„Das Milchgeld ist nicht in dunklen Kanälen verschwunden“
Die zwei Käsespezialisten im Süden - die Milchwerke Schwaben und Hochland – wachsen weiter. Neuer Rohstoff und Partner mit guter Rendite sind willkommen.
Ein Rückgang im Auszahlungspreis von 15 ct/kg von einem Monat auf den anderen hatte im Januar 2023 nicht nur bei den Erzeugern der Milchwerke Schwaben in Neu-Ulm für einen Aufschrei gesorgt.
Als Grund nannte Karl Laible, geschäftsführender Vorstand, Mitte April vor den Genossenschaftsmitgliedern: „Wir sind mit unserem Käse in einem Geschäft unterwegs, das man nicht über Kontrakte absichern kann. Daher können die Preise schnell steigen, aber auch schnell fallen. Wir konnten die...
Jetzt bestellen und weiterlesen!
Elite - Das Fachmagazin für erfolgreiche Milchproduktion
Elite Print + Digital
Jahresabo
105,00 EUR
/
Jahr
6 Print-Ausgaben im Jahr versandkostenfrei
Alle Print-Ausgaben auch digital für Ihr Tablet oder Smartphone
Zugang zu sämtlichen Inhalten auf elite-magazin.de
Ein Rückgang im Auszahlungspreis von 15 ct/kg von einem Monat auf den anderen hatte im Januar 2023 nicht nur bei den Erzeugern der Milchwerke Schwaben in Neu-Ulm für einen Aufschrei gesorgt.
Als Grund nannte Karl Laible, geschäftsführender Vorstand, Mitte April vor den Genossenschaftsmitgliedern: „Wir sind mit unserem Käse in einem Geschäft unterwegs, das man nicht über Kontrakte absichern kann. Daher können die Preise schnell steigen, aber auch schnell fallen. Wir konnten die zu niedrigen Marktpreise innerhalb der Molkerei nicht abpuffern, sonst wären uns die Zwischenbilanzen total aus dem Ruder gelaufen. Wichtig ist, dass man weiß, dass das Geld nicht in dunkle Kanäle verschwunden ist.“
Geschäftsführender Vorstand, Karl Laible, witzelte bei der Vorstellung der Jahresbilanz 2023: „Ich habe mir extra die Haare wachsen lassen, damit es nicht so weh tut, wenn Köpfe rollen.“ Es gebe keine schwarzen Löcher, aufgrund der Preisentwicklung fehle schlicht und einfach Geld in der Kasse.
(Bildquelle: Lehnert, Silvia)
Im Laufe des Jahres hatte sich der Auszahlungspreis zwar langsam wieder erholt, der Rückstand im Milchpreis gegenüber den umliegenden Molkereien in Baden-Württemberg betrug letztlich aber immer noch 3,5 ct/kg, gegenüber dem bayerischen Durchschnitt 4,3 ct/kg. Für April soll es aber noch eine Nachzahlung von 1 ct/kg geben.
Preisgefälle Nord-Süd macht zu schaffen
So radikal wie bei der Genossenschaft mit Sitz an der Grenze von Bayern und Baden-Württemberg waren die Preisrückgänge zwar bei den anderen Molkereien im Lande 2023 nicht. Aber letztlich folgten alle nach und nach dem Abwärtstrend, bedingt durch Kostensteigerungen bei Energie, Verpackung, Löhnen und einem veränderten Verbraucherverhalten mit einem Trend zur Handelsmarke.
8 ct Milchpreisunterschied zwischen Nord- und Süddeutschland kann man niemals über eine höhere Effizienz erwirtschaften.
Peter Stahl, CEO Hochland SE
Zu schaffen machte den Molkereien im letzten Jahr aber auch das große Preisgefälle beim Milchpreis von zum Teil über 8 ct zwischen Nord- und Süddeutschland. „Das ist niemals über eine höhere Effizienz wieder rauszubekommen“, sagte Hochland-CEO Peter Stahl bei der Vorstellung der Jahresergebnisse 2023 in Heimenkirch Anfang der Woche. Mittlerweile haben sich die Preise bundesweit wieder etwas angeglichen.
Trotzdem noch gute Geschäftszahlen
Beide süddeutsche Molkereien konnten trotz dieser „Marktverwerfungen“ im Jahr 2023 insgesamt gute Bilanzen vorlegen (siehe Kasten). Die Milchwerke Schwaben liegen mit einem Gesamtumsatz von 329 Mio. € nahezu auf dem Niveau vom Vorjahr, der Jahresüberschuss stieg um mehr als 23 % auf 1,7 Mio. €.
Die Hochland-Geschäftsführung bezeichnet das Ergebnis des letzten Geschäftsjahrs ebenfalls als „zufriedenstellend“. Der führende Käsespezialist aus dem Allgäu konnte den Absatz leicht steigern auf 413.800 t. Beim Umsatz war ein Plus von 2,3 % auf 2,25 Mrd. € möglich. Trotz inflationsbedingter Kaufzurückhaltung konnte das Markengeschäft stabil gehalten werden, so Finanzvorstand Hubert Staub. Der Hauptteil, nämlich 44 % des Umsatzes, kommt bisher aus diesem Segment.
Handelsmarken ausbauen
Wenn bei den Marken kein Wachstum mehr möglich ist, dann müssen es eben Handelsmarken sein- so die Devise. Und hier steigt der Umsatz. Bei Hochland machen die Handelsmarken inzwischen bereits 24,6 % des Umsatzes aus und sie werden auch künftig – neben dem Food Service - als Wachstumsmotoren angesehen.
Gleichzeitig hofft man, dass sich das Markengeschäft wieder erholt. Man dürfe nicht vergessen, dass die Preise gerade bei Milchprodukten in der Vergangenheit überdurchschnittlich stark angezogen hätten. „Wir sehen im Moment wieder eine Angleichung zur Zeit vor Corona. Gut gepflegte Marken werden auch in Zukunft lukrativ sein“, ist Sebastian Schaeffer, im Vorstand von Hochland zuständig für Vertrieb, Marketing und Innovationen, optimistisch. Jährlich investiere man rund 5 Mio. € in Marken.
Handelsmarken spielen auch bei den Milchwerken Schwaben eine immer größere Rolle. Im nationalen Frische-Geschäft würden 67 % bereits unter Handelsmarke vertrieben, 23,5 % nimmt die Eigenmarke Weideglück ein, 1,7 % die Eigenmarke Landora. Tendenz bei den Handelsmarken: steigend.
Neue (Bio-)Milchlieferanten willkommen
Um Zulauf neuer Erzeuger und damit um mehr Rohstoff für ihre Wachstumsziele müssen sich die beiden Markenmolkereien offenbar keine Sorgen machen. Die Milchwerke Schwaben haben 2023 die Rekordmenge von 423 Mio. kg Milch erfasst. Das entspricht einer Steigerung von 4,1 %. Und auch 2024 wird mit einer weiteren moderaten Steigerung gerechnet. Laut geschäftsführendem Vorstand Dr. Johann Meier war das Werk mit dieser Menge ausgelastet. Für weitere 15 Mio. t habe man bereits mit einer neuen Frische-Abfülllinie zusätzliche Kapazitäten geschaffen. Was noch fehle, sei Biomilch. Aktuell werden 9 Mio. kg Biomilch verarbeitet. Weidemilch-Produkte seien mit 4,9 Mio. kg noch ein zartes Pflänzchen.
Und auch bei Hochland sind neue Lieferanten willkommen, neue Verträge für 2025 seien bereits abgeschlossen. Bei den eigenen Mitgliedern erwarte man dagegen keine wesentlichen Mengensteigerungen mehr.
Die Vorstandsmitglieder der Hochland SE blicken auf ein zufriedenstellendes Jahr 2023 zurück und nehmen „Wachstum in fast allen Geschäftsfeldern“ ins Visier. Von links: Sebastian Schaeffer (CCO), Hubert Staub (CFO); Peter Stahl (CEO) und Josef Stitzl, COO.
(Bildquelle: Lehnert, Silvia)
In welchen Segmenten wachsen?
Bei Hochland wächst weltweit vor allem die Schmelzkäse-Schiene. Optimistisch sieht man auch den Markt für pflanzliche Käse-Alternativen, selbst wenn er aktuell unter Druck stehe. Zunehmend drängen auch hier Handelsmarken in den Markt. „Wir glauben trotzdem daran, dass diese Produktschiene langfristig ein wichtiger Bereich ist. Die Käuferreichweite ist vor allem bei den unter 29-Jährigen im urbanen Umfeld extrem hoch und steigt noch“, sagt Vorstand Sebastian Schaeffer. Viel verspricht man sich auch von der Beteiligung am Start-up Remilk, das Milchproteine per Fermentation im Labor herstellt. Aktuell warte man allerdings noch auf deren Zulassung durch die EFSA.
Bei den Milchwerken Schwaben ist das Geschäft mit Joghurt zuletzt extrem gewachsen. Weiteres Potenzial hätten Kleinbecher Milchreis, auch unter Handelsmarke.
„Haltungsform 3 ist künftig das Level“
Bei der Umstellung auf Haltungsform 3 (HF3) bei den Milcherzeugern machen beide Unternehmen Tempo. Karl Laible von den Milchwerken Schwaben: „HF 3 wird künftig das Level sein.“ Über HF 2 spreche schon jetzt niemand mehr, auf HF 1 wird bereits komplett verzichtet. „Entweder man spielt mit, oder man ist draußen“, resümiert der geschäftsführende Vorstand. Die Genossenschaft will bis 2030 die komplette Milch auf die Haltungsformen 3 und 4 umgestellt haben.
Bis 2030 soll unsere komplette Milch Haltungsform 3 und 4 entsprechen.
Karl Laible, geschäftsführender Vorstand, Milchwerke Schwaben eG
Und auch bei der gelben Linie kämen inzwischen vom Handel Forderungen nach HF3, bestätigen die beiden Molkereien.
Am Produktionsstandort von Hochland in Schongau seien bereits 50 % der 320 Mio. kg in HF3-Qualität, die andere Hälfte sei Milch ohne Gentechnik. Die Zuschläge weise man aktuell noch aus. „Wenn HF3 zum neuen Standard wird, ist klar, dass der Mehrpreis eingepreist ist“. Am Ende sei es letztlich eine Frage der individuellen Kalkulation. In einigen Höfen seien die Mehrkosten ja letztlich da, andere dagegen hätten schon früher in die jetzt geforderten Maßnahmen investiert.
Für Höfe mit Anbindehaltung habe man laut Hochland-COO Josef Stitzl Anreize zum Wechsel in den Laufstall geschaffen. Ihre Milch wird aber bereits seit 2023 getrennt erfasst und nicht mehr in Schongau verarbeitet, die höheren Sammelkosten werden auf die Betriebe umgelegt.
Die Hochland-Standorte in Hergatz und Oberreute werden in absehbarer Zeit geschlossen, die Mitarbeiter finden am Hauptsitz in Heimenkirch (Foto) einen neuen Arbeitsplatz.
(Bildquelle: Lehnert, Silvia)
Hochland in Zahlen, Geschäftsjahr 2023
- Umsatz: 2,25 Mrd. € (+ 2,3 %; ein Drittel davon in Deutschland, ein Drittel in sonstigen EU-Ländern, ein Drittel in Drittländern)
- Umsatzrendite vor Steuern: 4,8 % (+ 1,2 %)
- Absatz: 413.800 t (+0,3 %)
- Ergebnis: 107,9 Mio. € (+ 28,6 Mio. €)
- Bilanzsumme: 1.228 Mio. € (+ 0,5 %)
- Jahresüberschuss: 76,6 Mio. €
- Investitionen: 116,2 Mio. €
- Eigenkapitalquote: 64,6 % (+ 0,8 %)
- erfasste Milchmenge: 320 Mio. l
- Milchpreis: 49,1 ct/kg bei 4,0 % Fett und 3,4 % Eiweiß, oGT
- Mitarbeiter: 6100 Mitarbeiter in der Hochland-Gruppe (davon 40 % in Deutschland)
- wichtigste Produkte: Schmelzkäse, Frischkäse, Weich- und Weißkäse, Hart- und Schnittkäse
- wichtigste Marken: Hochland, Almette, Grünländer, Patros, Gervais, Simply V
Beide wollen weiter wachsen
Hochland investiert seit Jahren kräftig, die letzten drei Jahre waren es jährlich ca. 120 Mio. €. Damit schaffe man die Voraussetzung für zukünftiges Wachstum und für die Stärkung der Marktposition, so CEO Peter Stahl. „Wir haben in fast allen Geschäftsfeldern Wachstumsambitionen“, sagt Stahl. Neben dem Ausbau der Marktanteile sehe man über die Bereinigung der Molkereistrukturen eine Möglichkeit für Wachstum. Natürlich schaue man sich nach interessanten Partnern mit guter Rendite um und nehme auch weitere Milch auf. Peter Stahl: „Idealerweise wachsen wir in unseren Kernländern Deutschland, Polen oder Rumänien durch die Übernahme einer Marke, eventuell auch mit der Produktion dahinter.“ Die Produktionsstandorte in Hergatz und Oberreute wolle man in absehbarer Zeit aufgeben, die Mitarbeiter würden Teil der Hochland Deutschland und arbeiten künftig in Heimenkirch.
Wir können über Marktanteile wachsen oder über eine Bereinigung der Molkereistrukturen.
Peter Stahl, CEO, Hochland SE
Bei der Rendite gelte es, 5 % zu erreichen. Beim Milchpreis hat Hochland nach wie vor das Ziel, bundesweit im oberen Drittel zu landen, was bisher immer gelungen sei. 2023 lag der mittlere Milchpreis bei 49,1 ct bei 4,0 % Fett.
Eine ganze Latte an Investitionen haben auch die Milchwerke Schwaben parat. Eine neue Abfüllanlage, die Ausweitung der Kapazitäten für Frischprodukte mit u.a. einer neuen Abfülllinie für Frischprodukte oder eine Versuchsanlage zur Vorklärung von Abwasser sind nur wenige Beispiele. Langfristig wolle man den Exportanteil in bestimmte Länder reduzieren, um weniger abhängig zu sein. Aktuell beträgt der Absatzanteil im Ausland ca. 68 %.
- Absatz: Käse: 33.846 t (68,7 %); Frischprodukte: 19,3 %
- Ergebnis nach Steuern: 1.78 Mio. €
- Bilanzsumme: 92,6 Mio. €
- Jahresüberschuss: 1,7 Mio. € (+ 23 %)
- Investitionen: 7,5 Mio. €
- Eigenkapitalquote: 47,3 % (43,8 Mio. €)
- erfasste Milchmenge: 423 Mio. kg, 464,8 Mio. kg insgesamt verarbeitet
- Anzahl der Lieferanten: 778 Betriebe
- Milchpreis 2023: brutto 50,05 ct/kg bei 4,2 % Fett, 3,4 % Eiweiß (oGT); 66,80 ct/kg brutto für Biomilch
- Mitarbeiter: 238
- wichtigste Produkte: Käse, Joghurt
- wichtigste Marken: Weideglück, Axel,
Wie geht es am Markt weiter?
„2024 wird anspruchsvoll“, sagt Hochland-CEO Peter Stahl. Durch die Lohnerhöhungen rechne man zwar mit mehr Kaufkraft bei den Verbrauchern, aber im Süden auch mit anhaltend hohen Milchpreisen zwischen 45 und 50 ct/kg. CEO Peter Stahl: „Es kann sein, dass wir daher über weitere Marktpreiserhöhungen nachdenken müssen. Denn im 1. Quartal 2024 haben wir erst 4 % Rendite erzielt.“
Es kann sein, dass wir über weitere Marktpreiserhöhungen nachdenken müssen.
Peter Stahl, CEO Hochland SE
Die aktuelle gegenläufige Marktentwicklung mit einer großen Preislücke zwischen Fett und Protein mache den Markt aktuell schwer vorhersehbar. Eine entscheidende Rolle für die Aussichten spiele neben der Milchmenge auch die weitere Entwicklung der Nachfrage aus China, so Hochland-COO Josef Stitzl.
Die Milchwerke Schwaben geben sich optimistisch für dieses Jahr: Trotz mehr Menge habe man bereits bessere Umsätze, da größere Anteile bereits unter Kontrakt seien. Der geschäftsführender Vorstand Karl Laible stellt fest: „Richtung Mai erhöht sich das Auftragsvolumen noch.“ Das Jahr habe mit stabilen bis festen Preisen begonnen und das Milchaufkommen scheine sich normal zu entwickeln. „Damit dürften die Märkte für Milchprodukte bei konstanter Nachfrage stabil bleiben“, so seine Prognose.
Wie entwickeln sich die Märkte? Erobern pflanzlichen Alternativen das Kühlregal? All das wurde diese Woche in München auf dem Molkereikongress diskutiert.