Wohin wächst die Biomilch?

Im Gegensatz zur konventionell erzeugten Milch steigt die Anlieferung von Biomilch in 2019 weiter kräftig. Die Nachfrage wächst ebenfalls. Fraglich ist für konventionelle und biologische Milcherzeuger gleichermaßen, wohin sich der Markt entwickelt.

Die Anlieferungsmenge von Bio-Kuhmilch in Deutschland stieg in 2018 um +19% auf 1.118.000 t und erreichte so ihren bisherigen Höchstwert. Der Anteil von Biomilch an der Gesamtmilchanlieferung hat sich damit in Deutschland vergangenes Jahr von 3,0% in 2017 auf 3,5% erhöht. In 2019 wächst die Produktion an nach biologisch/ökologischen Vorgaben produzierter Milch weiter, nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen EU-Ländern. Das Angebot kommt dem ausgerufenen Nachfrage-Boom" nach Bioprodukten mittlerweile offenbar etwas mehr als entgegen. Und das, obwohl Bio-Molkereien in Deutschland sowie in anderen Ländern (z.B. der Schweiz) keine oder kaum neue Milcherzeuger ("Umsteller") aufnehmen. Spürbar ist dies auch an den schwächeren Milcherzeugerpreisen. Die Entwicklung auf der Nachfrageseite und im Markt, vor allem die vereinbarten Handel zwecks neuer Absatzwege für Biomilchprodukte, werden momentan mit gemischten Gefühlen beobachtet.
1 Langzeitige Entwicklung der Anlieferungsmenge Biomilch
Biomilchproduktion DE

Auch in Deutschland wächst die Biomilchproduktion stark, sie nimmt allerdings einen geringeren Teil an der Gesamtmilch ein, als etwa in Schweden (16%). (Bildquelle: MIV)

Plus 5,2 % im ersten Halbjahr 2019

Nachdem der Zuwachs bei den Biomilchanlieferungen an die Molkereien in Deutschland im Januar 2019 noch bei +2,6% lag, zeigte sich im März laut den vorläufigen Daten der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) wieder ein kräftiges Plus von +6,9% gegenüber der Vorjahreslinie. Im April betrug der Zuwachs +5,5%, im Mai +5,2% und im Juni +6,4%. Die Zuwachsraten für Biomilch in 2019 lagen bis zum Halbjahr damit zwar niedriger als im Vorjahr, aber dennoch im Gegensatz zur konventionellen Milchmenge immer über der Vorjahreslinie 2018.
Insgesamt wurden im ersten Halbjahr 2019 rund 603.743 t Biomilch erzeugt, das entspricht einem Zuwachs von +5,2% gegenüber dem ersten Halbjahr 2018. Die Gesamtmenge an Kuhmilch aus konventioneller Erzeugung summierte sich von Januar bis Juni 2019 auf 15.539.651 t, das ist nach den vorläufigen Zahlen -0,7% weniger als im ersten Halbjahr 2018.
Die entsprechenden Produktionsmengen an Biomilchprodukten entwickelten sich nach den vorläufigen Daten der BLE dagegen in Deutschland uneinheitlich. Während die Produktion von Trinkmilch im ersten Halbjahr um +5,7% zulegen konnte (Jan.-Jun.: insgesamt 192.140 t), ebenso die Herstellung von Käse um +11,4% (Jan.-Jun.: 29.227 t), wurde die Verarbeitung von Biomilch zu Butter gegenüber dem Vorjahr heruntergefahren: - 12,2% auf insgesamt 7.021 t im Zeitraum Januar bis Juni 2019.
Detaillierte monatliche Angaben finden Sie hier auf der Website des BLE.
2 Entwicklung der Anlieferungsmenge Biomilch in 2019
Biomilchanlieferungen 2019

Die Biomilchmenge wächst auch in 2019 weiter. Im Gegensatz dazu lag die Anlieferungsmenge an konventioneller Milch mit Ausnahme vom März im ersten Halbjahr immer unter der Vorjahreslinie. (Bildquelle: BLE)

Schwächere Erzeugerpreise für Biomilch
Die Erzeugerpreise für Biomilch geben seit April 2019 nach, während sie sich im ersten Quartal 2019 im Bundesmittel noch stabil bei 47,5 Cent/kg halten konnten. Im Juli lagen sie zuletzt bei 46,6 Cent/kg. Für das zweite Halbjahr 2019 erwartet der Bioland Verband entsprechend der gewohnten saisonalen Entwicklungen (weniger Milchaufkommen, mehr Nachfrage) wieder ein Anziehen der Preise.

Nachfrageschub dank Discounter-Bio?!

Bio-Milchprodukte für Jedermann - nach der Einführung des EU-Bio-Standards vor über 15 Jahren (Juli 2010) sorgte zuletzt die gezielte Vermarktung von Bio-Milchprodukten mit Verbandslogo (Bioland, Demeter) in die Discounter dafür, dass Bioprodukte auch für Geringverdiener und Menschen mit Bio-Ideologie, aber einer geringen Zahlungsbereitschaft für Lebensmittel, erschwinglich" werden.
Im Situationsbericht von Juni 2019 erklärt der Verband Bioland, dass sich der Absatz von Biomilch-Produkten im ersten Quartal 2019 deutlich erhöht hat. Und zwar habe insbesondere die Kooperationen der deutschen Bio-Verbände mit dem Lebensmitteleinzelhandel (z.B. Bioland mit dem Discounter Lidl) den Bio-Milchlieferanten in Deutschland einen wachsenden Absatz gesichert. Zu Jahresbeginn startete die Kooperation Lidl-Bioland bundesweit im Segment der Milchprodukte. Die Nachfrage von Januar bis März 2019 bei Bio-Konsummilch hat laut den Auswertungen der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft mbh (AMI) um +10% zugelegt, ebenso bei Joghurt und Bio-Butter. Bio-Käse verzeichnete zuletzt Zuwächse in Höhe von +19,5%.
Ob die Bio-Milcherzeuger tatsächlich von diesem, über das Discountergeschäft gesicherten, wachsenden Absatz profitieren, wird kritisch diskutiert. Nicht nur von Landwirten, sondern auch von nachdenklichen Konsumenten. Und zwar dahingehend, dass die Marge des Lebensmittelhandels unverhältnismäßig gegenüber dem Erlös für die Molkereien und vor allem der Landwirte sei. Mit der Aufnahme von Bio-Artikeln können Handelsketten, laut dem Handelsblatt, zumindest bei einem Teil des Sortiments dem Preiswettbewerb in der Branche entkommen und mehr Marge schaffen. So zeige etwa eine Studie der Unternehmensberatung PWC, dass Konsumenten bereit seien, für Bio-Milch im Mittel 56% mehr auszugeben als für konventionelle Milch. Andererseits scheint bei den Handelsmarken in Bioqualität jetzt die Preiskampfmentalität fortgeführt zu werden, die an konventioneller Ware erprobt ist. So wird der Liter Milbona Bio-Vollmilch mit Bioland-Siegel derzeit bei Lidl für 1,09 € gehandelt. Kommuniziert wird von Lidl, dass faire Preise Teil dieser neuen Kooperation mit Bioland sein sollten ...
Verwunderlich ist es da nicht, das Befürchtungen darüber aufkeimen, dass der Schritt aus der Bio-Nische raus in das Standardangebot der Discounter, zu Lasten der gesamten Bio-Milcherzeugerpreise gehen könnte. Es stellt sich die Frage, ob der noch vorhandene Mehrwert der Biomilch so wirklich noch entlohnt wird? Schließlich wird ebenfalls unter dem Bioland-Label erzeugte Milch, beispielsweise unter den Molkereimarken von Söbbeke oder Schwarzwaldmilch, derzeit in anderen gemischten" Lebensmittelmärkten für 1,59 € bis 1,69 € pro Liter gehandelt.
Einen treffenden Kommentar zu diesem Thema von Bauer Willi finden Sie unter folgender Verlinkung: "Lidl und Bioland...ernüchternd".
Die Produktionsweisen gleichen sich immer weiter an
Fakt ist, dass gerade in der Milchkuhhaltung die Unterschiede zwischen konventioneller und biologischer Produktionsweise schrumpfen. Die Haltungsbedingungen unterscheiden sich in modernen Betrieben kaum mehr: die Ställe sind offen, der Platz pro Tier groß, allein aufgrund der dadurch besseren Tiergesundheit und Leistungsfähigkeit, zudem gewähren viele konventionelle Betriebe ihren Kühen Auslauf und Weide. Behandlungen von Tieren mit Antibiotika müssen allein aus wirtschaftlichen Gründen auf das Notwendige begrenzt sein, zudem schränkt die überarbeitete Tierärztliche Hausapothekenverordnung den Einsatz weiter ein. Die gravierenden Unterschiede stecken in der Breite der Betriebe bislang in der Herkunft der Ergänzungsfuttermittel (Kraftfutterkomponenten) und dem Pflanzenschutz sowie Einsatz von Mineraldünger im Anbau der Grundfuttermittel Gras und Silomais. Letztere jedoch werden durch die Ausweitung der GVO-freien Fütterung, (künftigen) Einschränkungen in der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln sowie der verschärften Dünge-VO ebenfalls weiter eingeschränkt. Nicht nur durch Greeningvorgaben, sondern auch klimatisch bedingt müssen konventionelle Betriebe, die sich im Futterbau in der Vergangenheit stark auf Gras und Mais konzentriert haben, ihre Fruchtvielfalt und -folge ausweiten. Der Label-Wald" von Tierschutzmilch etc. beschleunigt den Prozess weiter. Für jeden dürfte zu erkennen sein, welchen Kurs die Politik für die Nutztierhaltung eingeschlagen hat - nämlich einen zu mehr Tierwohl, zu mehr Klimaschutz, zum mehr Biodiversität, zu mehr Wasser- und Bodenschutz und letztendlich zu einer flächengebundenen Tierhaltung.
Grundsätzlich sind das positive Entwicklungen, wenn nicht gerade ein wirtschaftliches Problem für beide Produktionssysteme entstehen würde: Auf der einen Seite bekommen die konventionellen Betriebe trotzt der, aufgrund von höheren Anforderungen, schnell steigenden Produktionskosten kaum bzw. keine höhere/n Milchauszahlungspreise und die höheren Anforderungen entwickeln sich zu einem neuen Standard für konventionelle Milch. Im Handel wird die Milch erst recht nicht teurer. Auf der anderen Seite verringert sich der Mehrwert von Biomilch, vor allem im EU-Bio-Standard. Die Verbände machen sich nicht umsonst schon länger Gedanken darüber, wie sie neue Mehrwerte schaffen. Durch die steigenden Produktionsmengen und den neuen Einzug von Verbands-Bio in die Preispolitik der gemischten" Discounter nimmt der Druck auch auf die Biomilchpreise zu. Das kommt die Frage auf, wo das in Zukunft hinführen mag.

Auch in anderen Ländern mehr Biomilch

In Schweden entwickelt sich die Angebotsmenge an erzeugter Biomilch laut der schwedischen Landwirtschaftsbehörde Jordbruksverket immer weiter weg von der eigentlichen Nachfrage, heißt es in der jüngsten Meldung zur Lage am europäischen Biomilchmarkt Ende August 2019.
Nach den Auswertungen von Jordbruksverket haben die schwedischen Biomilchbetriebe im Jahr 2018 trotz der dürrebedingten Futterknappheit insgesamt 465.000 t und damit 50.000 t bzw. +12% mehr Biomilch erzeugt als im Jahr 2017. Der Anteil der ökologisch erzeugten Milch an der Gesamtmilchmenge in Schweden stieg damit auf über 16% an. Die Verarbeitung und Vermarktung von ökologischen Molkereiprodukten konnten mit dieser expansiven Entwicklung in der Rohmilcherzeugung nicht Schritt halten, bilanzierten die Marktexperten. So konnte die Erzeugung von Biotrinkmilch nur um +1% auf 141.400 t zulegen, die Produktion von ökologischen Rahmprodukten um +10% auf 5.900 t und für Biokäse (insgesamt 1.600 t) verzeichneten die Statistiker sogar ein leichtes Minus.
Unter dem Strich passten Angebot und Nachfrage von Biomilch und ihren Produkten damit im vergangenen Jahr in Schweden nicht zusammen. Auf der Rohstoffseite sei so ein Überangebot aufgelaufen, das sich in sinkenden Erzeugerpreisen für ökologisch produzierte Milch niedergeschlagen habe. Die entsprechend unbefriedigenden Auszahlungspreise für Biomilch aus 2018 haben laut der Behörde aber zu einer Angebotsreaktion geführt: In der ersten Jahreshälfte 2019 soll die Biomilcherzeugung in Schweden nicht mehr über der Vorjahreslinie gelegen haben.
Höhere Zuwächse verzeichnen derweil auch weitere EU-Länder. So habe Frankreich in der Anlieferung in den ersten drei Monaten 2019 um +16% zugelegt. Im stark auf den Export angewiesenen Dänemark lagen die Zuwächse in den ersten drei Monaten 2019 bei knapp +10%. Laut dem Bioland Verband berichteten Marktbeteiligte im Umkehrschluss im ersten Halbjahr 2019 von großen Milchmengen, die im EU-Bio-Standard angeboten werden. Diese Milch stamme überwiegend aus Österreich und Dänemark. Die Kontraktabschlüsse bei den Handelsmarken mit EU-Bio-Milch standen daher unter Druck. Auch die Preise für am Spotmarkt gehandelte Milch haben diese Situation laut dem Verband widergespiegelt.
Quellen: u.a. AgE, Handelsblatt, Bioland, Lidl, BLE, AMI


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