Kompakt:
- Die Impfantigene müssen zum stallspezifischen Erregerspektrum passen.
- Angebrochene Totimpfstoffe sind länger haltbar als Lebendvakzine.
- Impfungen verhindern nicht die Infektion, aber schwere Krankheitsverläufe.
- Jede Impfung stimuliert das gesamte Immunsystem und stärkt damit die Abwehr.
Regelmäßige Schutzimpfungen gehören selbstverständlich zum Tiergesundheitsmanagement in der Milchkuhhaltung. Der Kostendruck in der Branche führt dazu, dass vor jeder Impfmaßnahme zunehmend...
Kompakt:
- Die Impfantigene müssen zum stallspezifischen Erregerspektrum passen.
- Angebrochene Totimpfstoffe sind länger haltbar als Lebendvakzine.
- Impfungen verhindern nicht die Infektion, aber schwere Krankheitsverläufe.
- Jede Impfung stimuliert das gesamte Immunsystem und stärkt damit die Abwehr.
Regelmäßige Schutzimpfungen gehören selbstverständlich zum Tiergesundheitsmanagement in der Milchkuhhaltung. Der Kostendruck in der Branche führt dazu, dass vor jeder Impfmaßnahme zunehmend der medizinische Sinn und wirtschaftliche Erfolg überprüft wird.
Der richtige Impfstoff
Denn grundsätzlich gilt, dass es keinen Standardimpfplan gibt, der auf jedem Betrieb zu gesünderen Tieren führt, die gute Leistungen bringen. Vielmehr müssen die Impfantigene des Impfstoffes zum krankmachenden Antigen (Virus- oder Bakterienteilchen, Giftstoffe) im Betrieb passen.
Inaktivierte Impfstoffe enthalten Teile des Erregers und Adjuvanzien (Hilfsstoffe, die die Wirkung verstärken). Sie sind fertig angemischt „Ready to use“ und die angebrochene Impfflasche ist mehrere Tage noch stabil (Anbruchstabilität bis zu 14 Tage).
Lebendimpfstoffe enthalten mehr Impfantigen, darum ist die Immunreaktion oft besser und Nebenwirkungen sind (Impfreaktionen) häufiger. Sie bestehen aus gefriergetrocknetem Impfantigen und Lösungsmittel, das vor Verabreichung aufgelöst werden muss. Die Haltbarkeit nach dem Anmischen beträgt nur wenige Stunden.
Proben untersuchen
Nehmen wir zum Beispiel die weit verbreitete Muttertierimpfung. Kühe werden dabei ein- oder zweimal in der Trockenperiode gegen bestimmte Durchfallerreger (Rota-, Coronavirus, E. coli) geimpft. Mit der Biestmilch werden die nach der Kalbung gebildeten Antikörper an das neugeborene Kalb weitergegeben. Die Krankheits- und Todesfälle durch Neugeborenen-Durchfall werden reduziert. Das klappt aber nur, wenn im Betrieb auch Rota-Coronaviren oder krankmachende E. coli-Bakterien für das Auftreten des Durchfalls verantwortlich sind. Gegen Hygiene-Fütterungsfehler oder Kryptosporidien (Parasiten) hilft die Impfung nicht.
Bevor der Tierarzt Gregor Gründer, Praxisinhaber aus Schleswig-Holstein, Muttertiervakzine empfiehlt, untersucht er Kotproben von erkrankten Kälbern mit einem Schnelltest. Denn die Investition in die Muttertiervakzine lohnt sich nur, wenn das Impfantigen als Krankheitserreger nachgewiesen wird, sonst wird die Impfung ein Minusgeschäft. Die Diagnostik spielt auch vor dem Einsatz von
Rindergippe-Impfstoffen eine Rolle. Damit haben wir uns intensiv in Elite 1/2022 („
Grippe: Tot- oder Lebendimpfstoff?“) beschäftigt.
Impfen ohne Diagnostik ist zu teuer!
Praxisinhaber Gregor Gründer, iq-vet
Zoonosen verhindern
Ein weiterer Klassiker im Jungtierbereich ist die Impfung gegen Trichophytie (Kälberflechte). Die Immmunisierung bringt bei schwer mit Hautpilzen befallenen Tieren Heilung (Metaphylaxe) und ist Vorbeuge für die, die sie noch nicht haben (Prophylaxe). Wirtschaftlich bedeutsame Leistungseinbrüche durch die Pilzinfektion zeigen i.d.R. die schwer befallenen Tiere, bei Erstinfektion (Zukauf) aber auch ganze Herden. Zu Ausbrüchen der Flechte kommt es immer dann, wenn das Immunsystem der Tiere geschwächt ist, bei Vitaminmangel oder Ektoparasitenbefall (Läuse, Haarlinge, die die Pilzsporen übertragen).
Das Problem mit leicht befallenen Jungtieren ist vor allem ihr Zoonose-Potenzial. Denn die Pilzsporen werden bei Kontakt auf die menschliche Haut übertragen. Gerade Kinder, die im Kälberstall mit infizierten Kälbern „kuscheln“, können schwere Pilzinfektionen an Gesicht, Armen und Händen erleiden. Wer also mit Mitarbeitern arbeitet oder Kleinkinder im Stall hat, sollte bei auftretenden Symptomen gegen Trichophytie impfen, auch wenn sich der wirtschaftliche Vorteil nicht sofort erschließt. Alternativ-Methoden, wie z.B. das Aufhängen von Ilex-Zweigen ist kein ausreichender Schutz vor Infektion für Mensch und Tier.
Aborte untersuchen
Eine andere Zoonose ist das Q-Fieber. Beim Menschen führt die Infektion zu Erkältungssymptomen, bei tragenden Kühen u.a. zum Abort. Die meisten Kühe in unseren Ställen haben Antikörper gegen das krank machenden Bakterium Coxiella burnetii. Werden aber zum Beispiel in einem abortierten Fetus Antigene (Bakterien) nachgewiesen und hat die Kuh deutliche Symptome (Fieber), ist die Impfung empfehlenswert. Abortgeschehen sind in der Regel nicht nur infektiös, sondern ein Zusammentreffen von negativen Umwelterregern (Hitze, Stress) mit einem Erreger. Auch hier ist genaue Diagnostik (Blutproben für ein Jungtierfenster) wichtig, damit sich die Impfinvestition auch wirtschaftlich lohnt.
Todesfälle verhindern
Relativ neu am Markt sind die Mastitisimpfstoffe. Werden die Impfantigene (z.B. E. coli, Strep. uberis) als krankmachende Erreger auf dem Betrieb identifiziert, können die Antikörper aus dem Impfstoff den Verlauf schwerer Infektionen abmildern und Todesfälle verhindern. Inwieweit sich die Impfung langfristig auf die Senkung der Neuinfektionsraten auswirkt, muss individuell im Betrieb überprüft werden. Denn der Zellgehalt und die Mastitisdynamik werden von zahlreichen anderen Faktoren (z. B. Fütterung, Stress, Hitze, Überbelegung) beeinflusst und beide Faktoren können nicht allein durch die Impfung nachhaltig verbessert werden.
Immunsystem stärken
Clostridien sind Bakterien, die Toxine produzieren und in der Umwelt von Kühen nachgewiesen werden können und nicht immer krank machen. Sind Kühe in ihrer Abwehr beeinträchtigt, können die anaerob wachsenden Bakterien unterschiedliche Symptome verursachen. Neuerdings wird ein neuartiges Krankheitsbild (Hämorrhagic bowl Syndrom) beschrieben. Dabei verschließen große Blutkoagula (Blutpropfen) den Dünndarm. Das führt zu Darmblutungen (schwarzer Kot) und unklaren Todesfällen. Nicht selten sind Toxine im Futter die Schrittmacher für die Infektion. Die Impfung hat dann einen gewissen positiven Effekt auf das Immunsystem, sodass sich Symptome danach verbessern.
Individueller Impfschutz
Wenn für einen Problemkeim in der Herde kein passender Impfstoff zur Verfügung steht, kann eine bestandsspezifische Vakzine hergestellt werden. Ein Beispiel ist das Herstellen von Impfstoff gegen Moraxella bovis, das Bakterium, dass zur ansteckenden Augenentzündung (Weidekeratitis) führt. Für die Antigengewinnung werden mehrere Augentupfer genommen, die dann als Basis für die Herstellung des individuellen Impfstoffes eingesetzt werden.
Zu guter Letzt gibt es noch Vakzine, die im Tierseuchenfall eingesetzt werden: Blauzunge- oder Schmallenbergvirus-Vakzine oder Salmonellen-Impfstoff. Für den Einsatz ist dann die amtliche Anordnung nötig.
Ständige Impfkommission Veterinärmedizin
Die Ständige Impfkommission Veterinärmedizin (StIKo Vet) am Friedrich-Loeffler-Institut hat den Einsatz von Impfstoffen in der Tiermedizin im letzten Jahr neu bewertet. Auf der Internetseite:
Leitlinie zur Impfung von Rindern finden Sie Impfempfehlungen in einem Ampelsystem.
Wenig Nebenwirkungen
Grobe Schätzungen zur Zahl der Impfungen gehen von mehreren Millionen Impfungen pro Jahr bei Rindern aus. Tierärzte und Pharmaunternehmen sind verpflichtet unerwünschte Wirkungen an das Paul-Ehrlich-Institut (Bundesbehörde) zu melden. Dort konnten im Jahr 2020 insgesamt 113 Nebenwirkungsfälle bei Rindern registriert werden. Die Nebenwirkungen reichen von Wirkungslosigkeit, Schwellungen an der Einstichstelle, allergischem Schock bis zum Abort.
Ein möglicher ursächlicher Zusammenhang der vermuteten Nebenwirkung mit der Impfung wird immer geprüft. Nicht immer ist die Datenlage so eindeutig, dass das Ereignis tatsächlich mit der Impfung im Zusammenhang steht.
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