Milchquote: Das war's dann!

Am 1. April endete die Milchquote. Eingeführt wurde sie 1984, weil mehr Milch produziert als verbraucht wurde und die Politiker die "Milchseen" austrocknen und die "Butterberge" abtragen wollten. Nach 31 Jahren wird die Milchproduktion nun wieder vom Markt bestimmt sein – Kommentare und eine Presseschau.

Die Milchquotenregelung in der Europäischen Union ist 1984 eingeführt worden, ursprünglich befristet auf fünf Jahre. Ziel war, die Überschüsse an Milch zu begrenzen, und damit die Kosten, die diese verursachten. Der Milchmarkt war in den 1970-er und Anfang der 1980-er Jahre zunehmend in ein Ungleichgewicht geraten. Nach kontinuierlichen Erhöhungen der Interventionspreise mussten immer umfangreiche Mengen an Butter und Magermilchpulver durch die Interventionsstellen aufgekauft oder mittels Beihilfen verbilligt werden. Die Kosten dafür liefen aus dem Ruder. Die Milchmarktordnung verschlang zeitweise nahezu ein Drittel der gesamten Ausgaben des Landwirtschaft-Haushaltes der Europäischen Gemeinschaft. Um diese Ausgaben zu begrenzen, wurde die Quotenregelung, also eine administrative Begrenzung der Milchproduktion, eingeführt. Diesem Schritt wurde schließlich der Vorzug gegenüber stärkeren Senkungen der Milchpreisstützung gegeben.

Hohe Ausgaben für Quotenübertragungen

Nach Schätzungen des Bauernverbands (DBV) haben die deutschen Milchbauern in den 31 Quotenjahren rund 15 Mrd. Euro für Superabgaben, Quotenkauf und Quotenpacht ausgegeben. Gleichzeitig hat der Strukturwandel trotz Mengenbegrenzung  das Höfesterben nicht aufhalten können: Im Vergleich zum Start der Quote in 1984  hat sich laut Statistischem Bundesamt die Anzahl an Milchbauern von 369.000 auf 78.000 (-79 Prozent!!) verringert.
Während viele Milcherzeuger und Molkereien das Auslaufen der Quotenregelung begrüßen, fürchtet manch anderer Betrieb und (Umwelt)Verband einen härteren Preiskampf und negative Auswirkungen auf Umwelt und Tierschutz.

Ist die Abschaffung der Milchquote richtig?

Joachim Rukwied vom Deutschen Bauernverband (DBV) und Romuald Schaber vom Bund Deutscher Milchviehhalter (BDM) beziehen in der Schwäbischen Zeitung Stellung. Mehr …

The European Dairy Association (EDA): Milcherzeuger und Molkereien sind vorbereitet

Anton

Foto: EDA (Bildquelle: Elite Magazin)

Das Ende der Milchquoten ist ein weiterer Schritt in Richtung Marktorientierung der Gemeinsamen Agrarpolitik. Ein Schritt, der mit einem politischen Prozess im Jahr 2003 begonnen wurde. Milcherzeuger und Molkereien sind für diesen Schritt vorbereitet, erklärt Alexander Anton, Generalsekretär des EDA (The European Dairy Association). Eine erhöhte Markttransparenz ermöglicht es allen Akteuren im Milchsektor, die richtigen Geschäftsentscheidungen zu treffen." Zudem wird nach dem Auslaufen der Quote der Verwaltungsaufwand auf allen Ebenen sinken. Dies wird die Wettbewerbsfähigkeit des gesamten Sektors weiter verbessern."

Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt: Ende der Milchquote ist eine Chance für die Milchwirtschaft

Schmidt

Foto: BMEL (Bildquelle: Elite Magazin)

 Wie das Bundeslandwirtschaftsministerium weiter schreibt, scheint die Quotenregelung rückblickens ihre Ziele nicht erreicht zu haben. Sie hat weder zu stabilen Erzeugerpreisen geführt, noch den Strukturwandel aufgehalten. „Zum Teil starke Preisschwankungen konnte auch die Quote nicht verhindern. Stattdessen wurde die EU vom Wachstum des globalen Milchmarktes abgekoppelt. Die Entwicklung zeigt: Die Milchquote ist auf Dauer keine Lösung und angesichts der Chancen des globalisierten Marktes auch nicht mehr sinnvoll“, erklärte Schmidt.

EU-Agrarkommissar Phil Hogan:  Lernen, mit den Volatilitäten des Marktes zu leben“

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Foto: Flickr (Bildquelle: Elite Magazin)

 Phil Hogan hat  zum Ende der Milchquotenregelung den historischen Schritt für den Milchsektor hervorgehoben.  „Das Ende der Milchquotenregelung ist sowohl eine Herausforderung als auch eine Chance für die Union. Eine Herausforderung insofern, als eine ganze Generation von Milcherzeugern mit völlig neuen Lebensumständen konfrontiert sein wird und lernen muss, mit den Volatilitäten des Marktes zu leben“, erklärte Hogan vor Journalisten in Brüssel. Gleichzeitig jedoch böten sich Chancen für Wachstum und Beschäftigung. Wenn sich der Milchsektor verstärkt auf Mehrwertprodukte und Zutaten für funktionelle Lebensmittel konzentriere, könne er zu einer Triebkraft für die Wirtschaft der EU werden.  Hogan räumte ein, dass es in Bergregionen und anderen benachteiligten Gebieten auch Ängste gebe. Um strukturellen Problemen zu begegnen, sieht er jedoch die Hauptverantwortung bei den Mitgliedstaaten. Im Rahmen der ländlichen Entwicklung gebe es eine breite Palette an speziellen Fördermöglichkeiten, um die Wettbewerbssituation von Milchviehhaltern zu verbessern.

Greenpeace: „Ab jetzt gibt’s billige, schlechte Milch“

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Foto: Greenpeace (Bildquelle: Elite Magazin)

 Ein düsteres Bild vom Ende der Milchquote zeichnet Martin Hofstetter von Greenpeace. Er meint, in der bisherigen Berichterstattung kommen Umwelt- und Tierschutzaspekte zu kurz. So warnt der Umweltschützer darin vor „ausgebrannten Milchkühen, bankrotten Kleinbauern und mehr Schadstoff- und Klimabelastung als Folgen der verfehlten Politik. „Verbraucher erhalten in Zukunft ein billigeres, aber schlechteres Milchprodukt.“
Nach Geflügel und Schweinen steht seiner Meinung nach jetzt der Ausverkauf der bäuerlichen Milchviehhaltung an. „Wir werden einen massiven Strukturwandel erleben, an dessen Ende die Kuh zur Sau gemacht wird. Selbst in Süddeutschland werden jetzt Massentierhaltungsställe mit mehr als tausend Kuhplätzen gebaut. Letztlich werden viele kleine und mittlere Bauernhöfe auf der Strecke bleiben“, so Hofstetter. Ohne begrenzte Quote erwartet er außerdem, dass die Milchindustrie vermehrt Kraftfutter und Antibiotika einsetzt, um die Produktion zu steigern. „Viele Milchkühe sind bereits jetzt durch die gewaltigen Milchmengen völlig ausgebrannt und krank. Kühe gehören auf die Weide und nicht in riesige Massentierhaltungsställe."
Der Greenpeace-Mann rechnet zudem damit, dass die Produktion zukünftig dorthin wandert, wo es am billigsten ist: Weg von teureren Lagen wie dem Mittelgebirge, hin zu den hochproduktiven kostengünstigen Standorten an der Küste von Niedersachsen und Schleswig-Holstein sowie im Allgäu. „Diese Regionen werden wie bereits bei der Schweine- und Geflügelproduktion massiv mit Ammoniak, Nitrat, klimaschädlichem Methan und Lachgas belastet werden.“

Eine Presseschau aus deutschsprachigen Zeitungen:

Die Milchquote fällt, und viele Fragenbleiben offen
(Die Welt)
31 Jahre lang regelte die Milchquote den Markt mehr schlecht als recht. Nun fällt sie weg, aber der Jubel ist dünn. Die kleinen Bauern sind verunsichert. Für Verbraucher gibt es Entwarnung – vorerst.
Ende der Milchquote Freiheit birgt auch Risiko
(Deutschlandfunk)
Der Wegfall der Quote wird den europäischen Milchmarkt verändern, kommentiert Jörg Münchenberg. Die neuen Freiräume für international aufgestellte Molkerein gebe es jedoch nur mit erheblichem Risikoaufschlag. Diese Nachteile reichten jedoch nicht aus, um an der antiquierten Regelung weiter festzuhalten.
Das Ende der Planwirtschaft
(Deutschlandfunk)
"Jetzt im Nachhinein muss ich sagen, es wär vielleicht besser gewesen, wir hätten sie nicht eingeführt,  erklärt der ehemalige Bundestags- und jetzige Abgeordneter im Europaparlament (CSU) Albert Dess. Er hatte sich damals für die Milchquote stark gemacht.
Zwischen Optimismus und Existenzangst
(Deutschlandfunk)
Die Schweiz als Negativbeispiel? „Man weiß nicht so genau, was kommt. Aber die Erfahrungen in anderen Ländern sind nicht sehr positiv, weiß Romuald Schaber, der Vorsitzende des Bundesverbands deutscher Milchviehhalter, BDM. Die Situation in der Schweiz sei aber nicht so einfach auf Bayern zu übertragen, kontert Elisabeth Viechtl. Die Referatsleiterin im Bayerischen Landwirtschaftsministerium betont eher die Chancen des freien Marktes als die Risiken.
Jeder zweite Milchbauer hat bereits aufgegeben
(ZEIT online)
Die Milchquote war falsch. Doch sie abzuschaffen macht es nicht besser. Eine ganz neue Politik wäre nötig – um kleinere Höfe zu stärken statt der Massenviehhaltung. Friedrich Ostendorff, Milcherzeuger und Sprecher für Agrarpolitik der Grünen-Bundestagsfraktion, kommentiert den Quotenausstieg in der ZEIT.
Aus, Ende, A(l)men
(Sueddeutsche Zeitung)
Zäsur nach 30 Jahren: An diesem Mittwoch ist Schluss mit der Milchquote. Viele Bauern werden das verkraften, doch vor allem kleine Höfe brauchen Hilfe. Denn die Landwirtschaft ist kein Wirtschaftszweig wie jeder andere.
Die Milch macht’s
(Frankfurter Neue Presse)
Die Politik muss bei künftigen Entscheidungen bedenken, dass ohne die Milchviehhaltung und die damit einhergehende Grünlandbewirtschaftung, die Kulturlandschaft gerade in den Mittelgebirgsregionen bedroht ist. Sollte es zu einem weiteren deutlichen Verfall der Milchpreise kommen, muss die Politik gerade für die kleineren und mittleren Betriebe eine Unterstützung und Sicherungsnetz schaffen.
$(LEhttp://www.pnp.de/region_und_lokal/stadt_und_landkreis_passau/vilshofen…
(Neue Passauer Presse)
"Die Discounter sind das Problem, weil die den Preis drücken, betont Franz Wagner, Milcherzeuger im bayerischen Windorf. Vor knapp zwei Jahren hat er einen neuen High-Tech-Stall mit zwei Melkrobotern investiert und seinen Milchkuh-Bestand von 36 auf derzeit 90 Tiere aufgestockt. Zehn weitere Kühe kommen in den nächsten beiden Monaten hinzu.
Ende der Milchquote: Was eine Bäuerin dazu zu sagen hat
(Die Presse)
Durch die zu erwartende Mehrproduktion wird der Wettbewerb angeheizt, bei welchem gerade kleinstrukturierte bäuerliche Betriebe, insbesondere in Bergregionen, auf der Strecke bleiben, glaubt Biobäuerin Judith Moser-Hofstadler aus dem österreichischen Mühlviertel.
Die Menge macht´s
(Wirtschafts Woche)
Nur einer gewinnt garantiert: der Verbraucher. Weil die Produktion effizienter und die Preise niedriger werden. Oder, weil die Produkte vielfältiger werden.