Vor sechs Jahren übernimmt Ute Koll, eine kleine, zierliche Frau mit damals 42 Jahren, den elterlichen Betrieb in Schleswig-Flensburg. Der Weg dahin war nicht einfach. Das Problem: Ihr Umfeld war der Meinung, dass praktische Landwirtschaft nichts für Mädchen ist. So ging sie erstmal ins Labor der Landwirtschaftskammer. Der Hof war ohne Nachfolger. Doch der Wunsch nach selbstbestimmten Arbeiten auf dem eigenen Hof ließ sie nicht los.
Ich bin praktische Landwirtin mit Leib und Seele.“
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Vor sechs Jahren übernimmt Ute Koll, eine kleine, zierliche Frau mit damals 42 Jahren, den elterlichen Betrieb in Schleswig-Flensburg. Der Weg dahin war nicht einfach. Das Problem: Ihr Umfeld war der Meinung, dass praktische Landwirtschaft nichts für Mädchen ist. So ging sie erstmal ins Labor der Landwirtschaftskammer. Der Hof war ohne Nachfolger. Doch der Wunsch nach selbstbestimmten Arbeiten auf dem eigenen Hof ließ sie nicht los.
Ich bin praktische Landwirtin mit Leib und Seele.“
Ute Koll
So kündigte sie den sicheren Job im öffentlichen Dienst und absolvierte die Landwirtschaftsschule. Ihre Hartnäckigkeit überzeugte auch ihren Vater, mit dem sie im Jahr 2010 eine GbR gründet. Zu der Zeit ist sie allein erziehend mit zwei kleinen Kindern (12 und 14 Jahre). Zum Glück waren aber ihre drei Schwestern in der Nähe, die sie unterstützten, wenn es nötig war.
Kuhliebe & Hartnäckigkeit
Endlich war sie verantwortlich für die 86 Milchkühe mit einer Jahresmilchleistung von 8.400 kg. Doch jetzt musste sie sich auch beweisen. Sie investiert in sich selbst, bildet sich fort und packt die Probleme an, wenn sie auftauchen. Angetrieben von ihrer Begeisterung für Kühe und dem Erfolg, der jede gut geplante Veränderung für die Milchleistung und damit auch für ihr Einkommen mit sich bringt.
Aufmerksam durchdenkt sie alle Prozesse im Kuhstall und achtet besonders auf die Tiergesundheit. Nach und nach packt sie kleine Probleme im Stall an.
Als sie vier Jahre später den Betrieb komplett übernimmt, stehen 100 Kühe im Stall und die Leistung ist auf 9.097 kg gestiegen. Heute erarbeitet sie mit ihren Kühen eine Jahresmilchleistung von 12.600 kg ECM!
Die Zukunft: Klein aber fein
Doch um ein Minimum an Investitionen kommt auch Ute Koll nicht herum. Aufgrund der Vorgaben der neuen Düngeverordnung ließ sie eine neue wandbefestigte Siloplatte bauen und kaufte zusammen mit dem Nachbarn ein neues Güllefass mit Schleppschuhgestänge.
Doch größere Investitionen wie ein Melkroboter oder ein Stallanbau lohnen sich für sie nicht mehr. Denn ihre inzwischen erwachsenden Kinder arbeiten in anderen Berufen und werden den Hof wahrscheinlich nicht übernehmen. Sie investiert dagegen weiter in Fortbildung und Tiergesundheit.
Wir machen klein und fein weiter und sorgen dafür, dass unsere Arbeitsplätze komfortabel sind, damit die Arbeit Spaß macht!
Ute Koll
Inzwischen führt sie den Hof mit ihrem Lebensgefährten. Sie besitzt jetzt eine hochleistende, gesunde Herde, die sie später guten Gewissens weitergeben kann. An wen, das wird sich dann herausstellen.
Im Video: #milchmacher Ute Koll
Kreative Ideen gefragt
Nach und nach packt Ute Koll kleine Probleme im Stall an: Zum Beispiel missfielen ihr zunächst die vielen dicken Gelenke der Kühe im Stall. Die Ursache war schnell gefunden und die alten Gummimatten wurden ersetzt. Im Kälberstall schaffte sie es, durch ad-libitum und Ansäuern der Tränke, die Durchfallrate um 70 % zu reduzieren.
Manchmal ärgert sich die Betriebsleiterin, wenn sie bei bestimmten Arbeiten körperlich an ihre Grenzen gerät. Doch Ute Koll agiert lösungsorientiert und überlegt sich dann, wie man Dinge anders lösen kann. Auf dem Betrieb nehmen zum Beispiel Flaschenzüge schwere Zugarbeiten ab. Und die Silowände sind nur so hoch, dass auch jemand mit kurzen Armen einfach Reifen zum Abdecken rüber werfen kann.
Nach einem Lehrgang im schlewig-holsteinischen Lehr-und Versuchzentrum Futterkamp zur Klauenpflege hat die Landwirtin diese Arbeit für sich entdeckt. Sie hat eine extra helle Beleuchtung angebracht, damit man gut sehen kann. „Ich schaffe mir gute Arbeitsbedingungen, dann geht die Arbeit besser von der Hand!“ Das regelmäßige Klauenschneiden hat eine Mehrleistung von 600 kg Milch im Jahr gebracht.
Profi bei den Zellzahlen
Sehr gern besucht sie die Gesundheitsworkshops ihrer Tierarztpraxis - dem Tierärzteteam Nord. So achtet sie beim Trockenstellen jetzt darauf, dass nach Milchprobenergebnis nur infizierte Viertel antibiotisch trocken- gestellt werden. Alle Viertel bekommen aber einen internen und externen Zitzenversiegler. Sowohl beim selektiven Trockenstellen werden Antibiotika eingespart, als auch in der Therapie von schweren Coli-Mastitiden kommen nur Entzündungshemmer zum Einsatz.
Mit diesen modernen Ansätzen der Behandlung von Euterentzündungen hat sie es geschafft, die durchschnittlichen Tankzellzahlen auf zurzeit 50. bis 60.000 Zellen/ml Milch zu drücken.
Im Kurs Transitmanagement lernte sie, wie man subklinische Ketosen erkennt und diese frühzeitig behandelt. Als sie begann, mit dem Blut-Schnelltest zu arbeiten, hatten 24 % der Frischabkalber zu viele Ketonkörper im Blut. Sie forschte nach den Ursachen, stellte sie ab und schaffte es, den Wert auf 2 % zu drücken. Die Kuhherde startet mit ausgeglichener Energiebilanz in die Laktation.
Keine struppigen, mageren Kühe mehr
Vor fünf Jahren hat Ute Koll von den Vorteilen der Dreirassenkreuzung ((Holstein HF x Montbéliard MO) x Schwedisch Rotbunt RB) erfahren. Der Heterosis-Effekt versprach mehr Widerstandsfähigkeit, bessere Klauengesundheit und Fruchtbarkeit. Idealerweise vererben die Holsteins Milchleistung und Euterfom, die Montbéliard Rahmen und Ruhe und die Schwedisch Rotbunten feste Klauen und gute Inhaltsstoffe.
Vor drei Jahren fing sie nun selbst damit an. Jede HF Kuh wurde mit Montbéliard und jede HF/MO mit Schwedisch Rotbunt gekreuzt. In diesem Jahr wurden die ersten dreifarbigen Kälber geboren. „Meine Herde wird in jedem Jahr bunter“, sagt Ute Koll und zeigt auf ein Jungtier, dass farblich wie ein Pandabär aussieht. Die Jungtiere der Dreirassenkreuzung sind stressresistenter und ruhiger und die Waage im Jungtierstall zeigt Tageszunahmen von 1 bis 1,5 kg. Das lässt auf gute Futtereffizienz schließen.
Die Aktion #milchmacher
Keine Hofnachfolge, fehlende Flächen, Arbeitskräftemangel … Die Probleme, mit denen sich Milcherzeuger*innen auseinandersetzen müssen, sind vielfältig. Wir stellen Milcherzeuger vor, die die alltäglichen Herausforderungen angehen.
Alle #milchmacher-Betriebe sowie weitere interessante Milcherzeugerbetriebe im Portrait finden Sie hier auf unserer Themenseite.
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