Klauengesundheit 

Klauenkrankheiten dokumentieren

Klauendaten bringen wichtige Entscheidungshilfen für das Management. Dr. Andrea Fiedler erklärt, wie man mit den Diagnoseschlüsseln in der Praxis arbeitet.  

Andrea  Fiedler

Praxisinhaberin

Praxis für Klauengesundheit 

Der moderne Milchkuhhalter nutzt Zahlen, um seine Managemententscheidungen  zu untermauern. Eine Informationsquelle bleibt dabei weitgehend ungenutzt: Daten zur Klauengesundheit. Erfahrungen zeigen, dass bereits die Einführung einer systematischen Dokumentation der Klauenkrankheiten über das Jahr hinweg das Bewusstsein der Mitarbeiter für Probleme schärft und die Klauengesundheit verbessern kann.
Wer in die Datenerfassung der Klauengesundheit einsteigen will, sollte zumindest folgende Daten im Rahmen der Klauenpflege digital erfassen (lassen): 
  • Datum der Klauenpflege. Dabei spielt die Jahreszeit bei der Ursachensuche immer eine wichtige Rolle. So kann z.B. Hitzestress im Sommer zu Klauenrehe-Problemen im Herbst/Winter führen. 
  • Korrekte Befunde, aufgelistet nach Kuh und Klaue
  • Therapiemaßnahmen (Verband, Medikament etc.)
Damit bei der Befunderhebung alle die gleiche Sprache sprechen, hat eine internationale Arbeitsgruppe einen einheitlichen Klauendiagnoseschlüssel (www.icar.org) erarbeitet.

Was tun bei welchem Problem?

  • Diffuse, flächige Sohlenblutungen (SBD): Minderwertiges, oft gelblich-rötliches Horn wird von der Lederhaut v.a. bei Stoffwechselproblemen (Ketose, Hitzestress etc. ) oder Überbelastung (Überbelegung, schlechter Liegeboxenkomfort) produziert und gelangt nach 6 bis 8 Wochen an die Sohlenfläche. Werden die Ursachen zeitnah abgestellt (z. B. Ventilation, Kuhzahl reduzieren, Komfort verbessern), kann sich die Lederhaut erholen, andernfalls folgen Klauengeschwüre nach. Anderenfalls wird die Schädigung chronisch. Da das knöcherne Klauenbein durch diese hornbildende Lederhaut im Hornschuh befestigt bzw. aufgehängt ist, führen Schädigungen der Lederhaut langfristig zu Schädigungen dieses Aufhängeapparates. All dies wurde früher durch den Gesamtbegriff „Rehe“ beschreiben. Das Klauenbein sinkt im Hornschuh etwas ab und hinterlässt durch den Druck umschriebene, dunklere Blutergüsse im Horn der Fußungsfläche:
  • Sohlenblutungen (SBU) und sog. "Steingallen" (STG). Letztere haben grundsätzlich nichts mit Steinen zu tun und sitzen genau unter der stärksten Erhebung des Klauenbeines im Bereich der wichtigen Kehlung. 

Diese Klaue hat eine Steingalle STG  und zeigt vor allem an der Außenklaue, aber auch an der Innenklaue ausgedehnte diffuse Sohlenblutungen SBD.  (Bildquelle: Fiedler )

  • Rusterholzschen Sohlengeschwür (RSG): Wird die Kehlung nicht rechtzeitig genug alle 3-5 Monate nachgeschnitten und/oder ist eine Klauenrehe beteiligt, kommt es nach einer Steingalle zum sogenannten RSG. Es verursacht je nach Dauer der Nichtbehandlung und somit zunehmendem Schweregrad gering- bis hochgradige Lahmheiten. 
  • Ist im Rahmen einer chronischen Klauenrehe die Klauenbeinsenkung fortgeschritten, verändert sich auch die Klauenform, die Vorderwand biegt sich durch - konkave (nach innen gewölbte) Vorderwand (KV). Diese Veränderung kann nicht mehr ausheilen, ebenso sind die Blutergüsse unter dem abgesunken Klauenbein nun dauerhaft sichtbar.
  • Weiße-Linie-Defekte (WLD): Die Zusammenhangstrennungen zwischen Klauenwand und Sohlenhorn sind ebenfalls eine Folge der Klauenrehe. Schreiten sie unbehandelt fort, entstehen an der seitlichen Klauenwand Geschwüre, die als Weiße-Linie-Abszesse (WLA) bezeichnet werden. Sie entwickeln sich meist sechs bis acht Wochen nach Beginn einer Hornbildungsstörung und brauchen einige Monate, um nach erfolgter Behandlung vollständig auszuheilen. Unbehandelt führen Sohlen- und Wandgeschwüre ebenso wie Sohlenspitzengeschwüre (SSG) zu schwerwiegenden Erkrankungen, die die Leistungsfähigkeit und sogar das Leben der Tiere bedrohen. Auch an der Sohle und am Ballen können (Sohlen- / Ballen-) Geschwüre (SG/BG) entstehen.

Diese Kuh zeigt an der Außenklaue einen Weiße Linie Defekt (WLD) und hat zudem chronische Mortellarosche Krankheit- DD M4. (Bildquelle: Weerda )

  •  Limax (LI): Eine Hautbildungsstörung stellen Zwischenklauenwülste - auch Limax (LI) genannt - dar. Die Limax kann genetisch bedingt sein, viel häufiger entsteht die manchmal sehr schmerzhafte Wucherung durch fehlerhafte Klauenpflege und wird sehr stark durch Mortellarosche Krankheit begünstigt.
  • Mortellarosche Krankheit (DD M1 bis DD M4.1): Diese infektiöse Klauenerkrankung kann die die Klauen angrenzende Haut, aber auch die Lederhaut betreffen. Die klassischen Läsionen reichen von kleinsten Vertiefungen im Zwischenklauenspalt (DD M1) über akute, rote, schmerzhafte Hautveränderungen (DD M2) bis hin zu chronischen Veränderungen (DD M4 bis DD M4.1). Aktuelle, bewährte Empfehlungen zur Behandlung von Mortellaro finden Sie im Artikel: "Das hilft bei Mortellaro". Weitere Tipps für die Vorbeuge lesen Sie hier
  • Ist eine freiliegende Lederhaut mit Mortellaro infiziert (WLA+DD, RSG+DD, SG+DD, BG+DD, SSG+DD, DS+DD), kann eine Fortschreiten sogar zu schweren Degenerationen führen (z.B. Sohlenspitzennekrose, SSN). Hier ist immer der Tierarzt hinzuzuziehen, da unter örtlicher Betäubung konsequent chirurgisch das veränderte Gewebe abgetragen werden muss. Bei allen DD-Formen ist die konsequente Nachbehandlung langfristig entscheidend, Managementmaßnahmen sind langfristig entscheidend.
  •  Zwischenzehenphlegmonen (ZP, „Panaritium“): hier dringen Bakterien in die Unterhaut ein, der Fuß schwillt an. Eine lokale Behandlung, ein Verband und tierärztlich verordnete Medikamente helfen hier.
  • Ballenhornfäule wird durch Bakterien verursacht und weist auf Hygienemangel und/oder übermäßige Feuchtigkeit in der Haltungsumgebung hin. Korrekte Klauenpflege und Hygienemaßnahmen reduzieren die Ballenhornfäule

Was tun bei welchem Problem?

Die genannten Krankheiten sollten in einem digitalen Erfassungsprogramm dokumentiert werden (z. B. Modul "Klaue", dsp agrosoft;  "Klauenpflege online", www.schlaue-klaue.de; "Klauenmanager", SEG Informationstechnik GMBH). So sind die Daten auf Betriebsebene verfügbar können jederzeit ausgewertet werden und können im Herdenmanagement genutzt werden. Je nachdem, welche Befunde in der Herde besonders häufig auftreten, müssen Ursachen gesucht, Zusammenhänge erkannt und abgestellt werden. Einige typische Beispiele:
  • Kommen in einer Herde mehr als 1 bis 2 Sohlengeschwüre (RSG) und viele Steingallen (STG) vor, weist das auf zu seltene oder gar falsche Klauenpflege hin. Die Klauenpflege sollte 3 bis 4 Mal pro Jahr durchgeführt werden. Dabei muss auf eine gute Kehlung geachtet werden.
  • Fallen viele Sohlenblutungen (SBD) in der Herde auf, müssen Ursachensuche in den Wochen und Monaten davor gesucht werden. Typische Auslöser sind: Hitzestress, Fütterungsprobleme oder Überbelegung. Ist die Herde dadurch in einer ketotischen Stoffwechsellage, können nachfolgend SBDs gehäuft auftreten. Auch Einzeltiere mit schweren Erkrankungsverläufen können später mit SBD reagieren.
  • Bei Problemen mit Mortellaro in der Herde gilt die systematische, wöchentliche Suche nach frischen Erkrankungsfällen. Infizierte Kühe müssen konsequent behandelt und nachbehandelt werden. Die Behandlung besteht hier v.a. in einer lokalen Anwendung von Medikamenten unter Verband für 3 bis 5 Tage. Befällt die Mortellarosche Krankheit eine Limax (LI+DD), ist ebenfalls eine Verbandsbehandlung mit Novaderma(R)-Salbe angezeigt. Um die Weiterverbreitung und weitere Neuinfektionen zu verhindern, muss die Hygiene und der Liegeboxenkomfort an erster Stelle optimiert werden.
Je mehr man über die Klauengesundheit im Betrieb weiß, desto besser kann man frühzeitig Probleme verhindern. Langfristig verbessert sich dadurch die Klauengesundheit und immer weniger Tiere landen zur Therapie im Klauenstand. Die Situation der Klauengesundheit ist in jedem Betrieb anders. Wer selbst bei der Ursachenforschung nicht weiter kommt, kann spezialisierte Tierärzte frage, die gezielte Erfassung, Auswertung und Beratung anbieten.


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