Enthornung

Für die Sicherheit von Mensch und Tier

Die Enthornung von Rindern steht immer wieder im Mittelpunkt vieler Diskussionen. Derzeit gibt es jedoch keine Alternative dazu, denn der Umgang mit behornten Kühen birgt sowohl für den Herdenmanager als auch für Herdengenossinnen eine erhebliche Gefahr.

Obwohl keine genauen Unfallzahlen vorliegen, können einige schwere oder gar tödliche Unfälle auf Hornstöße zurückgeführt werden. Dürften in Zukunft keine Rinder mehr enthornt werden, würde die Zahl der verletzten Personen durch Hornstöße drastisch ansteigen. Die Unfälle beschränken sich dabei keineswegs auf Stallanlagen mit beengten Verhältnissen. Sie entstehen in Boxenlaufställen, in Vollspaltenbuchten, in Tiefstreubuchten und auch auf der Weide.

Erste Zeichen werden oft missachtet

Milchkuhhalter missachten oft erste Anzeichen eines bevorstehenden Angriffs und begeben sich so in Gefahr. Doch meist bleibt ihnen keine andere Wahl, zum Beispiel nach einer Kalbung. Um eine ausreichende Versorgung des Kalbes zu gewährleisten, muss es direkt nach der Geburt von der Mutter getrennt werden. Verfügt die Kuh über einen gut ausgeprägten Mutterinstinkt, kann sie den Tierhalter sehr schnell angreifen. Die Gefahr eines Angriffs besteht hier natürlich unabhängig davon, ob die Kuh Hörner hat oder nicht. Jedoch sind die zu erwartenden Verletzungen bei behornten Kühen weitaus schwerer als bei hornlosen Kühen. Eine weitere Gefahrenquellle bietet beispielsweise das nachträgliche Einziehen ausgerissener Ohrmarken. Auch hier können durch Hornstöße schwere Verletzungen hervorgerufen werden.

Ebenso sollte die gegenseitige Verletzungsgefahr unter behornten Rindern nicht unterschätzt werden. Kühe sind sehr soziale Tiere und haben durch unterschiedliche Rangordnungen eine genau zugewiesene Stellung innerhalb der Herde. Diese Hierarchie wird unter etwa gleich starken Tieren „Horn gegen Horn“ oder „Kopf gegen Kopf“ ausgetragen, egal wie viel Platz vorhanden ist. Gleich starke Kühe werden sich auch auf einer großen Weide nicht aus dem Weg gehen, bis die Rangordnung hergestellt ist. Gerade in Milchviehbetrieben, wo ein ständiger Kuhverkehr herrscht und immer wieder Gruppenwechsel anstehen, sind Rangordnungskämpfe häufig zu beobachten. 

Auch in großen Ställen kommt es zu Verletzungen

Auch in großzügig bemessenen Stallanlagen ist die Haltung behornter Kühe nicht problemlos, obwohl das oft so dargestellt wird. So ist zum Beispiel in einer Broschüre zum Bau von Laufställen für Kühe mit Hörner zu lesen, dass es ganz ohne Hornstöße unter den Kühen auch in eigens dafür geplanten Stallungen nicht geht. Für den Umgang mit Problemkühen wird empfohlen, die Hornspitzen mit einer Astschere einzukürzen oder sogenannte Hornkugeln zum Dämpfen der Stöße auf die Hornspitzen zu setzen. Es gibt sogar Empfehlungen, dass bei besonders angriffslustigen Tieren die Hornspitzen bis zur Empfindlichkeit eingekürzt werden sollen. Durch solche Maßnahmen können die Artgenossinnen zwar vor schlimmeren Wunden geschützt werden, doch wird die angriffslustige Kuh immer weiter zustoßen. Solche stumpfen Hornverletzungen sind durch das Fell von außen meist nicht erkennbar, sie kommen erst am Schlachtkörper zum Vorschein.

Personenschutz steht vor Tierschutz

„Störenfriede“, die nicht zu bändigen sind, werden schnell geschlachtet oder verkauft. Doch letzteres kann nun wirklich keine Maßnahme im Sinne des Tierschutzes sein! Der Verkauf einer solchen Kuh hat seine Tücken, denn sie wird dann meist in hornlosen Herden gehalten. Die erste Tätigkeit des neuen Eigentümers wird daher die Enthornung sein, zum Schutz der eigenen Herde.

Dass der Personenschutz vor dem Tierschutz stehen muss, steht aus Sicht der Prävention außer Frage. Diese Forderung der LBG bedeutet aber nicht, dass der Tierschutz gleichgültig ist. So können zum Beispiel zur Schmerzminimierung bei der Kälberenthornung Beruhigungs- oder Schmerzmittel eingesetzt werden. Ein Beruhigungsmittel hat zudem den Vorteil, dass die Trittgefahr und somit die Verletzungsgefahr vom Kalb während der Enthorung für den Tierhalter weitestgehend entfällt. Begrüßenswert ist ebenfalls die gezielte Zucht genetisch hornloser Bullen. Zuchtexperten prognostizieren jedoch mindestens 20 Jahre intensive Zuchtarbeit, bis genetisch hornlose Bullen in ausreichender Zahl angeboten werden können.

Quelle: Tierhaltung LW