Das ist schon die zweite klinische Mastitis in ein und derselben Laktation. Doch die Flocken sind erstmal wieder weg und die Euterentzündung scheint ausgeheilt. Eigentlich sollte die Kuh nicht besamt werden, doch jetzt ist sie wieder fit und gibt gut Milch. Außerdem bullt sie gerade deutlich. Warum also nicht wieder besamen?
Genau diese Gedanken und die damit einhergehende Inkonsequenz führen in der Praxis dazu, dass unheilbar euterkranke Kühe länger im Bestand bleiben als es für...
Das ist schon die zweite klinische Mastitis in ein und derselben Laktation. Doch die Flocken sind erstmal wieder weg und die Euterentzündung scheint ausgeheilt. Eigentlich sollte die Kuh nicht besamt werden, doch jetzt ist sie wieder fit und gibt gut Milch. Außerdem bullt sie gerade deutlich. Warum also nicht wieder besamen?
Genau diese Gedanken und die damit einhergehende Inkonsequenz führen in der Praxis dazu, dass unheilbar euterkranke Kühe länger im Bestand bleiben als es für die Herde gut ist. Für diese Kuh sollte es klare Abgangsregeln geben, denn ihr Euter ist nicht mehr erfolgreich behandelbar, sie erhöht schleichend die Tankzellzahl und schadet langfristig der Eutergesundheit der gesamten Herde. Wie gelingt eine strikte Selektion?
Alarmierende Kennzahlen
Eutergesund: < 100.000 Zellen/ml Milch (Ziel > 70 %)
Chronisch euterkrank: zweimal hintereinander über 200.000 Zellen/ml (Ziel < 8 %)
Unheilbar euterkrank: dreimal hintereinander über 700.000 Zellen/ml und/oder zweimal akute Mastitis innerhalb einer Laktation (Ziel: < 1 %)
Wer ist unheilbar euterkrank?
Eine Herde sollte mindestens 70 % eutergesunde Kühe aufweisen. Als eutergesund gelten Kühe mit einer durchschnittlichen Zellzahl von unter 100.000 Zellen/ml Milch. Einen großen Einfluss auf diese Kennzahl haben neben Haltungsbedingungen und Melkarbeit vor allem die nicht eutergesunden Tiere bzw. speziell die chronisch euterkranken Tiere innerhalb dieser Herde:
- Eine Kuh gilt als chronisch euterkrank, wenn sie zweimal hintereinander (MLP) mehr als 200.000 Zellen/ml aufweist. Der Weg von chronisch zur unheilbar krank ist kurz! Der Anteil chronisch euterkranker Kühe ist deshalb ein Indikator für den Anteil der unheilbaren Tiere.
- Als unheilbar euterkrank gilt eine Kuh, die dreimal über 700.000 Zellen/ml Milch aufweist und/oder mehr als zweimal innerhalb einer Laktation an einer Mastitis erkrankt.
- Die Laktationsnummer (je älter, desto höher der Zellgehalt) eines Tieres und dessen Mastitishistorie beeinflussen die Heilungswahrscheinlichkeit signifikant.
Schwer therapierbar
Zur Kategorie „unheilbar euterkrank“ gehören auch Kühe, über deren Milchprobe ein dauerhafter Eutererreger nachgewiesen wurde. Dazu zählt zum Beispiel S. aureus Kühe, die auf mehr als zwei Viertel mit dem Erreger infiziert sind und/oder Knoten im Euter aufweisen, gelten als chronisch infiziert. Algen und Hefen sind Mastitiserreger, die nicht auf Antibiotika ansprechen und sich deshalb ungebremst im Bestand ausbreiten können. Mykoplasmen sind zellwandlose Bakterien und gehören ebenso zu den Problemkeimen.
Klebsiellen sind Gram-negative Bakterien, die in der Umwelt der Kuh, aber auch in ihrem Darm vorkommen. Im Euter verursachen sie schwere Mastitiden, die aufgrund der Toxinwirkung der Kuh schweren Schaden anrichten. Überlebt die Kuh die Infektion, kann sie weiterhin Klebsiellen ausscheiden und andere Kühe infizieren (“Klebsiellen-Carrier“).
Kühe, bei denen derartige Erreger bekannt sind, sollten streng beobachtet und ggf. markiert werden und spätestens bei gehäuften Problemen den Bestand verlassen. Tauchen bestimmte Erreger in der Herde vermehrt auf, sollte eine Bestandsuntersuchung durchgeführt werden.
Entscheidungen treffen und beibehalten
Auch wenn eine lange Nutzungsdauer grundsätzlich wünschenswert ist, ist es im Hinblick auf die gesamte Herde wichtig, Tiere mit schlechten Heilungsaussichten zeitnah zu selektieren. Aufgrund der hohen somatischen Zellzahl belasten diese Kühe die Qualität der Tankmilch, stellen ein Reservoir für Mastitiserreger dar und scheiden oft große Erregermengen aus. Das gilt sowohl für Kühe, die aufgrund gehäufter Euterprobleme als unheilbar einzustufen sind als auch Kühe, die dauerhafte Erreger tragen.
Darum sollten diese Kühe zur Selektion vorgemerkt und entsprechend markiert werden. Der tatsächliche Abgangszeitpunkt hängt vom Ansteckungspotenzial und dem Trächtigkeitsstadium ab. Wichtig ist, die Selektionsentscheidung ggf. auch nach der Kalbung beizubehalten.
Erinnerungsstützen sind hilfreich
Die Dokumentation klinischer Mastitisfälle, der Zellzahl sowie Erregernachweise sind wichtig für ZU-Entscheidungen und die Therapie! Der monatliche Eutergesundheitsbericht bietet eine gute Hilfestellung, um diese Tiere im Blick zu behalten. In der Therapie und Bestandsbetreuung ist unbedingt zu berücksichtigen, dass unheilbar euterkranke Kühe nur noch geringe Heilungschancen haben – auch mit antibiotischen Eutertuben oder Injektionen. Hier können Antibiotika eingespart werden und viel für mehr Tiergesundheit/Tierwohl getan werden.
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