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Dick und rund erhebt sich die Eiterbeule unter der Haut der Kuh. Ein Unterhautabszess verursacht zwar nicht direkt Schmerzen, ist aber dennoch unschön für das Tier – und vor allem in den meisten Fällen vermeidbar. Nämlich dann, wenn sie durch Technopathien und Hygienemängel entstehen. Die Abszessbildung ist Teil der körperlichen Immunabwehr. Ursache für einzeln auftretende Verkapselungen sind:
eitrige Entzündungen (Phlegmone)
infizierte Blutergüsse (Hämatome)
Wunden aller Art
Eindringen von Fremdkörpern
Bei Abszessen treten in der Regel keine allgemeinen Krankheitssymptome auf. In seltenen und schweren Fällen ist die Ursache der Abszessbildung aber eine bakterielle Allgemeininfektion. Dabei werden beispielsweise infolge einer Sepsis Eitererreger über das Blut durch den ganzen Körper transportiert (Pyämie). Dadurch können die Abszesse praktisch an jeder Körperstelle auftreten. Bei dieser Form geht die Abszessbildung mit weiteren Erkrankungserscheinungen einher.
Was sagt mir die Abszessstelle?
An einigen Stellen tritt die Abszessbildung bei Rindern in der Praxis besonders häufig auf. Dazu gehört der Kopfbereich, die Brust- und Bauchwand, die Gliedmaßen insbesondere an den Gelenken sowie am Hals, Triel und den Hinterschenkeln. Die Lokalisation verrät viel über die möglichen Schwachstellen im Betrieb (siehe Grafik). Wenn es in der Herde regelmäßig zu Abszessen kommt, sind prophylaktische Maßnahmen zum Wohl der Tiere unabdingbar. Aber auch ein einzelner Fall kann ein Weckruf sein.
Wer sauber spritzt, weiche und großzügige Liegeboxen und rutschfeste Spalten bietet, kann prophylaktisch Abszessbildungen verhindern.
(Bildquelle: Thiemann, Orb)
Dekubitus bzw. durch Druckstellen entstehende Abszesse treten besonders häufig an den Gelenken und vereinzelt an der Wirbelsäule und dem Hals auf. Sie sprechen für harte, zu kleine und unbequeme Liegeboxen sowie falsch eingestellte Nackenrohre und Boxenbügel. Bei Dekubitus besteht auch ohne Abszessbildung Handlungsbedarf!
Impfabszesse entstehen durch unsauberes Injizieren. Dann trägt die Nadel Dreck in die Einstichstelle. Um Impfabszesse zu verhindern, sollten die Nadeln regelmäßig gewechselt, scharf und hygienisch gelagert sein und nur an „sauberen“ Körperstellen (Hals- und Schulterbereich) zugestochen werden.
Hämatome sind in der Unterhaut liegende Blutergüsse. Sie entstehen durch stumpfe Gewalteinwirkung (Sturz, Hornstöße, Bewegen gegen harte Gegenstände, Verfangen). Sturzbedingt treten Abszesse durch rutschige Spalten häufig seitlich an den Oberschenkeln auf. Lendenabszesse sind auf wildes Bedecken zurückzuführen.
Nabelabszesse treten auf, wenn das neugeborene Kalb unsauber lag oder die Nabelschnur zu kurz abgerissen ist. Dann können in dem nach der Geburt sehr empfindlichen Bereich Keime und Schmutz eindringen. Ein Abszess in diesem Bereich sollte man abklären lassen, um einen Nabelbruch auszuschließen.
Backenabszesse treten meist bei jungen Kälbern auf. Ursache sind bakterielle Infektionen oder Läsionen der Schleimhäute durch scharfkantige Backenzähne. Eine Maulhöhleninspektion gibt Aufschluss woher die Entzündung stammt. Kälber mit Backenabszessen sollten sich nicht mit anderen Tieren den gleichen Nuckel teilen. Denn durch den bakteriellen Keimdruck im Maul besteht ein hohes Ansteckungsrisiko. Prophylaktisch sollte der Nuckel regelmäßig gewechselt, gereinigt und desinfiziert werden.
Das Kalb mit Backenabszess sollte sich nicht mit anderen Kälbern einen Nuckel teilen und separiert werden.
(Bildquelle: Thiemann)
Immer erst punktieren!
Was ist zu tun, wenn man einen vermeintlichen Abszess findet? Das wichtigste zuerst: Niemals ohne Probepunktion eröffnen! Palpatorisch, also mit den Händen, kann die Beule näher untersucht werden. Bei Abszessen wird zwischen zwei Reifegraden unterschieden:
Frische Abszesse zeichnen sich durch undeutliche Abgrenzungen und Entzündungserscheinungen aus. Von einem Bluterguss sind sie dadurch zu unterscheiden, dass die Flüssigkeit nicht so stark „schwappt“ und die Haut bereits stärker verdickt ist.
Ältere, sogenannte kalte Abszesse, haben sich deutlich abgekapselt und ähneln einem prallen mit Flüssigkeit gefülltem Gummiball. Der Abszess lässt sich unter der Haut verschieben. An der Kapsel lässt sich eine zum Durchbruch neigende, lokale Verdünnung ertasten.
Eine Probepunktion ist zur eindeutigen Diagnose wichtig. Bei einem Abszess fließt Eiter aus der Kanüle.
(Bildquelle: Weerda)
Die Übergänge der Reifegrade sind fließend. Bei Verdacht eines kalten Abszesses ist für eine genaue Diagnose eine Probepunktion durchzuführen. Dabei ist hygienisch zu arbeiten. Das Fell sollte an der Punktionsstelle rasiert und desinfiziert werden. Wichtig ist für die Punktion eine weitlumige Kanüle. Bei einem gereiften Abszess entleert sich Eiter. Dieser kann grünlich, weiß oder gelblich gefärbt von dünnflüssig bis dickflüssig-rahmartig, zuweilen auch flockig sein. Fließt dunkles Blut aus, handelt es sich wahrscheinlich um ein Hämatom. Keine Flüssigkeit kann entweder bedeuten, dass ein Eiterpropf die Kanüle verstopft oder der Abszessinhalt eingedickt ist. Das tritt v. a. bei Backenabszessen auf. Ansonsten liegt eine andere Umfangsvermehrung (Ödem, Phlegmon, Emphysem, Bauchnabelbruch) vor, die tierärztlich abzuklären ist.
Lass den Eiter fließen
Bei reifen Abszessen können diese spontan nach außen durchbrechen und sich entleeren. Komplikationen entstehen, wenn Abszesse nach innen aufbrechen. In vielen Fällen bleiben die dickwandigen Abszesse jedoch bestehen. Noch frische Abszesse werden durch die Verwendung von Zugsalben zur schnelleren Reifung gebracht.
Bei gereiften, prallen Abszessen ist eine chirurgische Eröffnung möglich. Dafür werden an der tiefsten Stelle des Abszesses die Haare rasiert und die Stelle desinfiziert. Dann wird dort mit einem Schnitt durch ein Skalpell die Kapsel eröffnet. Nachdem der Eiter weitestgehend ausgeflossen ist, sollte die Abszesshöhle mit einer antiseptischen Lösung ausgespült werden. Gleiches gilt für spontan eröffnete Abszesse. Anschließend bleibt der Einschnitt bestehen, damit Flüssigkeiten weiter ablaufen können. Je nach Größe und Lage des Abszesses wird die antiseptische Spülung in den nächsten ein bis fünf Tagen erneut durchgeführt. Nach erfolgreicher Behandlung erinnert nur noch eine etwas derbere Hautstelle an die ehemalige Eiterbeule.