Betriebsspiegel:
50 Kühe
15.000 kg Milch
80 Hektar LN
47546 Kalkar
Großrahmige, breite Kühe mit klaren Fundamenten und festen Eutern bewegen sich entspannt durch den Stall. Einige Kühe kommen neugierig zum Fressgitter. „Die Kuh hat drei Kälber und gibt aktuell über 60 kg Milch“, erzählt Betriebsleiter Christoph Eberhard, während wir weiter über den Futtertisch laufen, und zeigt auf eine dunkle Kuh mit tadellosem Euter, die gerade aufgestanden ist. Damit ist sie wohl nicht die einzige – gut 48,5 kg Milch beträgt der aktuelle Herdenschnitt lautet Milchkontrolle (April 2022).
Zufrieden mit 50 Kühen
Christoph und Linda Eberhard leben gemeinsam mit Tochter Ella, der 50-Kopf großen Holsteinherde und rund 100 weiblichen Jungtieren auf einer äußerst gepflegten Hofstelle am Kuh-reichen Niederrhein. Wohnhaus, Stallgebäude und Siloanlagen liegen nah beieinander. Alles wirkt ruhig und geordnet. Außer den Vierbeinern befindet sich zwischen den Stallzeiten in der Regel niemand im Stall. „Ich denke, dass hier soweit alles rund läuft. Aber unsere Ställe sind 20 Jahre alt, da gibt es bestimmt bessere Betriebe“, meint Christoph Eberhard. Vor gut zwei Jahren hat er den Betrieb übernommen. Seitdem wohnen seine Eltern 200 Meter von der Hofstelle entfernt. Christophs Vater hilft noch gerne mit und übernimmt viele Feldarbeiten.
Neben Gras und Mais bauen sie auch Getreide, Zuckerrüben, Raps und Kartoffeln an. Erntearbeiten, Gülleausbringung und Spritzen haben sie an Lohnunternehmen ausgelagert, alles andere erledigen sie selbst. Auch Ehefrau Linda hilft bei Büro- und Stallarbeiten, weitere Arbeitskräfte gibt es nicht. Eine Erweiterung kommt für Eberhards nicht infrage. „Wir möchten auf jeden Fall bei dieser Größe bleiben. Bevor ein neuer Stall gebaut würde, würden wir eher aufhören“, ist sich der junge Betriebsleiter sicher.
Bullen mit + 2.000 kg Milch
Die entscheidende Frage: Welches Erfolgsgeheimnis steckt hinter dieser überschaubaren Holsteinherde, die noch einmal rund zehn Liter Milch mehr melkt als andere hochleistende Herden?
„Die kompromisslose Zucht und Selektion auf Leistung!“, ist sich Christoph Eberhard sicher. Der züchterische Fokus auf Leistung war ihm schon immer wichtig. Seit gut zehn Jahren hat er dieses Ziel konkretisiert und fährt seitdem eine klare Strategie aus Anpaarung und Selektion. Die Leistung kommt also nicht von heute auf morgen, auch wenn die 15.000 kg Milch ein neuer Rekord sind. Im langfristigen Schnitt liegen sie bei rund 14.500 kg Milch.
Wir züchten und selektieren kompromisslos auf viel Milch!“
Christoph Eberhard
Christoph Eberhard setzt konsequent Bullen ein, die mindestens + 2.000 kg Milch vererben. Bei Kühen nutzt er zu 60 % töchtergeprüfte Bullen, ab der vierten oder fünften Besamung Fleischrassen. Bei Jungrindern entscheidet er nach genomischen Daten, auf die er alle weiblichen Tiere untersuchen lässt. Vielversprechende Jungrinder werden gesext besamt, weniger interessante Rinder dienen als Trägertiere. Drei- bis viermal im Jahr lässt er hochtestende Jungrinder spülen. Obwohl sie erst kürzlich ein Bullenkalb mit RZG 168 verkaufen konnten, sieht er in der genomischen Zucht mehr Hobby als ein Geschäftsmodell.
„Die Spülungen mache ich in erster Linie für mich, denn 95 % der Tiere erreichen keinen ausreichenden Zuchtwert, um sie entsprechend zu vermarkten. Also melke ich sie später selbst“, erklärt der Züchter. Bei jeder Spülung und Besamung gilt dasselbe Ziel: extreme Leistungsvereber mit passendem Exterieur. Um die zu finden, durchforstet er Bullenlisten intensiv, geht aber auch nach Bauchgefühl. „Auf Zuchtwerte für Nutzungsdauer und Gesundheit achte ich wenig, vielleicht zu wenig. Vor allem Zellzahl und Töchterfruchtbarkeit habe ich vernachlässigt“, sagt er. Dass die Inhaltsstoffe mit aktuell 3,26 % Eiweiß und 3,78 % Fett unter der hohen Milchmenge leiden, stört ihn nicht. Die Zellzahl pendelt zwischen 100.000 und 150.000 Zellen/ml Milch.
Gezielt selektieren
Neben der Bullenauswahl gilt „viel Milch“ auch bei der Nachzucht-Selektion. Da alle weiblichen Kälber im Betrieb aufwachsen und abkalben, kann Christoph Eberhard intensiv selektieren. „Ich behalte nur jede vierte bis fünfte Färse, so habe ich viel Auswahl“, erklärt er. Die Färsen sollen mindestens 40 Liter melken und gut am AMS funktionieren, sonst werden sie ab Stall oder über Auktionen verkauft. Schwierig einzuschätzen ist dabei die Entwicklung in späteren Laktationen. „Manche Färsen entwickeln sich enorm weiter, da bin ich vielleicht manchmal zu ungeduldig“, gibt er zu. Hinzu kommt, dass seine Färsen mit durchschnittlich 22 Monaten sehr jung kalben. Gleichzeitig gibt es aber auch Kühe, die als Färse sehr leistungsstark sind und mit dem zweiten Kalb enttäuschen. Auch hier wird selektiert, zum Beispiel durch den Verkauf einer Zweikalbigen.
„Das ist derzeit unsere älteste Kuh, sie hat über 130.000 Liter Milch produziert“, erzählt der Betriebsleiter mit Blick auf eine schwarze Kuh im Fressgitter. „Sie ist zwar fit, hat aber hohe Zellen, darum weiß ich nicht, ob sie wieder besamt wird.“ Auch diese Entscheidungen gehören zur konsequenten Strategie. „Wir haben gerne viele alte Kühe, aber wenn sie Probleme machen, halten wir uns nicht ewig damit auf“, erklärt er. Die Remontierungsrate liegt bei ca. 25 %, die Nutzungsdauer bei 3,9 Jahren und die durchschnittliche Abgangsleistung bei über 55.000 kg Milch.
Schnell sein!
Dass die Genetik nur so gut funktioniert, wie es das Management hergibt, gilt auch bei Eberhards. „Natürlich sind die Kühe bei dieser Leistung ziemlich sensibel, wir müssen extrem gut nach ihnen sehen. Darum haben wir ja auch nur 50 …“, sagt Christoph Eberhard mit etwas Ironie. Damit die Kühe die Leistung halten können, muss er bei Auffälligkeiten sofort reagieren: „Irgendetwas ist immer, aber ich kenne die Kühe gut und merke schnell, wenn etwas nicht stimmt. Trotzdem ist es nicht so, dass wir bei den Kühen schlafen“, erzählt er. Aktuell liegt eine sechskalbige Kuh im Stroh, abgesehen von Kalbungen ist dieser Bereich aber auch oft ganz leer. Sind die Kühe nach der Kalbung fit, gibt es keine standardisierten Prophylaxemaßnahmen.
Es ist nicht so, dass wir bei den Kühen schlafen.“
Christoph Eberhard
Der gute Blick für die Kühe ist extrem wichtig, dagegen gibt es im Management wenig Schnickschnack. Einmal täglich werden die Kühe mit einer einfachen Ration aus Mais, Gras, Stroh, Kraftfutter, 0,5 kg Futterfett und 10 Liter Wasser gefüttert. Aufgrund guter Böden können Eberhards in den meisten Jahren gutes Grundfutter produzieren. Der geringe Grasanteil wird vollständig in Wickelballen geerntet. Um die hohe Leistung „herauszukitzeln“, müssen sie dennoch viel Kraftfutter ergänzen. Die Teil-TMR enthält 1 kg Weizen und 5 kg Eiweißfutter pro Kuh. Am AMS können Färsen bis zu 4 kg, Mehrlaktierende bis zu 6 kg abrufen. Die Ration wird nur maximal einmal im Jahr durchgerechnet.
Aufgrund der kleinen Herde gibt es keine Trockensteherration. Die ersten vier Wochen verbringen die Trockensteher im Stroh mit Heulage ad libitum und zusätzlich etwas Kuhration. Zwei Wochen vor der Kalbung laufen sie dann mit in der melkenden Herde. Die Laktierenden liegen auf Hochboxen mit Wasserbett-Matratze, die mit Kalk und Häckselstroh eingestreut werden. Kühe werden ab dem 90., Erstlaktierende ab dem 100. bis 120. Laktationstag erneut besamt. Verbesserungspotenzial sieht Christoph Eberhard in der Klauengesundheit. Zwar ist zweimal im Jahr ein Klauenpfleger im Betrieb, gegen Mortellaro machen sie prophylaktisch bisher aber nichts.
AMS spart Arbeitszeit
Seit Mai 2020 werden die Kühe automatisch gemolken. Mehr Flexibilität war der Hauptgrund, da bei ihrer Betriebsgröße ohne Angestellte zuvor kein Weg daran vorbeiführte, sieben Tage die Woche morgens und abends selbst im Stall zu stehen. Jetzt sind sie nicht nur flexibler, sondern konnten auch insgesamt Arbeitszeit einsparen. Die Zeit nutzen sie gerne für Familienausflüge. „Das erste halbe Jahr war super anstrengend. Nach gut zwei Wochen hatten wir riesige Probleme mit der Eutergesundheit. Auch einige ältere Kühe haben sich schwer getan mit der Umstellung“, berichtet Christoph Eberhard. Jetzt läuft es rund. Im Durchschnitt erreichen sie drei Melkungen pro Tag. Durch fünf Färsen, die kürzlich gekalbt haben, sind die Melkungen leicht zurückgegangen. „Bei durchschnittlich knapp 50 kg Milch ist der Melkroboter mit 50 Tieren eigentlich überbesetzt, optimal wären 45 Tiere“, meint er.
Von der Umstellung auf automatisches Melken hat vor allem die Euterqualität der Färsen profitiert. Trotz hoher Leistung bleiben die Euter kleiner und werden geschont. Der Betriebsleiter selbst muss sich noch an die vielen Daten des Melkroboters gewöhnen. „Es ist erstaunlich, wie extrem zum Beispiel die Körpertemperatur schwankt. Wenn ich das sehe, bin ich schnell beunruhigt, obwohl die Kuh fit im Stall steht. Am nächsten Tag ist oft alles wieder normal“, erzählt er. Die Brunsten hat er bisher aber noch jedes Mal erkannt, bevor sich die Aktivitätsmessung gemeldet hat. „Christoph ist aber auch Kuhmensch durch und durch, das ist schon speziell“, erwähnt Linda lächelnd.
Was kommt nach 15.000 kg?
15.000 kg Milch hat bisher noch kein zweiter Milcherzeuger in Deutschland erreicht. Auch wenn der Betriebsleiter bescheiden erzählt, sind die Zahlen, die konsequente Strategie und der Ehrgeiz der Familie beeindruckend. Möglicherweise kann der stetige Zuchtfortschritt zukünftig sogar für Milchleistungen oberhalb der 15.000 kg sorgen. „Erst einmal ist es das Ziel, die aktuelle Leistung konstant zu halten. Natürlich ist es irgendwo auch mein Ziel, noch mehr zu melken. Ich weiß aber auch, dass es immer schwieriger wird“, sagt Christoph Eberhard. Mit Kühen passiert jeden Tag etwas anderes. Es kann auch sein, dass sie keine weitere Leistungssteigerung erreichen. Selbst wenn das so wäre, bleibt die Herde von Familie Eberhard sicherlich noch lange ganz weit oben.
Bildergalerie
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