Morgens, halb sieben in einem Melkstand in Nordfriesland. Die meisten Kühe sind schon gemolken, gerade betreten die Frischabkalber und die Krankengruppe den Melkstand. Eine junge Frau mit einem Basecap kommt in den Melkstand, ruft kurz „Moin“ in die Runde und hilft den beiden Melkern, die Melkgeschirre anzusetzen. „Ich fange meist morgens an, wenn die Frischkalber und kranken Kühe gemolken werden. Ich mag es, diese Kühe jeden Tag zu sehen, da kann man sie besser kontrollieren“, erklärt...
Morgens, halb sieben in einem Melkstand in Nordfriesland. Die meisten Kühe sind schon gemolken, gerade betreten die Frischabkalber und die Krankengruppe den Melkstand. Eine junge Frau mit einem Basecap kommt in den Melkstand, ruft kurz „Moin“ in die Runde und hilft den beiden Melkern, die Melkgeschirre anzusetzen. „Ich fange meist morgens an, wenn die Frischkalber und kranken Kühe gemolken werden. Ich mag es, diese Kühe jeden Tag zu sehen, da kann man sie besser kontrollieren“, erklärt sie mit einem kaum erkennbaren amerikanischen Akzent.
Von Nordamerika nach Nordfriesland
Mary-Katherine, von allen „MK“ genannt, ist die Herdenmanagerin auf Hof Backensholz. Über eine Agentur, die weltweit Praktikumsplätze vermittelt, fand MK 2015 den Praktikumsplatz auf dem Milchkuhbetrieb in Nordfriesland und blieb für sechs Monate. Genau dorthin kehrte sie nach dem Studium in den USA zurück. Auf Hof Backensholz ist sie nun seit fast vier Jahren als Herdenmanagerin für 450 Milchkühe verantwortlich.
„Was mich hier in Deutschland besonders beeindruckt, ist, dass die Betriebe sehr vielfältig sind“, sagt sie nach dem Melken, als sie ihre Hände wäscht und sich das Thermometer in die Hosentasche steckt. Jetzt ist es Zeit für die Frischabkalberkontrolle, mit schnellen Schritten läuft sie los. Aus ihrer Heimat den USA, wo sie Nutztierwissenschaften studierte und anschließend Veterinärmedizin studieren wollte, ist sie andere Betriebsstrukturen gewöhnt.
„Während des Studiums waren wir zum Beispiel für eine Berater-Schulung auf einem Betrieb in Kalifornien mit 10.000 Milchkühen“, erinnert sie sich. Der Betrieb war hochspezialisiert und hatte keine eigene Nachzucht, sondern verkaufte die Kälber und kaufte später wieder abgekalbte Färsen ein. „Hier in Deutschland sind die Betriebe viel diverser und haben oft ein zweites Standbein, z.B. eine Biogasanlage“, sagt die US-Amerikanerin.
Hier in Deutschland sind die Betriebe viel diverser!“
MK Jones
Optimieren statt maximieren
Ihre Leidenschaft für Milchkühe begeistert. Zwar ist sie nicht selbst auf einem Milchkuhbetrieb aufgewachsen, jedoch in einer sehr ländlichen Gegend in Virginia. „Das ist sehr dörflich, viel ländlicher als das, was Dorf hier in Deutschland bedeutet“, sagt sie und lacht. Als Jugendliche half sie bei Tierschauen aus und arbeitete auf einem Pferdebetrieb.
Doch erst durch das Studium lernte sie Milchkühe lieben. „In der Landwirtschaft geht es oft hauptsächlich um Maximierung, bei Kühen immer um die Optimierung, das ist viel schöner!“, erklärt sie. „Und man investiert so viel Zeit und Arbeit in diese Tiere, wenn man jeden Tag mit ihnen arbeitet. Dadurch hat man zu den Kühen eine ganz besondere Beziehung.“
Man hat zu Kühen eine ganz besondere Beziehung, weil man jeden Tag mit ihnen arbeitet“
MK Jones, Herdenmanagerin.
Herdenmanagerin mit Plan
Nach der Frischabkalberkontrolle und den täglichen Besamungen führt ihr Weg sie zurück ins Stallbüro. Denn zu ihrem Job als Herdenmanagerin gehört relativ viel Arbeit am Schreibtisch. „Manchmal schimpfe ich darüber, weil es hier so viele Gesetze und Einschränkungen gibt“, erklärt MK. Im Gegensatz zu Deutschland erscheinen ihr die Regelungen in den USA richtig wild.
So sind etwa gesetzliche Vorschriften zum Transport von tragenden Kühen praktisch nicht vorhanden. „Wenn zum Beispiel in den USA eine Kuh im Schlachthof noch kalbt, darf man sie erst schlachten, nachdem die Nachgeburt abgegangen ist“, erklärt sie. „Das ist ein Riesenunterschied zu den Bedingungen hier in Deutschland.“
Über die Unterschiede im Herdenmanagement spricht die Herdenmanagerin viel mit ihren ehemaligen Kommilitonen aus der Uni, von denen mittlerweile viele ebenfalls als Herdenmanager auf der ganzen Welt arbeiten. „Der Austausch ist superinteressant. Ich lerne dadurch immer wieder Dinge, über die ich vorher noch gar nicht nachgedacht hatte.“
„Man merkt, dass sich viele Menschen viele Gedanken zu Umwelt und Nachhaltigkeit machen, das ist schön.
MK Jones, Herdenmanagerin
Die zusätzlichen Gesetze und Regeln in Deutschland findet sie trotzdem nicht schlecht. „Man merkt schon, dass sich viele Menschen eine Menge Gedanken zu Umwelt und Nachhaltigkeit gemacht haben. Das ist eigentlich eine sehr gute Sache. Deutschland ist in diesen Dingen schon viel weiter als die USA und es macht mich sogar etwas stolz, hier zu arbeiten, wo Umwelt und Nachhaltigkeit so hochgehalten werden.“
Milchkuhbetrieb mit Auszeichnung
Der Backensholzer Hof ist in diesem Jahr übrigens Preisträger des Bundeswettbewerbs Ökologischer Landbau. Mehr zum Betrieb (und auch MK Jones) sehen Sie im Video:
Intensive Nutzung der Herdendaten
Für die Kontrolle der Herde und der Einzelkühe auf Hof Backensholz nutzt MK ein Herdenmanagementprogramm. Zusätzlich kontrolliert sie in einem weiteren System das Fress- und Aktivitätsverhalten der Kühe. „Da muss man schon viel Zeit investieren, um die Daten richtig zu nutzen“, sagt sie und schaut auf den Bildschirm. Sie macht es trotzdem gerne, weil sie weiß, dass sie so für ihre Herde viel erreichen kann. Aktuell überlegt sie, die Zwischenkalbezeit etwas zu verlängern.
„Mit unserem Aktivitätsmesser konnten wir die Fruchtbarkeit der Kühe verbessern. Ich überlege, ob wir nicht die Laktation verlängern können, damit wir weniger Kälber und Transitperioden haben“, erklärt sie ihr nächstes Ziel für das Herdenmanagement. Bei ihren Entscheidungen spricht sie sich mit dem Betriebsleiter ab, trotzdem bleibt viel Freiraum für eigene Ideen.
Mary-Katherine aus Virginia hat vor, noch lange in Deutschland zu bleiben. Erst letztes Jahr wurde ihre Arbeitserlaubnis für vier Jahre verlängert. Trotz der kulturellen Unterschiede fühlt sie sich wohl in Nordfriesland. „Die Leute hier in der Landwirtschaft sind sehr offen und toleranter als die Farmer zu Hause. Ich habe auch das Gefühl, dass Frauen in leitenden Positionen hier besser akzeptiert werden als in den USA.“
Ich habe das Gefühl, dass Frauen in Führungspositionen hier besser akzeptiert werden als in den USA“
MK Jones, Herdenmanagerin
Kühe, Rugby und Erdnussbutter
Heimweh nach Virginia hat sie nur selten. Ihre Arbeitskollegen auf dem Hof haben ihr bestens geholfen, sich in Nordfriesland gut einzuleben und wohlzufühlen, genauso wie die Damen-Rugbymannschaft, mit der sie einmal in der Woche in Kiel trainiert. Dafür schmerzte es sie umso mehr, während des turbulenten Jahresbeginns in ihrer Wahl-Heimat in Nordfriesland zu sein anstatt zu Hause in den USA. „Bei der Präsidentschaftswahl im letzten Jahr konnte ich kaum hinsehen, das hat mich sehr gestresst! Ich hoffe jetzt einfach, dass die vielen Diskussionen in den USA zu Heilung führen und nicht zu noch mehr Spaltung“, beschreibt sie ihre Gefühlslage während der vergangenen Monaten.
Wenn das Heimweh und die Sehnsucht nach Familie und den Freunden in Virginia doch aufkommen, hilft Erdnussbutter aus der Heimat. Und die Aussicht, dass sie ihre Familie bald wieder besuchen darf, wenn die Pandemie vorbei ist.
Im Interview: Dr. Kirsten Kemmerling berät die Politik im Bereich Nutztierstrategie und ist selbst leidenschaftliche Milcherzeugerin.
Vom Leben als angestellte Herdenmanagerin zum heutigen Familienbetrieb hat sich für Susi Kahlo vieles verändert. Geblieben ist die Leidenschaft im Kuhstall.