaden hilft mögliche Risikoquellen für die Erreger-Einschleppung zu finden und geeignete Abwehr- und Vorbeugemaßnahmen zu installieren. Alle im Leitfaden beschriebenen Maßnahmen können mit unterschiedlicher Intensität durchgeführt werden. Der Leitfaden gibt deshalb drei Sicherheitsstufen vor. Die Stufe 1 sollte Standard sein, um den Bestand schützen zu können. Wichtig ist, eine Absicherung in allen Betriebsbereichen zu installieren. Einseitige Maßnahmen, z. B. nur eine Verringerung des Fahrzeugverkehrs, können die Tiergesundheit nicht nachhaltig sichern. Steigt das Risikopotenzial an, sollten die Sicherheitsmaßnahmen verschärft werden (Stufe 2 und 3). Gründe für ein höheres Sicherheitsniveau können sein:
- Seuchenzüge in der Region;
- eine hohe Wertigkeit der Herde z. B. durch eine erfolgte BHV-1-/BVD-Sanierung oder ein hohes genetisches Niveau;
- große Anzahl gehaltener Rinder im Bestand;
- die Sicherheit der Produkte muss überdurchschnittlich hoch sein (z. B. Vorzugsmilch).
- Seuchenzüge in der Region;
- eine hohe Wertigkeit der Herde z. B. durch eine erfolgte BHV-1-/BVD-Sanierung oder ein hohes genetisches Niveau;
- große Anzahl gehaltener Rinder im Bestand;
- die Sicherheit der Produkte muss überdurchschnittlich hoch sein (z. B. Vorzugsmilch).
Ein Beispiel für unterschiedliche Sicherheitsstufen lässt sich an dem Risikopunkt „Betreten des Stalls durch mögliche kontaminierte Personen“ zeigen. Als Gegenmaßnahmen sollte man bei Stufe 1 diese Personen dazu verpflichten (schriftlich) zumindest saubere Schutzkleidung und gereinigtes Schuhwerk zu tragen. Bei Sicherheitsstufe 2 sollten diese betriebsfremden Personen nur mit betriebseigenem Schuhwerk und Kleidung den Stall betreten dürfen. Stufe 3 gibt einen vollständigen Wechsel der Kleidung vor.
Vier Bausteine abarbeiten
Insgesamt gibt der Leitfaden vier Bausteine vor, die bei der Erstellung eines individuellen Hygieneplans „abgearbeitet“ werden müssen. Diese Bausteine sind:
- Personen- und Fahrzeugverkehr;
- Tierverkehr;
- Tiergesundheitsmanagement;
- landwirtschaftliches Bauen.
- Personen- und Fahrzeugverkehr;
- Tierverkehr;
- Tiergesundheitsmanagement;
- landwirtschaftliches Bauen.
Personen- und Fahrzeugverkehr: Krankheitserreger können auf verschiedenen Wegen übertragen werden. Man unterscheidet dabei zwischen direkter und indirekter Infektion. Bei der indirekten Übertragung wird der Erreger durch Vektoren (belebte oder unbelebte) weitergegeben. Hierzu zählen z. B. Personen, Fahrzeuge, Wildtiere oder Schadnager. Hier ergeben sich deshalb folgende Risikopunkte, für die Gegenmaßnahmen getroffen werden sollten (Gegenmaßnahmen Sicherheitsstufe 1 siehe Übersicht 1):
- Betreten des Stalls durch unbefugte bzw. durch potenziell kontaminierte Personen wie z. B. Tierärzte, Tierzuchttechniker, Viehhändler, Berater Kontrolleure;
- Instrumente, die direkt mit Körperflüssigkeiten in Berührungen kommen wie z. B. Besamungskatheter;
- Bestandsbesuche (z. B. Fruchtbarkeitskontrolle) bei denen keine Reihenfolge von Betrieben mit hoher Sicherheit (und guter Tiergesundheit) zu Milchviehbetrieben mit geringer Sicherheit eingehalten werden;
- Fahrzeuge, die Kontakte zu Erregern hatten.
- Betreten des Stalls durch unbefugte bzw. durch potenziell kontaminierte Personen wie z. B. Tierärzte, Tierzuchttechniker, Viehhändler, Berater Kontrolleure;
- Instrumente, die direkt mit Körperflüssigkeiten in Berührungen kommen wie z. B. Besamungskatheter;
- Bestandsbesuche (z. B. Fruchtbarkeitskontrolle) bei denen keine Reihenfolge von Betrieben mit hoher Sicherheit (und guter Tiergesundheit) zu Milchviehbetrieben mit geringer Sicherheit eingehalten werden;
- Fahrzeuge, die Kontakte zu Erregern hatten.
Tierverkehr: Zu der direkten Infektion zählt die Erregerweitergabe direkt von Tier zu Tier. Dieser Infektionsweg ist der häufigste. So sind bei 40 % der Seuchenausbrüche Tierkontakte die Infektionsursache. Folgende Punkte (Übers. 2) sind besonders genau unter die Lupe zu nehmen:
- Tierverkehr/-handel;
- im Betrieb verstorbene Tiere;
- Gerätschaften, die mit Ausscheidungen in Kontakt kommen z. B. der Klauenpflegestand;
- Tierkontakt auf der Weide bei gemeinschaftlichen Betriebsgrenzen;
- Betriebsfremde Gülle auf eigene Flächen.
- Tierverkehr/-handel;
- im Betrieb verstorbene Tiere;
- Gerätschaften, die mit Ausscheidungen in Kontakt kommen z. B. der Klauenpflegestand;
- Tierkontakt auf der Weide bei gemeinschaftlichen Betriebsgrenzen;
- Betriebsfremde Gülle auf eigene Flächen.
Tiergesundheitsmanagement: Nur aus gesunden Beständen können keine Erreger nach außen, also auf andere Betriebe, verschleppt werden. Wichtige Kontrollpunkte (Übersicht 3) hierbei sind:
- Tierbeobachtung;
- Prophylaxe;
- Schädlingsbekämpfung;
- Reinigung und Desinfektion.
- Tierbeobachtung;
- Prophylaxe;
- Schädlingsbekämpfung;
- Reinigung und Desinfektion.
Landwirtschaftliches Bauen: Last but not least entscheiden die baulichen Gegebenheiten über das Risiko der Einschleppung (Übersicht 4). Besonders bei der Planung von Neubauten sollte die Biosicherheit ein wichtiger Aspekt sein. Hierdurch können in einigen Fällen höhere Kosten entstehen, sie sollten aber immer den ökonomischen Vorteilen einer verbesserten Tiergesundheit gegenübergestellt werden. Folgende Punkte sollten bei der Planung berücksichtigt werden:
- Zutritt und Zuwege zum Tierbereich (Schwarz-/Weißbereich);
- Tierkörperlagerung;
- Quarantäne- und Krankenstall.
- Zutritt und Zuwege zum Tierbereich (Schwarz-/Weißbereich);
- Tierkörperlagerung;
- Quarantäne- und Krankenstall.
Alle Kontrollpunkte und Maßnahmen müssen an die betrieblichen Gegebenheiten angepasst werden. Wichtig ist es, diese Maßnahmen und deren Durchführung schriftlich zu fixieren. Vor allem wiederkehrende Gegenmaßnahmen wie z. B. die Schädlingsbekämpfung sollten dabei in einem Betriebstagebuch (Kalender) erfasst werden. Auch Besucher sollten in einem solchen Tagebuch vermerkt werden. Bei einem möglichen Seuchenfall können diese Einträge helfen weitere Seuchenausbrüche zu verhindern.
Man sollte alle beteiligten Personen mit ins Boot holen. Nur wenn Tierärzte, Berater oder Viehhändler die Biosicherheitsmaßnahmen kennen, kann ein Hygieneplan erfolgreich sein. Hat man einen Plan erstellt, ist es sinnvoll diesen mit der Veterinärbehörde abzustimmen. Denn diese entscheidet im Seuchenfall über die Entschädigung.Hat man eine private Ertragschadensversicherung abgeschlossen, sollte man die Anforderungen der Versicherer (Verträge) ebenfalls in den Hygieneplan aufnehmen. Im Fall eines Stallneubaus sollte eine Biosicherheits-Beurteilung des Stallplans fester Bestandteil der Planungsphase sein.
Was kostet’s?
Dass Biosicherheit im Bereich Tiergesundheit viele, auch monetäre, Vorteile bringt, liegt auf der Hand. Demgegenüber stehen natürlich auch Kosten, die an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf für drei verschiedene Bestandsgrößen berechnet wurden (Übers. 5). Den Berechnungen lag der niedersächsische Leitfaden zugrunde. Die Kosten beinhalten sowohl materielle Mehraufwendungen (bauliche Veränderungen und Betriebsstoffe), sowie immaterielle (Arbeitszeit). Es wurden die Kosten für die drei Sicherheitsstufen ermittelt. Dabei zeigte sich, dass Stufe 1 im Jahr zwischen ca. 70 € (64 Kühe) und 50 € (246 Kühe) pro Kuh kostet.
Mit zunehmender Sicherheit (-stufe) steigt der Kapitaleinsatz deutlich an, gleichzeitig vermindert sich aber das Risikopotenzial. Allerdings ist nicht für jede Betriebsgröße jede Sicherheitsstufe wirtschaftlich sinnvoll (siehe oben). Die Kostendegression bei zunehmender Herdengröße macht deutlich, dass sich Sicherheitsstufe 3 eher für größere Bestände lohnt (größeres Risikopotenzial). Die Kosten erscheinen auf den ersten Blick hoch. Allerdings muss beachtet werden, dass eine Mehrzahl der Kosten bereits jetzt bezahlt wird.
B. Ostermann-Palz/C. Stöcker