EuroTier 2022

Moderne Zuchtstrategien & Rassenvielfalt 

Mehr wirtschaftlicher Gewinn dank Genetik – ein großes Thema der Zuchtunternehmen in Hannover. Ein Blick auf den fachlichen Input und die ausgestellten Kühe. 

Die Zuchtbranche war auf der diesjährigen EuroTier sowohl national als auch international stark vertreten. Neben aktuellen Genetik-Angeboten, ausgestellten Kühen und regem Züchter-Austausch gab es mehrere Fachvorträge und Präsentationen, die vor allem die wirtschaftliche Bedeutung von Zucht thematisiert haben. 

NEU: milchkuh – das neue, rasseübergreifende Zuchtmagazin. (Bildquelle: Schildmann)

PhönixGroup: Zuchtwerte richtig interpretieren

RZG, RZ€, RZGesund… es gibt heute zahlreiche (Gesamt-)Zuchtwerte, sowohl für Besamungsbullen als auch die weiblichen Tiere einer Herde. Diese Fülle an Informationen ist gleichzeitig Fluch und Segen. Auf der einen Seite bieten sich vor allem die genomischen Zuchtwerte der weiblichen Tieren heute als Management-Tool an, um die möglichst beste Nachzucht zu produzieren. Auf der anderen Seite verliert man durch die vielen Zahlen und die Schnelllebigkeit schnell den Überblick, welche Zuchtwerte wirklich wichtig sind.
Zuchtberater Christoph Niehues-Pröbsting und Milcherzeuger Dominik Weber haben in Hannover – stellvertretend für die PhönixGroup – deshalb anschaulich erklärt, wie sich die genomischen Zuchtwerte am weiblichen Tiere wiederspiegeln und dass nicht alle Zuchtwerte gleich wichtig sind. 
  • Die beeindruckende Dreamboy-Tochter Agathe (EX 92) vom Zuchtbetrieb Margret Beerbaum in Saerbeck hat bewiesen, dass sie ihr genomisches Exterieurprofil nahezu identisch wiederspiegelt. 
  • Der neue Zuchtwert RZ€ setzt sich aus allen wirtschaftlichen relevanten Zuchtmerkmalen zusammen und gibt an, welchen zusätzlichen Gewinn eine Kuh gegenüber ihrer Stallgefährtinnen liefern kann. Mehr dazu: RZ€ – Der Weg zur rentablen Kuh
  • Die maximale Nutzungsdauer einer Kuh ist das entscheidende Ziel jedes Milcherzeugers. Der Zuchtwert RZN hat deshalb heute einen großen Stellenwert. Im Populationsdurchschnitt (RZN 100) beträgt die Nutzungsdauer aktuell 1.099 Tage. Bei einem RZN von 112 verbleibt die Kuh im Durchschnitt 260 Tage länger im Betrieb (1.359). Bei RZN 124 sind es sogar 520 Tage mehr (1.619). 
  • Die Daten eines Beispielbetriebes zeigen, dass man das durchschnittliche, genetische Niveau der eigenen Herde durch die passende Selektion und Anpaarung innerhalb eines Jahres um bis zu 7 RZG-Punkte steigern kann. 

Masterrind: Beef on Dairy und gesextes Sperma als Game-Changer 

Um die Steigerung des wirtschaftlichen Gewinns allein durch die Genetik ging es auch in einem Fachvortrag und einer anschließenden Diskussion der Masterrind GmbH und der neu gegründeten Kooperation „Synetics“ (Synetics: Neue Kooperation zwischen Masterrind, Evolution und Innoval):
Aufgrund hoher Aufzuchtkosten und knapper Kapazitäten wird es immer wichtiger, die bestmögliche Nachzucht für die eigene Herde zu produzieren und gleichzeitig möglichst hohe Erlöse für die männlichen Kälber zu erzielen. Um das zu erreichen, ist Einsatz von Fleischrassebullen und gesextem Sperma für viele Betriebe heute nicht mehr wegzudenken. Die globale Bedeutung und Nachfrage nach Kreuzungskälber und das Angebot an Fleischbullen, die auf Milchkühen eingesetzt werden können, ist groß – das schildert Albert Reurink, Leiter der Unternehmensentwicklung von Synetics. „Wir erwarten zukünftig einen Spermaeinsatz von 40% gesextes Sperma und 60% Beef on Dairy. Um das zu ermöglichen, arbeiten wir intensiv daran, geeignete Beef on Dairy-Bullen mit den speziellen Anforderungen bereitzustellen.“
Um neben den Kälbererlösen aber auch dem Zuchtfortschritt und der Remontierung in der eigenen Herde gerecht zu werden, ist ein gezielter Einsatz von Fleischbullen und gesextem Sperma von großer Bedeutung. Es gilt, Besamungen strategisch zu planen und nichts dem Zufall zu überlassen. Bei welchen Tieren der Einsatz von gesextem Sperma sinnvoll ist, welche Besamungserfolge zu erwarten sind und welchen Beitrag die Herdentypisierung liefert, haben Dr. Saskia Meier und Markus Blankertz von der Masterrind erklärt. Milcherzeuger Thomas Wirth (Agro-Produkt GmbH Sachsen, 1.600 Kühe) hat zudem erläutert, wie sich eine gezielte Besamungsstrategie in der Praxis umsetzen lässt. In seiner Herde wird zu 15-20 % gesextes Sperma und zu 80 % Beef on Dairy eingesetzt. Zudem werden alle Tiere typisiert. Mehr dazu: Remontierung mit System

Bildergalerie: Nachzuchten und bewährte EX-Kühe 

Neben verschiedenen Milchrassen wurden in diesem Jahr auch Kühe verschiedener Altersklassen sowohl auf dem Stand als auch auf der Bühne vorgestellt. Bilder und Informationen zu den ausgestellten Kühen finden Sie in der nachfolgenden Bildergalerie. 

Rinderzucht Austria: Österreichische Rassenvielfalt 

Rinderzucht Austria präsentierte die österreichischen Rassenvielfalt mit insgesamt fünf ausgestellten Milch- bzw. Doppelnutzungsrassen:
  • Die Rasse Fleckvieh wurde mit zwei Töchtern des aktuellen Spitzenvererbers GS Der Beste, einer jungen GS Defacto-Tochter und der aktuellen Gruppensiegerin Melissa (v. GS Herztakt) der Bundesfleckviehschau in Freistadt repräsentiert. „Fleckvieh ermöglicht eine effiziente Produktion von Milch und Fleisch mit gesunden und fruchtbaren Kühen und bestens mastfähigen männlichen Tieren. Fleckvieh ist die Rasse der Zukunft in Ökonomie und Ökologie“ sagt Geschäftsführer Reinhard Pfleger.
  • Zwei Erstlaktierende Töchter der Bullen AG Alpsee und AG Anis repräsentierten die Rasse Brown Swiss. „Brown Swiss Kühe sind den Milchproduzentinnen vor allem durch ihren hohen Gehalt an Kappa-Kasein BB bekannt, einem Protein, das für eine höhere Käseausbeute bekannt ist“, erklärt Expertin Anna Koiner. Beide Jungkühe wurden im Rahmen der Messe verkauft und stehen nun auf einem 80-Kuh-Betrieb in unmittelbarer Nähe von Hannover.
  • Die Rassen Holstein, Pinzgauer und Tiroler Grauvieh waren jeweils mit einer Kuh vertreten. Die ausgestellte Holstein-Jungkuh Baronin (v. Tattoo) ist der aktuelle Reserve Junior Euterchampion vom Dairy Grand Prix 2022 in Dornbirn. 
Insgesamt setzt sich das Zuchtgebiet von Rinderzucht Austria aus vielen kleinstrukturierten Betrieben zusammen, rund 20.000 Zuchtbetriebe mit 440.000 Herdebuchkühen. Täglich werden rund 70 Rinder, hauptsächlich Zuchtkalbinnen, aus Österreich exportiert. 

Neue Partnerschaft zwischen Hybrid Genetics und Geno

Neben dem ersten gemeinsamen Auftritt der PhönixGroup und SYNETICS zeigte sich auch Hybrid Genetics mit einem neuen Partner an der Seite: Geno SA. Die Partnerschaft soll die Vermarktung der Norwegian Red Genetik in Deutschland stärken und sowohl für die Rein- als auch für die Kreuzungszucht genutzt werden.
Geno SA hebt sich durch das breite Angebot an hornlosen Bullen von den anderen Marktteilnehmern ab. Die Rasse Norwegian Red zeichnet sich vor allem durch eine besonders gute Gesundheit und Fruchtbarkeit ab. In Norwegen liegt der Erstbesamungserfolg bei dieser Rasse laut Diego Galli, Regional Sales Manager von Geno, bei über 70 %. Außerdem vererbt sich die Rasse im Durchschnitt 8 cm kleiner als Rotvieh. Bei zu großen Rotvieh- bzw. Kreuzungskühen können die Norwegian Reds dem Merkmal Größe entsprechend gegensteuern. 

Diese reinrassige Norwegian Red- Kuh ist in der dritten Laktation.  (Bildquelle: Korsten)

Mehr zur EuroTier 2022: 

Auf der EuroTier haben wir nicht den großen Wurf, sondern viele kleine Ideen fürs Herdenmanagement gefunden. Vor allem Kälber und Arbeitsersparnis waren Thema.

Kann die moderne Milchproduktion nachhaltiger und umweltfreundlicher werden? Auf der EuroTier in Hannover haben wir einige Ideen dafür entdeckt!

NEU: Fachmagazin für Züchter

milchkuh – Züchten aus Leidenschaft

von Gregor Veauthier

milchkuh ist unsere neue Fachzeitschrift mit dem Fokus Rinderzucht, die speziell für deutschsprachige Züchter konzipiert wurde und rasseübergreifend berichtet.


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