29. Milchrindtag Mecklenburg-Vorpommern

Selektion auf wirtschaftliche Kühe

Viele Jungkühe gehen zu früh ab. Wirkt sich das auch auf die Nutzungsdauer ihrer Nachkommen aus? Mehr dazu sowie ein Hinweis auf den neuen Zuchtindex RZ€.

Die Wirtschaftlichkeit der Milchproduktion nimmt weiter an Bedeutung zu. Ein ausschlaggebender Faktor ist und bleibt die Nutzungsdauer bzw. die Lebensleistung der Kühe. Trotzdem gehen viele Kühe bereits in der ersten Laktation ab. Inwieweit sich die Abgangsursachen von Jungkühen auch auf ihre Nachkommen übertragen und welchen Nutzen eine entsprechende Selektion haben kann, wurde auf dem diesjährigen Milchrindtag in Mecklenburg-Vorpommern diskutiert. Zudem wurde erstmalig ein neuer ökonomischer Zuchtindex für Holsteins vorgestellt.

Zu viele Merzungen in der 1. Laktation

Im Jahr 2018 lag die Abgangsrate von Erstlaktierenden aller LKV-Kühe in Mecklenburg-Vorpommern bei 29 % und war damit über alle Laktationen am höchsten. Die Ursachen sind vielseitig, häufig werden Eutererkrankungen und Sterilität gefolgt von Stoffwechselerkrankungen und Klauen- und Gliedmaßenerkrankungen angegeben. Ein Vergleich der letzten 19 Jahre in den Testherden der RinderAllianz zeigt aber, dass sich der Anteil an Merzungen in der ersten Laktation von rund 34 % auf derzeit rund 22 % deutlich reduziert hat. Dennoch besteht eine Menge Potenzial, besonders im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit einer Einzelkuh bzw. der gesamten Milchproduktion.
Abgänge 1. Laktation

Die Abgänge von Erstlaktierenden sind in den letzten 19 Jahren von 34% auf 22% gesunken. (Bildquelle: Römer)

Mütter und Töchter im Vergleich

Besteht ein Zusammenhang zwischen früh abgegangenen Kühen und dem Abgangszeitpunkt ihrer Töchter? Mit dieser Frage haben sich Dr. Anke Römer (LFA Mecklenburg-Vorpommern) und Imke Varlemann (HU Berlin) näher beschäftigt. Dazu wurden von 2004 bis 2017 insgesamt 10.404 Mütter-Töchter-Paare auf 21 Betrieben untersucht. Alle Mütter (mindestens eine abgeschlossene Milchkontrolle und als erstes ein weibliches Kalb) wurden je nach Nutzungsdauer in fünf Klassen unterteilt. Innerhalb dieser Klassen wurden die Nutzungsdauer, das Abgangsalter, die Abgangsursachen und die Lebenseffektivität der jeweiligen Töchter betrachtet (siehe Abbildungen).
Die Untersuchungen zeigen:
  • Je länger die Nutzungsdauer der Mütter, umso länger auch die Nutzungsdauer ihrer Töchter.
  • Eine lange Nutzungsdauer ist mit einer hohen Lebenseffektivität verbunden.
  • Mütter und Töchter weisen ähnliche Abgangsursachen auf.
Nutzungsdauer der Töchter

Die Auswertung zeigt einen Zusammenhang zwischen früh abgegangenen Kühen und ihren Töchtern. (Bildquelle: Varlemann)

Lebenseffektivität der Töchter

Eine lange Nutzungsdauer ist mit einer hohen Lebenseffektivität verbunden. (Bildquelle: Varlemann)

Empfehlungen für eine höhere Nutzungsdauer

Die Reduzierung der Abgänge von Jungkühen in den letzten Jahren zeigt, wie hoch das Potenzial ist. Das sollte jeder Milchkuhhalter als Chance sehen, auch die eigenen Jungkühe länger im Betrieb zu halten und die Aufzuchtkosten so auch wieder zu verdienen. Neben einem optimierten Management im Stall empfiehlt Frau Dr. Römer in Sachen Anpaarung und Selektion deshalb:
  • Kälber von früh gemerzten Kühen genotypisieren lassen. Anhand ihres Zuchtwertes für Nutzungsdauer (RZN) lässt sich sehr früh erkennen, wie hoch die Chance ist, dass aus ihnen mal alte Kühe werden.
  • Kälber generell nach genomischem Zuchtwert selektieren.
  • Auch gute alte Kühe mit weiblich gesextem Sperma besamen.
  • Kühe anhand ihres Zuchtwertes für Nutzungsdauer besamen (ggf. mit Fleischrasse-Bullen).

Neu: Ökonomischer Zuchtindex RZ€

Auch ein neuer Zuchtindex soll zukünftig als Hilfsmittel dienen, noch intensiver auf wirtschaftliche Kühe zu züchten und zu selektieren. Im August 2020 soll der neue Ökonomie-Index RZ€" für Holsteins eingeführt werden. Das kündigte Heiko Güldenpfennig, Geschäftsführer der RinderAllianz, an. Der RZ€ beinhaltet alle wirtschaftlich-relevanten Zuchtmerkmale und gibt den Gewinn-Unterschied pro Leben einer Kuh in Euro wieder. Das heißt: Es wird kalkuliert, welchen wirtschaftlichen Vor- oder Nachteil die Kuh im Vergleich zu ihren Stallgefährtinnen bzw. der Population aufweist. Je höher der RZ€, desto wirtschaftlicher ist die Kuh bzw. vererbt sich der Bulle.
Mit dem neuen RZ€ und dem weiterhin bestehenden relativen Gesamtzuchtwert (RZG) wird es künftig zwei Gesamtzuchtwerte geben. Der RZG orientiert sich am Zuchtziel und beinhaltet demnach auch nicht ökonomisch bewertbare Aspekte wie zum Beispiel das Exterieur. Daher gibt es durchaus Unterschiede zwischen den Gesamtzuchtwerten bzw. in der Rangierung der Tiere.
Den neuen Zuchtindex soll es für alle genomischen und töchtergeprüften Besamungsbullen geben. Herdentypisierungs-Betriebe erhalten den RZ€ zudem auch für alle weiblichen Tiere. Weitere Informationen seitens der Vereinigten Informationssysteme Tierhaltung w.V. (vit) und des Bundesverbandes Rind und Schwein e.V. (BRS) wird es voraussichtlich im Mai geben.
29. Milchrindtag 2020 in Mecklenburg-Vorpommern
Die Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft und Fischerei (LFA), die RinderAllianz (RA) sowie der Milchkontroll- und Rinderzuchtverband (MRV) stellen den Milchrindtag jährlich gemeinsam auf die Beine. Weitere Themen waren:
  • Q-Check: Tierwohl in der Milchviehhaltung mit System - von der betrieblichen Eigenkontrolle bis zum nationalen Monitoring. (Dr. Jan Brinkmann)
  • Nutztierstrategie des Bundes (Dr. Kirsten Kemmerling)
  • Dummerstorfer Fütterungsbewertung (Julia Glatz-Hoppe)
  • Kälbergesundheit und Kälberhaltung in MV - wie gut sind wir? (Dr. Ulrike Falkenberg)
  • Brauchen Jung- und Altkühe unterschiedlich lange Trockenstehzeiten? (Dr. Bernd Losand)


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