Wie lange soll mit der ersten Besamung gewartet werden? 60, 80 oder gar 120 Tage? Die Länge der optimalen Wartezeit ist betriebsindividuell und hängt von mehreren Faktoren ab.
In der Praxis herrscht die Meinung vor, dass insbesondere sehr leistungsstarke Kühe nicht so schnell wieder belegt werden sollten. Eine Faustregel lautet: Milchmenge mit dem Faktor 2 multipliziert ergibt die optimale freiwillige Wartezeit (FWZ). Demnach dürfte bei einer Milchleistung von 40 kg Milch die erste...
Wie lange soll mit der ersten Besamung gewartet werden? 60, 80 oder gar 120 Tage? Die Länge der optimalen Wartezeit ist betriebsindividuell und hängt von mehreren Faktoren ab.
In der Praxis herrscht die Meinung vor, dass insbesondere sehr leistungsstarke Kühe nicht so schnell wieder belegt werden sollten. Eine Faustregel lautet: Milchmenge mit dem Faktor 2 multipliziert ergibt die optimale freiwillige Wartezeit (FWZ). Demnach dürfte bei einer Milchleistung von 40 kg Milch die erste Besamung frühestens am 80. Laktationstag erfolgen.
Auch wenn diese Theorie wissenschaftlich nicht belegbar ist, so steckt doch ein Funken Wahrheit darin: Denn je mehr Milch eine Kuh gibt, desto größer fällt in der Regel auch das Risiko einer negativen Energiebilanz (NEB) aus. Eine ausgeprägte NEB zwingt das Immunsystem in die Knie und ebnet dadurch letztlich vielen Krankheiten den Weg. Diese wirken sich, unabhängig von der Milchleistung, negativ auf die Fruchtbarkeit aus (siehe Kasten). Eine Verlängerung der FWZ führt in der Regel dazu, dass die erste Belegung der Kühe erst erfolgt, wenn die Tiere wieder einen ausgeglichenen Stoffwechsel aufweisen.
Fakt ist aber auch, dass immer wieder auch sehr leistungsstarke Kühe schon bei einer zeitigen Belegung (80 Tage) wieder trächtig werden. Auch werden in Hochleistungsherden durchaus kurze Zwischenkalbezeiten erreicht! Daraus lässt sich schlussfolgern, dass weniger die absolute Milchleistung das Problem ist als vielmehr das Fütterungs-/Herdenmanagement. „Eine hohe Milch- und eine gute Reproduktionsleistung schließen sich nicht gegenseitig aus“, weiß der israelische Fruchtbarkeitsspezialist Doron Bar.“ Im Gegenteil, beides basiert grundlegend auf den gleichen Mechanismen”.
Dreh- und Angelpunkt einer guten Fruchtbarkeit ist die optimale Gestaltung der Transitphase. Eine hohe TM-Aufnahme, maximaler Kuhkomfort oder die Vermeidung von Hitzestress sind Faktoren, die es zu beachten gilt. Übersteht die Kuh diese kritische Phase störungsfrei, kann sie selbst bei sehr hoher Milchleistung schnell wieder tragend werden.
Allein die Rückbildung der Gebärmutter nach reibungsloser Kalbung dauert mindestens 30 Tage, erläutert Dr. Hugo Hauschulte von der Rinder-Union West.
Besamungserfolg garantieren
Werden leistungsstarke Kühe schnell wieder trächtig, bedeutet dies aber auch, dass die Tiere oftmals mit sehr hohen Leistungen – nicht selten von mehr als 30 kg Milch – trockengestellt werden müssen. Hier fragen sich viele Milcherzeuger (zu Recht), ob dies wirtschaftlich sinnvoll sein kann?
Um einen möglichst hohen Deckungsbeitrag zu erzielen, ist es sinnvoll einen Zeitpunkt festzulegen, an dem alle Kühe spätestens wieder tragend sein müssen. Dieser Zeitpunkt hängt maßgeblich von der Herdenleistung und der Art des Repro-Managements (z.B. ohne/mit Synch) ab.
In sehr leistungsstarken Kuhherden (10.000 kg) sollte aus ökonomischer Sicht eine Zwischenkalbezeit (ZKZ) von 400 bis 430 Tagen angestrebt werden (Übersicht 1). Um dies zu erreichen, müssen die Kühe spätestens am 150. Laktationstag trächtig sein (Trächtigkeitsdauer von 280 Tagen). Unterstellt man, dass jede Kuh im Durchschnitt zwei Mal besamt werden muss, sollte nach 70 bis 80 Tagen mit dem Besamen begonnen werden. Spätestens nach 100 Tagen sollte jedes Tier mindestens ein Mal belegt worden sein.
Nicht aus den Augen verlieren
Je mehr Zeit den Kühen zugestanden wird, desto besser muss das Repro-Management ausfallen. Unabdingbar ist bei einer FWZ von mehr als 100 Tagen eine hohe Trächtigkeitsrate (jeder Schuss ein Treffer).
Wer mit einer längeren FWZ liebäugelt, sollte deshalb sicherstellen, dass ihm möglichst wenig Brunsten „durch die Lappen gehen“. Hilfreich sein können hier automatische Brunsterkennungssysteme (z.B. Aktivitätsmessung) oder Hormonprogramme. Gleichzeitig können Hormone bei verlängerter FWZ aber auch eingespart werden (Übersicht 3). Müssen Kühe des Öfteren nachbesamt werden, sollte mindestens einen Zyklus eher mit der Besamung begonnen werden.
Die Entscheidung, ob den Kühen mehr Zeit eingeräumt wird, hängt aber noch von weiteren Faktoren ab: Durch eine verlängerte Zwischenkalbezeit lässt sich die Anzahl der risiko- und arbeitsreichen Transitphasen reduzieren (weniger Abkalbungen pro Kuh). Möglicherweise können dadurch auch Behandlungen und Tierarztkosten eingespart werden. Beispielhaft werden in einer Modellkalkulation zwei Kühe verglichen, die im gleichen Zeitraum unterschiedlich viele Kälber bekommen haben (Übersicht 2).
Für eine Ausdehnung der FWZ spricht auch, dass insgesamt weniger Kälber geboren werden. Insbesondere bei guter Tiergesundheit kommt es zwangsläufig zu einem Überschuss an Kälbern. Diese wollen getränkt und untergebracht werden. Sie binden in der Regel viele Arbeitskapazitäten, Holsteinkälber erzielen aber oft nur sehr geringe Erlöse. Mit dem Einsatz von Fleischrassen lässt sich zumindest der Wert der Bullenkälber steigern.
Die ökonomische Situation ist bei Fleckvieh (FV) anders. Aufgrund der oftmals etwas geringeren Milchleistung und der wertvolleren Kälber (sowohl weiblich als auch männlich), kann eine kurze FWZ bzw. ZKZ durchaus ökonomisch sinnvoll sein. Zudem fällt bei Fleckvieh im Vergleich zu Holsteins die Milchleistung nach Eintritt einer Trächtigkeit schneller ab. Deshalb ist in Fleckviehherden ein Kalb pro Kuh und Jahr tendenziell eher anzustreben.
Achtung Futtereffizienz
Grundsätzlich gegen eine Ausweitung der FWZ spricht die abnehmende Futtereffizienz altmelkender Kühe. Die Futtereffizienz ist naturgemäß bei einer hohen durchschnittlichen Milchleistung (frischmelkende Herde) am höchsten. Im Fall einer längeren FWZ sollte deshalb die Herde in Fütterungsgruppen aufgeteilt oder eine Transponderfütterung (z.B. im Melkroboter) installiert sein. So lässt sich einem Anstieg der Futterkosten und dem Verfetten der Kühe gegen Laktationsende vorbeugen. Eine deutliche Zunahme der Körperkondition zum Ende der Laktation muss unbedingt vermieden werden, denn sonst droht in der nachfolgenden Laktation eine Stoffwechselentgleisung mit den bekannten negativen Folgen für die Tiergesundheit. Deshalb der Tipp: Je geringer die Milchleistung, desto kürzer die FWZ.
Färsen: Zeit zu wachsen
Viele Milcherzeuger streben ein niedriges Erstkalbealter an, zum einen um die Aufzuchtkosten möglichst gering zu halten, zum anderen führt moderne Genetik und intensive Aufzucht zu einer Frühreife. Aber dennoch sind die meisten Jungkühe zum Zeitpunkt ihrer ersten Abkalbung noch nicht ausgewachsen. Daher kommt ihnen eine verlängerte FWZ mit weniger Stress entgegen. Erstlaktierenden sollte also mehr Zeit gegeben werden, insbesondere bei hoher Milchleistung. Außerdem besteht bei jungen Kühen selbst im Falle einer Überkonditionierung nur ein geringeres Risiko für Stoffwechselerkrankungen in der Folgelaktation.
Fazit
Einige Argumente sprechen bei hochleistenden Kühen für eine Verlängerung der freiwilligen Wartezeit. Je länger jedoch die Besamung herausgeschoben wird, desto wichtiger wird das Fruchtbarkeitsmanagement. Wer die Kuh aus den Augen verliert, wird keinen Erfolg mit dieser Strategie erzielen. Jeder Herdenmanager sollte sich ein auf Daten basierendes, herdenindividuelles Ziel setzen. Einen Tag, an dem die Kühe erneut tragend sein sollen.
Künftig sollte züchterisch auf die Kühe gesetzt werden, die trotz hoher Milchleistung Körperfett nur bedarfsgerecht mobilisieren und eine hohe Persistenz aufweisen. -khk-, -ve-