Elite Dairy Tour 2024
Wachstumskurs auf der kargen Alb
Die Schwäbische Alb ist ein karger, kalter Standort. Martin Huber investiert hier dennoch hochmotiviert in die Milchproduktion – mit beeindruckenden Leistungen!
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Feiner Nieselregen weht bei einer „sommerlich-frischen“ Temperatur von 8 °C vor den großen Stalltoren her. Die 480 Holsteinkühe vom Betrieb Huber in Meßstetten, der höchstgelegensten Stadt in Baden-Württemberg (900 m über NHN), stört das nicht. Sie fressen unbeirrt von ihrer kompakten Ration, liegen in ihren flexiblen Tiefboxen oder machen einen Gang zu einem der acht Melkroboter. „Heute braucht man hier den Winterkittel“, kommentiert Betriebsleiter Martin Huber das Wetter Anfang Juli dagegen mit Galgenhumor. Ehrlich gesagt nervt ihn die anhaltend nass-kalte Witterung, die Bedingungen zur Grundfuttererzeugung sind auf ihrem Standort ohnehin nicht einfach.
Während zu diesem Zeitpunkt viele Aufwüchse in den Niederungslagen auf den dritten Schnitt hin steuern, wächst hier oben erst der zweite Schnitt saftig grün auf den klein-strukturierten Flächen heran. Den ersten Schnitt konnten sie dieses Jahr am 25. Mai ernten. Aufgrund der Höhenlage und dem späteren Vegetationsbeginn sind insgesamt nur drei Grasschnitte möglich. Ihren Mais haben sie in dieser Saison am 6. Juni gelegt. Anfang Juli steht er nun im 4 bis 5-Blatt-Stadium da, in Höhenlagen von 400 m bis 1.000 m über Normalhöhennull (NHN).
Neben den von Hubers bewirtschafteten Flächen warten blass-gelbe Aufwüchse auf Heuwetter. Viele der flachgründigen Parzellen auf der Schwäbischen Alb (Kalkstein), einem einstigen Realteilungsgebiet, sind als FFH (Flora-Fauna-Habitat)-Gebiet eingestuft. Sie unterliegen Einschränkungen in der Düngung und Bewirtschaftung, um standorttypische Pflanzen, wie die giftige Herbstzeitlose, zu erhalten. „Die Zahl der FFH-Einstufungen steigt“, berichtet Martin Huber, „das schafft weitere Herausforderungen für unsere Grundfutterproduktion“. Das ist einer der Gründe, warum er im vergangenen Winter die Gelegenheit genutzt hat, einen zweiten Betrieb auf circa 500 m über NHN mit 200 ha Fläche und weiteren 220 Kuhplätzen zu übernehmen.
Betriebsspiegel
- 480 Holsteinkühe am Hauptstandort (8 Lely A5), 200 Holsteinkühe am zweiten Betriebsstandort (2 x Melken, 12 x 12 Side by Side)
- 14.020 kg mit 3,7 % Fett und 3,35 % Eiweiß
- Erstkalbealter: 26 Monate, gezielt wieder erhöht, dadurch eine deutliche höhere Einstiegsleistung bei den Färsen von bis zu 50 kg
- 37.400 kg Lebensleistung
- 610 Hektar bewirtschaftete Fläche, davon 500 Hektar Dauergrünland und 90 Hektar Silomais auf 400 bis 900 Höhenmeter plus Zukauf von ca. 60 Hektar Silomais
- 12 festangestellte Mitarbeiter, plus Familien-Arbeitskräfte und Aushilfen
Zukunftsgewand: Verdreifacht in drei Jahren
Die Milchproduktion hat Zukunft. Davon ist Martin Huber überzeugt. Er hat in den vergangenen drei Jahren dementsprechend in Wachstum investiert und die Kuhzahl fast verdreifacht:
Im Jahr 2021 molken sie 240 Milchkühe, im September diesen Jahres (2024) werden es 700 auf zwei Standorten sein. In den Jahren 2021/22 erweiterten sie den Kuhstall, bauten um und nahmen acht Melkroboter (Lely A5) in Betrieb, dabei ersetzten sie die vorherigen drei Lely A4. Die Milchleistung der Herde ist dabei mit gewachsen: Von 12.900 kg im Herdenschnitt im Jahr 2021 auf 13.650 kg in 2022 zu aktuell 14.020 kg Milch pro Kuh.
Die Chancen für die Milchproduktion sind so gut, wie in den letzten 40 Jahren nicht!“
„Es gibt keine Milchquote mehr, keine Überproduktion, die Nachfrage ist gut und uns stehen tolle Möglichkeiten zur Automatisierung zur Verfügung“, argumentiert Martin Huber. Auf Wachstum zu setzen, ist langfristig auch im Hinblick auf die Milchmenge, die im Süden durch den weiteren Strukturwandel wegbrechen wird, eine überlegte Entscheidung.
Milcherzeuger brauchen ein dickes Fell.“
Chancen stehen jedoch leider immer auch Erschwernisse gegenüber. Hier zählt Martin Huber Folgendes auf, was ihm so manches Kopfzerbrechen verursacht: „die hohen politischen Auflagen samt Dokumentationsaufwand und die Verfügbarkeit von Mitarbeitern für die Stallarbeit“. Um als Milcherzeuger erfolgreich zu bestehen, brauche man auch ein „dickes Fell“, ist er überzeugt. Eine Charaktereigenschaft, die die „raue Alb“ wohl fördert … Er selbst begegnet den genannten Erschwernissen unter anderem damit, dass er für ihre mittlerweile digitalisierte Buchführung einen Buchhalter beschäftigt und auch Mitarbeiter aus dem Ausland langfristig einstellt.
Auf die Frage, was ihn zu den großen Wachstumsschritten antreibt, scherzt er „ich bin wohl verrückt.“ Abgesehen von dieser Einschätzung ist er vor allem ein Unternehmer, der den Markt im Blick hat und gleichzeitig einen sehr guten Kuhverstand. Das bekommen auch die Kühe am neuen Betriebsstandort zu spüren: Innerhalb eines halben Jahres haben der Umbau des Stalls, ein ruhigerer Umgang mit den Kühen, Klauenpflege und die Umstellung der Fütterung das Leistungsniveau der zugekauften Herde von 24 kg auf 34 kg Milch angehoben – Tendenz steigend.
Wie geht es weiter? „Erstmal alles stabilisieren und weiter optimieren!“, antwortet Martin Huber, die letzten Jahre waren rasant. Und dann wird einer seiner Söhne, Simon Huber, diesen Sommer mit in den Betrieb einsteigen. Sein Vater, Gerold Huber, und seine Mutter, Gerda Huber, arbeiten nach wie vor im Stall mit. Nachdem Wachstum der Kuhplätze stehen als nächste Bauschritte ein Umbau der Fahrsiloanlagen und eine weitere Verlängerung des Stallgebäudes an. Ziel ist es, die Trockensteher und die Jungrinder besser organisiert unterzubringen. Aktuell leben diese auf Tiefstreu in der Mittelachse zwischen altem und neuem Kuhstall und die tragenden Rinder auf der Weide bzw. auf Tiefstreu mit Auslauf in der alten Maschinenhalle.
Erfolgsfaktor Nr. 1: Bestes Futter
Einer der größten Erfolgsfaktoren ist die ausgefeilte Fütterung der Herde. Da steht an erster Stelle die Produktion von besten Grundfutterqualitäten. An ihrem Standort ist das eine Herausforderung. Im Grünland begegnen sie den kargen, kalten, flachgründigen Bedingungen der Alb mit konsequenter Nachsaat (unter anderem mit Deutschem Weidelgras, Lieschgras und Knaulgras) und Pflege sowie einer ausgewogenen Düngung (auch Kalkung) der Bestände. „Wir konnten über die Jahre gute Humusschichten aufbauen. Das und die Nachsaaten helfen, die Bestände auch in trockenen Jahren ertragsfähig zu halten“, berichtet Gerold Huber.
Die Ration ist graslastig, nächstes Jahr werden es 80 % Grassilageanteil sein.“
Bei der Grasernte achten sie auf frische, aber nicht zu frühe Aufwüchse. „Der Rohfasergehalt darf nicht zu gering sein, damit er zu den Kraftfutteranteilen in der Ration passt. In der Ration der Laktierenden ist schon lange kein Stroh mehr“, berichtet Martin Huber. Der Grassilageanteil beträgt hier aktuell zwischen 60 bis 70 % zu einem Anteil von 40 bis 30 % Maissilage.
Wir fahren Erntegut und Zukaufsfuttermittel mit unseren eigenen LKWs.“
„Ab dem nächsten Jahr wird der Grasanteil dauerhaft höher ausfallen“, erklärt Martin Huber, „denn unsere alte 490 kW-Biogasanlage wird auf Biomethanproduktion umgestellt, da die EEG Einspeisevergütung ausläuft. Dann wird die Anlage nur noch mit Gülle und Festmist gefahren. Wir können das Gras besser über die Kühe und Rinder verwerten als in Biogas.“ Für ihn auch ein Schritt zu mehr Nachhaltigkeit. Sie werden weniger Grundfutter zukaufen müssen, insbesondere weniger Silomais, den sie bislang teilweise über weite Entfernungen und Überwindung von vielen Höhenmetern fahren. Die Logistik für die Grundfutterernte hat Martin Huber entsprechend eigenmechanisiert: Mehrere LKWs mit Containersystem gehören zum Maschinenpark, auch Kraftfutter und Biertreber transportieren sie damit selbst. Nur die Milch wird noch von der Molkerei abgeholt.
Ich fahre selbst ein Walzfahrzeug und delegiere die Häckselkette.“
Den Schnitt auf den über 500 Hektar Dauergrünland und Ackerfutter zu organisieren, ist absolute Chef-Sache. Die Feldliegezeit ist unter 24 Stunden, nie darüber. Der Trockensubstanz-Gehalt wird über den betriebseigenen Feldhäcksler gemessen. Liegt der TS-Gehalt unter 30 %, erfolgt ein Flächenwechsel oder der Häcksler macht zwei Stunden Pause – „bis es passt“. Martin Huber selbst fährt eines der Walzfahrzeug, hat dabei das Material im Auge und delegiert dementsprechend die Häckselkette. Siliermittel werden zu jedem Schnitt zugesetzt.
Eine Besonderheit ist, dass das Fahrsilo für die Silagen der Kühe komplett überdacht ist. Das Dach schützt den Futterstock und die Anschnittfläche vor Fremdwassereintrag und Sonneneinstrahlung. „Eine absolut lohnenswerte Investition“, findet der Betriebsleiter. Die Schneebedeckung, die früher auf der Alb durchaus ein halbes Jahr betragen konnte, ist aufgrund der Klimaerwärmung kein besonderes Thema mehr bei der Bewirtschaftung der Silos.
Gegen Selektierbarkeit der Rationen setzen sie auf kurze Häcksellängen bei den Silagen (gerne 14 mm theoretische Häcksellänge mit vollem Messersatz) und einer Wasserzugabe von 5 bis 6 Liter Wasser pro Kuh. Frisch vorgelegt wird die Ration zweimal täglich.
Ansonsten enthält die Grundration der melkenden Kühe am Trog 7,5 kg Kraftfutter (Getreide, Körnermais, Raps, Soja, Zuckerschnitzel), Biertreber und Mineralfutter (für die Sommerration mit Hefe und Kaliumsorbat). Um die Futterwechsel auf ein Minimum zu reduzieren, arbeiten Hubers mit sehr langen Silos und Sandwichsilage (Gras/Gras und Gras/Mais). An den Melkrobotern bekommen die Jungkühe zusätzlich 3 kg Kraftfutter, Altkühe 4 kg pro Tag.
Der hohe Grasanteil in der Ration erfordert sehr viel Aufmerksamkeit in der Fütterung. Läuft trotz aller vorbeugender Maßnahmen etwas bei einem Grasschnitt nicht ganz optimal, merke man das sofort bei der Tiergesundheit. Der Kot wird dünner, die Kühe anfälliger für Infektionen. „Man muss ständig dranbleiben“, sagt Martin Huber. Die automatische Tierüberwachung (Lely CowLocator Fressminuten, Gesundheitsüberwachung, mit Brunsterkennung und Identifizierung) nutzen sie auch zur Kontrolle der Fütterung.
Die optimierte Trockensteherration hat 1.000 kg mehr Leistung gebracht.“
„Zuletzt hat die Optimierung der Trockensteherfütterung die Tiergesundheit und die Leistung um gut 1.000 kg verbessert“, berichtet Martin Huber. Hier hat er zusammen mit einem neuen Fütterungsberater die einphasige Ration um gekapselte saure Salze ergänzt.
Das hat uns beeindruckt
Der große Unternehmergeist: Martin Huber ist mutig, informiert sich, entscheidet und setzt um und rechnet nach. Das betrifft die kleinen Entscheidungen (z. B. Automatisierung Klauenbad), wie auch die großen (Betriebsübernahme, Klauenpflege in Eigenleistung mit bester Technik, Molkereiwechsel). Er sieht den nötigen Zusammenhang zwischen Qualität und möglicher Wirtschaftlichkeit. Dass er dabei manchmal menschlich aneckt, nimmt er in Kauf. Gleichzeitig weiß er genau, dass sie in ihrer Betriebsgröße sehr von der Qualität der Arbeit ihrer Mitarbeiter abhängig sind. Selbst vermeintlich simple Dinge wie das Einstreuen und die Boxenpflege haben einen enormen Einfluss auf die Tiergesundheit und damit die Leistung. „Wenn hier geschludert wird, merkt man das sofort in der Eutergesundheit und das kostet immer Leistung“, berichtet Martin Huber. Gute Mitarbeiter sind schwer zu finden und schwer zu halten, weiß der Betriebsleiter. Neben der Automatisierung (Entlastung, attraktiver Arbeitsplatz) bemüht er sich sehr, wenn es darum geht, motivierte Menschen auszubilden und ihnen einen guten Arbeitsplatz zu geben.
Der große Kuhverstand: Ohne den richtigen Blick und das Verständnis für die Bedürfnisse der Kuh kann kein Betrieb erfolgreich Milch produzieren. Die Hubers haben alle Kuhverstand. Vom Stallklima, dem Komfort, der Ernährung, der Pflege und dem ruhigen Umgang mit den Tieren – es ist alles bestmöglich für die Kuh ausgelegt. Ohne das, wäre eine derartige Herdenleistung und Gesundheit der Kühe nicht möglich. So hat sich Martin Huber etwa bei der Planung der Platzierung der Melkroboter gegen die Empfehlung des Herstellers entschieden. Statt sie im Stall zu verteilen, sind nun in den beiden Gruppen (Jungkühe und Altkühe) zwei Melkzentren entstanden, in denen jeweils vier Melkboxen zusammen stehen. „Die Kühe haben so einen zentralen Anlaufpunkt zum Melken, in den anderen Stallbereichen ist entsprechende Ruhe“, berichtet er.
Die große Leistung: Die Herde von Martin Huber gehört mit einem Stalldurchschnitt von 14.020 kg zu den höchstleistenden in Deutschland. Dafür wird im Betrieb sehr viel gearbeitet und verdient Respekt.
Erfolgsfaktoren im Stall
Kontinuität in der Fütterung
Eine gute Ration jeden Tag gleichmäßig auszulegen, dass ist für Martin Huber ein ganz großer Schlüsselfaktor in Sachen Leistung und Tiergesundheit. Das Mischen der nicht-selektierbaren Ration mit dem Selbstfahrer (Scariboldi) erfolgt nach und mit digitalem Protokoll. Gefüttert wird zweimal täglich.
Konsequente Klauenpflege
Die Klauenpflege ist schon seit Jahren in Eigenleistung organisiert und neben der Fütterung der zweite „Lieblingsbereich“ von Martin Huber. Beste Technik (ein Profi-Klauenstand von KVK, ein Messerschleifer von Wopa) helfen bei der Umsetzung. Einmal pro Woche arbeiten Martin Huber und sein Geselle circa 15 bis 20 Kühe ab. Das Klauenbad ist seit zwei Jahren automatisiert (AutoHoofClean, MS Shippers). Damit ist Martin Huber bestens zufrieden: „Die Kühe nehmen die Matten an den Melkboxen problemlos an, die Mortellaro-Situation ist sehr ruhig“, berichtet er. „Die Investition lohnt sich. Die Matten halten ein halbes Jahr.“
Gezielte Automatisierung
Viele sensible Bereiche sind im Betrieb Huber automatisiert und damit erleichtert zu managen: Neben dem Melken, der Tierüberwachung und der Kälbertränke auch die Laufgangreinigung mit Saugrobotern und das Klauenpflegebad. Doch auch das will alles kontrolliert werden – die Tage sind lang! Das automatische Melken trägt wesentlich zur hohen Herdenleistung bei – die Kühe melken im Schnitt 3,2 Melkungen pro Tag.
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