VDLUFA-Kongress 2018

Nutzen und Grenzen der Digitalisierung

Die Digitalisierung dient besonders dem Fütterungs- und Herdenmanagement. Dennoch bestehen Grenzen sowie Potenziale, die erfassten Daten besser zu nutzen und zu verknüpfen. Wissenschaftler haben sich mit Strategien für die Praxis beschäftigt.

Auf dem VDLUFA-Kongress vergangene Woche in Münster stand die Digitalisierung in der Landwirtschaft im Fokus. Prof. Dr. Hubert Spiekers vom LfL in Bayern sowie Prof. Dr. Albert Sundrum von der Universität Kassel haben sich dabei mit neuen Herausforderungen und dem praktischen Nutzen der Digitalisierung im Fütterungsmanagement beschäftigt. Prof. Dr. Steffen Hoy von der Universität Gießen stellte Möglichkeiten und Grenzen der Digitalisierung im Herdenmanagement von Milchkühen vor.

Mehr praktischen Nutzen durch Verknüpfung

Durch Digitalisierung in der Landwirtschaft sollen Prozesse gesteuert, vielfältige Informationen geliefert und Daten erhoben werden. Dabei gibt es viele Schnittstellen wie beispielsweise zwischen vor- und nachgelagertem Bereich sowie in einem Betrieb direkt. Prof. Dr. Spiekers vom LfL in Bayern sieht viele Herausforderungen und Potenziale in der Digitalisierung der Futterwirtschaft. Besonders das Erntejahr 2018 hat gezeigt, dass Futter nicht immer vorhanden ist und eine exakte Planung notwendig ist. Insgesamt muss bei allen Entwicklungen der Nutzen für den Anwender (Landwirt) und das Nutztier im Fokus stehen.
  • In Zukunft muss es Innovationen und gleichzeitig Schnittstellen zwischen den Programmen geben. Dabei ist es wichtig, den tatsächlichen Gegebenheiten auf dem Betrieb gerecht zu werden. Im Erntestress beispielsweise darf die Erfassung der Erntemengen und weiterer Daten so wenig Zeit wie möglich beanspruchen. Innovationen muss es daher besonders in der routinemäßigen Erfassung von Ernteerträgen geben. Durch Weiterentwicklungen in der Messtechnik und neue Systementwicklungen kann die Ertragserfassung etabliert werden. Die erfassten Ernteerträge können folglich für Düngeplanung, Düngecontrolling, Futterplanung und Futtercontrolling genutzt werden. Von diesem Nutzen profitieren sowohl Landwirte als auch Lohnunternehmen und Berater.

  • Auch die Programme zur Rationsberechnung sollten mit erfassten Daten aus der Praxis verknüpft werden. Die Verbindung zur Futtervorlage im Betrieb kann über die Fütterungstechnik wie beispielsweise Mischwagen erfolgen. Eine automatische Verbindung zu Futteranalysen kann dazu dienen, den Zeitaufwand zu sparen, die Inhaltsstoffe per Hand einzugeben. Einheitliche Standards bezüglich der Futteranalysedaten sollten länderübergreifend bereitgestellt werden. In Bayern stellt das digitale Programm webFuLab verknüpft mit dem Rationsberechnungsprogramm Zifo2 ein gutes Beispiel dar.

  • Weitere wichtige Punkte sind Stoffstrombilanz und Betriebszweiauswertung. Wenn über eine digitale Mengenmessung Futterverbrauch und Ernteerträge erfasst werden, können diese wiederrum für eine Stoffstrombilanz genutzt werden. Dadurch kann jeder Landwirt bzw. Berater mit betriebsindividuellen Zahlen rechnen. Die Vernetzung vom Feld bis zum Produkt in Form einer gemeinsamen digitalen Verarbeitung der Daten aus Pflanzenbau und Futterwirtschaft bringt bezüglich Planung, Düngung und Stoffstrombilanz einen großen Nutzen.

Ist-Zustand und Variationen analysieren

Laut Prof. Dr. Sundrum seien die Erwartungen an die Digitalisierung in der Landwirtschaft insgesamt zu hoch. Mit den zu verbessernden Bereichen Tierwohl, Klimaschutz, Ressourcen und Versöhnung sei das Thema überfrachtet und daher anfällig für spätere Enttäuschungen. Zwar sind die Potenziale riesig, die Umsetzung ist aber schwierig.
  • Den Zweck digitaler Technik besteht darin, Landwirte durch die Steuerung von Prozessen zu entlasten und gleichzeitig die Existenzfähigkeit der Betriebe und der Gemeinwohlinteressen zu sichern. Neben der Produktivitätssteigerung sollten auch Tierwohl und Umweltschutz berücksichtigt werden. Dieser Zielkonflikt zwischen Einzelerfolg und Gemeinwohl kann allein durch Digitalisierung nicht gelöst werden. Im Bereich Tierwohl bedarf es beispielsweise einem schärferen Monitoring. Bei Datenerfassungen und Stallkontrollen im Rahmen von QS werden verschiedene Parameter betrachtet. Doch ab wann sind die Mängel so groß, dass Handlungsbedarf besteht? Die Antwort auf diese Frage muss klar definiert werden. Nur so können durch die Datenerfassung auch Veränderungen realisiert werden.

  • Auf der einen Seite liefert die digitale Erfassung sehr viele Daten, die man anhand von Richtwerten einstufen und bewerten kann. Die Programme stellen aber nur dann Lösungsvorschläge bereit, solange die Daten den Regeln entsprechen. Auf der anderen Seite müssen aber auch Wechselwirkungen, Abwägungsprozesse und Variationen betrachtet werden. Vor allem in der Nutztierhaltung können Reaktionen von Einzeltieren nicht vorhergesagt werden. Eine Fokussierung auf Gesetzmäßigkeit ist nicht realitätsnah, viel wichtiger wäre die Darstellung der Variationsbreite.

  • Mit einer digitalen Datenerfassung wird die Ist-Information bereitgestellt. Um Lösungsstategien und Maßnahmen zu finden, muss der Ist-Zustand sowie die Spanne zwischen Ist- und Soll-Zustand analysiert werden. Die Digitalisierung darf demnach nicht für eine Vereinfachung von Entscheidungsprozessen stehen, sondern die Betrachung eines komplexes Systems mit Wechselbeziehungen ergänzen.

Möglichkeiten und Grenzen in der Milchkuhhaltung

In der Milchkuhhaltung haben sich digitale Systeme, besonders die digitale Brunsterkennung, fest etabliert. Dennoch sieht Prof. Dr. Steffen Hoy auch Grenzen der Digitalisierung, die eine visuelle Tierbeobachtung weiterhin notwendig machen. Durch die Messung der Aktivität und der Wiederkaudauer (Rumination) kann der Großteil der brünstigen Kühe erkennt werden, eine 100 %-ige Sicherheit wird durch automatische Systeme aber nicht gewährleistet. Durch eine Kombination der gemessenen Parameter Aktivität und Wiederkauzeit sind allerdings Erkennungsraten von 93 bis 97 % möglich. Auch die Messung der Futteraufnahme in Kombination mit der Wiederkaudauer kann signifikante Ergebnisse liefern. Grenzen gibt es vor allem beim Gesundheitsmonitoring und bei der Auswertung gemessener Parameter. Erkrankungen können nur dann automatisch erkannt werden, wenn akute Anzeichen messbar sind! Gleichzeitig liefern nicht alle gemessenen Parameter sofort eine schlüssige Information für den Landwirt.
Beispiel: Überwachung der Rumination vor und nach der Kalbung
Neben der Brunsterkennung kann die digitale Erfassung des Wiederkauens frühzeitige Hinweise zum Kalbezeitpunkt liefern. In einem Versuch der Universität Gießen hat sich gezeigt, dass sich die Messung der Wiederkauaktivität als Hinweisparameter für bevorstehende Kalbungen eignet. Mit dem Heattime HR-System von SCR wurde die Rumination von 58 Kühen über 48 Stunden (24 Stunden a.p. bis 24 Stunden p.p.) erfasst. Insgesamt konnten 84 % der Kalbungen durch das digitale System frühzeitig erkannt werden. Damit kann eine digitale Überwachung auch das Kalbemanagement erleichtern.
Quelle: VDLUFA


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