Tiergesundheit 

BVD-Sanierung verlangt Impfverbot

Um BVD-frei zu sein und Tiere uneingeschränkt zu verbringen, könnten Impfungen gegen BVD künftig verboten werden. Das fordert das neue EU-Tiergesundheitsrecht. 

Das neue EU-Tiergesundheitsrecht regelt seit April 2021 die Prävention und Bekämpfung von Tierseuchen. Neben Regelungen zum Blauzungenvirus (BTV-8) oder dem Bovinen Herpesvirus (BHV-1) betreffen Milchkuhhalter u.a. die Maßnahmen zur einheitlichen Sanierung des Bovinen Virus Diarrhoe (BVD)

Ziel: BVD-Sanierung 

BVD ist eine anzeigepflichtige Tierseuche, die zu den verlustreichsten Virusinfektionen bei Rindern zählt. Meist breitet sich die Infektion unbemerkt im Bestand aus, weil anfänglich keine oder leichte Krankheitssymptome wie Nasenausfluss, Atemwegserkrankungen und Durchfall zu beobachten sind. Eine Infektion während der Trächtigkeit verursacht allerdings hohe wirtschaftliche Schäden und wird meist erst nach Monaten deutlich erkennbar (Besamungserfolg geht zurück). 
Ein wesentlicher Punkt der effektiven Bekämpfung von BVD besteht darin, Virus-tragende Tiere (Virämiker) so früh wie möglich zu erkennen und zu merzen, um den Infektionsdruck in den betroffenen Beständen und der gesamten Rinderpopulation so gering wie möglich zu halten. Zur Erkennung werden alle neu geborenen Kälber per Ohrstanzmarke beprobt. Dieser einmalige Nachweis des Antigens reicht aus, um Virämiker eindeutig zu identifizieren. Diese sind umgehend der Schlachtung bzw. der Euthanasie zuzuführen. 
Neben Hygiene und Virämikermerzung galt bisher auch die Schutzimpfung als Maßnahme, um BVD zu bekämpfen. Durch ausreichende Antikörper bei den Muttertieren über eine Impfung sollten Infektionen während der Trächtigkeit vermieden und somit die Entstehung virämischer Kälber verhindert werden. 

Warum jetzt ein BVD-Impfverbot?

Seit dem Start des BVD-Bekämpfungsprogramms im Jahr 2011 in Deutschland, zu dem die Ohrstanzproben bei Kälbern zählen, hat sich die Fallzahl stark verringert. 2019 lag die Prävalenz von Betrieben mit persistent infizierten (PI)-Tieren laut FLI-Zahlen bei rund 0,05 %. 2011 waren es noch rund 3,5% der Betriebe.
Mit der Einführung des neuen EU-Tiergesundheitsrechts im April 2021 kommt es nun aber zu einer Neuausrichtung der BVD-Bekämpfungs- und Überwachungsmaßnahmen.
Das bedeutet nun Folgendes: 
  • Kälber müssen spätestens bis zum 20. Lebenstag auf BVD beprobt worden sein, anstatt wie bisher bis zum 30. Tag (über Ohrstanzen). 
  • Parallel zur bekannten Beprobung sollen in den freien Zonen serologische Testverfahren eingeführt werden, zum Beispiel über Blutproben oder Tankmilch. Diese sollen zukünftig die Ohrstanzproben ablösen. 
  • Für die Gewährung eines BVD-Freiheitsstatus gelten bestimmte Vorgaben*. Diese unterscheiden sich jedoch – je nach dem, ob sich der Status „BVD-frei“ auf Mitgliedstaaten oder Zonen bezieht oder auf Betriebsebene. 
  • Für die Gewährung des BVD-Freiheitsstatus für Mitgliedstaaten oder Zonen gilt: Impfung gegen BVD für gehaltene Rinder ist verboten; mindestens während der vorhergehenden 18 Monate darf kein bestätigter Fall von BVD aufgetreten sein; mindestens 99,8 % der Betriebe, die mindestens 99,9 % der Rinderpopulation repräsentieren, müssen frei von BVD sein. 
  • Für die Gewährung des BVD-Freiheitsstatus auf Betriebsebene gilt: Während der letzten 18 Monate ist kein bestätigter Fall von BVD bei einem im Betrieb gehaltenen Rind aufgetreten; die im Betrieb gehaltenen Rinder müssen unter Berücksichtigung möglicher früherer Impfungen mindestens einem von der EU vorgeschriebenen Testregimes unterzogen worden sein; von der EU vorgeschriebene Vorgaben zu in den Betrieb verbrachten Tieren und Zuchtmaterial müssen eingehalten werden. 
  • Für die Aufrechterhaltung des BVD-Freiheitsstatus auf Betriebsebene gilt: Die zur Gewährung des Freiheitsstatus festgelegten Anforderungen (siehe oben) müssen weiterhin erfüllt werden; seit der Gewährung des Freiheitsstatus wurde in dem Betrieb kein Rind gegen BVD geimpft**; ein von der EU vorgeschriebenes BVD-Testregimes mit Negativbefund muss durchgeführt werden (hierzu zählt auch die Untersuchung der im Betrieb geborenen Kälber spätestens am 20. Tag nach der Geburt). 
*Alle Vorgaben gemäß Kapitel 1 (Betrieb) bzw. Kapitel 2 (MS / Zone) zum Teil VI aus dem Anhang IV der Delegierten Verordnung (EU) 2020/689 zum EU-Tiergesundheitsrechtsakt). 
**Warum Impfverbot? Impfungen verursachen eine Antikörperbildung im Tier. Da Impf-Antikörper und Antikörper natürlicher BVD-Infektionen nicht zu unterscheiden sind, würde eine Impfung die Überwachung der BVD im Falle der Freiheit unmöglich machen. 

Unterschiede innerhalb Deutschlands 

Je nach Sanierungsfortschritt sollen die Bundesländer Anträge an die Europäische Union zur Gewährung des Status „frei“ oder zur Genehmigung eines Tilgungsprogramms gestellt haben. Noch unklar sei, wie der Handel zwischen freien Regionen und solchen mit Tilgungsprogrammen in Zukunft geregelt werden soll. Daher würden vorerst alle Bundesländer an den flächendeckenden Ohrstanzproben für Kälber festhalten. Unterschiedliche Ausgangssituationen könnten dazu führen, dass die Verbringung von Tieren innerhalb Deutschlands neben dem Blauzungenvirus auch aufgrund von BVD erschwert wird.
Was bedeutet das für die Praxis?
Gemäß den Vorgaben der Delegierten Verordnung 2020/689 ist die Impfung gegen BVD unabhängig von deren Auswirkung auf Vermarktungswege in Betrieben mit dem Status „frei von BVD“ nicht mehr möglich. Dazu gehört auch, dass ein BVD-freier Betrieb in einer freien Zone keine geimpften Tiere einstallen darf. 
„Für Betriebe aus Regionen, die sich gemäß Tiergesundheitsgesetz als „BVD-frei“ anerkennen lassen, heißt das in Zukunft, dass nur noch BVD-ungeimpfte Tiere zugekauft werden dürfen. Im Umkehrschluss bedeutet das für vermarktungsintensive Betriebe, die ihre Tiere bisher prophylaktisch gegen BVD geimpft haben, dass diese Impfung in Zukunft nicht mehr durchgeführt werden sollte, um alle Absatzwege für die eigenen Verkaufstiere offen zu halten. Das Einstellen der BVD-Impfung sollte allerdings immer unter Beachtung der einzelbetrieblichen BVD-Situation und in Absprache mit dem Hoftierarzt bzw. Veterinäramt erfolgen“, heißt es seitens der Rinder-Union West eG. 
Empfehlung: Tierhalter sollten sich bei Unklarheiten an die für sie zuständigen Veterinärämter, Kreisverwaltungsbehörden oder Zuchtorganisationen wenden. Diese können dabei helfen, die nach neuer Rechtslage erforderlichen Maßnahmen für den Transport und Handel von Tieren richtig umzusetzen. 
Quellen: u.a. Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz NRW, Bayerische Landestierärztekammer, Tierseuchenkasse MV, RUW, BBZ, top agrar 


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