Was passiert 2020 am Milchmarkt?

Ein Rückblick auf die Entwicklung der Milcherzeugerpreise in 2019 und ein Ausblick für 2020, den die Milchmarktexperten ähnlich angehen wie vergangenes Jahr. Witterung und Brexit bleiben ein Thema, doch auch anderes ist bedenkenswert.

Vor dem Ausblick für das neue Jahr zunächst ein Rückblick auf das Jahr 2019, das Jahr der sich minimal entwickelnden Milchpreise.
33,5 Cent im bundesweiten Jahresdurchschnitt
Die mittleren Milchauszahlungspreise in Deutschland haben sich in 2019 das zweite Jahr in Folge leicht fallend entwickelt.
  • Im Jahresdurchschnitt 2019 dürfte sich der Auszahlungspreis für konventionelle Standard-Milch* im Bundesmittel in etwa auf 33,5 Cent/kg belaufen.
  • Ausgeblieben ist der saisontypische Anstieg der Auszahlungspreise zum Monatswechsel Juni-Juli; erst im September erfolgte eine minimale Steigerung von im Bundesmittel 0,10 Cent pro kg.
  • Dabei lag das Milchaufkommen bis Oktober unter dem Vorjahresniveau. Der Mittelwert für den Zeitraum Januar bis Oktober 2019 zeigt eine Unterschreitung zum Vorjahr um -0,4%.

In 2018 waren im Bundesmittel laut den Auswertungen der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) 34,4 Cent gezahlt worden und im Jahre 2017 waren es 36,2 Cent (siehe Grafik am Ende des Textes).
*mit 4,0% Fett und 3,4% Eiweiß, ab Hof, ohne MwSt., einschließlich Nachzahlung
Laut den Experten der Zentrale Milchmarkt Berichterstattung GmbH (ZMB) ist der Preisrückgang auf die schwächeren Erlöse für Milchfett zurückzuführen. Diese konnten auch nicht durch die Verbesserungen bei anderen Produkten, insbesondere bei Magermilchpulver, kompensiert werden.
Auch Bio-Milchpreise unter Vorjahresniveau
Auch die Erzeugerpreise für Bio-Milch haben im Vergleich zum Vorjahr leicht nachgegeben. Sie werden die 48,5 Cent pro kg Milch aus dem Bundesmittelwert 2018 nicht erreichen können, sondern nur knapp unter 48,0 Cent liegen (siehe Grafik am Ende des Textes).
Hier sehen Marktexperten die Ursachen in dem weiterhin stark steigenden Milchaufkommen. Dieses überschritt die Vorjahresanlieferung an die deutschen Bio-Molkereien im Zeitraum Januar bis Oktober 2019 um +6,1%. Der Höhepunkt wurde im August mit +9,5% Mehrmilch erreicht, sodass auch am Biomilchmarkt die saisonaltypische Preisentwicklung nicht so ganz passte.
Die stark wachsenden Milchmengen zeigen, dass Bio keine Nische mehr ist. Und entsprechend wächst der Druck, neue Absatzwege zu schaffen. Ebenfalls absolut nicht zu unterschätzen ist am Biomilchmarkt der Preisdruck aus dem europäischen Ausland. Immerhin werden gut 30% der in Deutschland verarbeiteten Milch nach EU-Bio-Standard aus EU-Nachbarländern importiert. Insbesondere aus Dänemark und Österreich.
Bedenkenswert: Kostenunterdeckung und Klimawandel
Auswertungen des Büros für Agrarsoziologie und Landwirtschaft (BAL) zeigten vor Kurzem, dass im Mittel auch bei den Biomilcherzeugerbetrieben die Milcherlöse nicht die Produktionskosten decken können. Und zwar in einem Ausmaß von 25%-Unterdeckung im Mittel der letzten fünf Jahre. Diese Niveau entspricht der Kostenunterdeckung für konventionelle Milch ziemlich genau (gut 22%-Unterdeckung im Mittel der letzten 10-Jahre).
Demnach sind bei all den Unterschieden zwischen konventioneller und ökologischer Produktion unterm Strich alle Milcherzeuger mit einer signifikanten Kostenunterdeckung konfrontiert. Das Jahr 2019 wird, angesichts der geringeren Milchpreise und dem zweiten Dürresommer in Folge, nicht zu einem besseren Ergebnis beitragen.
Die Witterung wird im Zuge des Klimawandels zu einer sehr unberechenbaren Einflussgröße am EU-Milchmarkt - das haben auch die Milchmarktanalysten erkannt und in ihre Prognosen für 2020 einbezogen.

Aussichten für 2020 erstmal stabil

Für das kommende Jahr 2020 rechnen die ZMB-Experten in Deutschland mit einem stabilen Milchaufkommen. Zur Ausweitung der Milcherzeugung wird es bei reduzierten Milchkuhbeständen (Jahrzehnt-Tiefstand im Mai 2019 erreicht, mit 4,067 Mio. Milchkühen; - 2,4% zu 2018) und strengeren Auflagen durch die Düngeverordnung voraussichtlich nicht kommen. Auch die regional knapp bemessen Futtervorräte werden kaum ein Wachstum der Herden im ersten Halbjahr 2020 zulassen. Was zum zweiten Halbjahr 2020 passiert, ist abhängig von der Witterung im kommenden Vegetationszeitraum.
Die Exportmöglichkeiten für Milchprodukte erwiesen sich 2019 als robust. Diese Entwicklung dürfte sich laut den Marktexperten 2020 fortsetzen. Die protektionistischen Tendenzen in einigen Ländern und der geplante Brexit könnten, je nach Auslegung, den globalen sowie den innereuropäischen Handel allerdings in einem bislang unberechenbarem Ausmaß durcheinanderbringen.
Entsprechend diesen Erwartungen können die deutschen Milcherzeuger sowie die gesamte Milchbranche zu Beginn der neuen 20er-Jahre auf ein stabiles Marktumfeld hoffen, das einen leichten Anstieg der Milcherzeugerpreise ermöglichen könnte" - schließen die Marktbeobachter der ZMB.
Bedenkenswert: Viel Standard, der im Export keine Rolle spielt
Mehr als die Hälfte der in Deutschland erzeugten Milch wird bis dato mit den EU-Nachbarländern sowie Drittländern gehandelt. Molkereigebunden von deutschen Milcherzeugern geforderte Auflagen zu Tierwohl und gentechnikfreier Fütterung aber auch gesetzliche Produktionsauflagen (z.B. zur Düngung, Silagelagerung) spielen in vielen dieser Exportländern kaum eine Rolle. Heißt, sie werden von ihnen im Milchpreis nicht honoriert. Dies sollten sich auch Politik und NGOs dringend vor Augen führen. Wandel und Optimierung sind wichtig, genauso wichtig ist es aber auch, Zeit zu haben, um diese vernünftig, also wirtschaftlich tragbar, in den Betrieben etablieren zu können. Das geht nicht, wenn jedes Jahr verschärft" wird. Da kommen übrigens selbst die kontrollierenden Instanzen auch kaum mit.
Gleichzeitig führt die in Deutschland seitens der Verbraucher bzw. des Lebensmittelhandels geforderte Produkt-Differenzierung zu steigenden Kosten - sowohl bei den Milcherzeugern als auch bei den Molkereien. Wer trägt diese Mehrkosten? Der Verbraucher bislang nicht, der Lebensmittelhandel nicht, die Molkereien zum Teil und die Milcherzeuger vermutlich zum größten Teil. So klingt es hart, aber wenig überraschend, was der Managing Director von FrieslandCampina, Jan Kruise, jüngst aussprach: Der Strukturwandel wird sich fortsetzen". In 2019 war die Zahl der Haltungen von Milchkühen gegenüber dem Vorjahr um -4,5 % auf 61.087 Kühe gesunken. Dabei waren in allen Größenklassen Rückgänge festzustellen und erstmals auch bei den Haltungen mit mehr als 100 Kühen.
Was im Umkehrschluss aber auch heißt: Die Herdengröße allein macht die Wirtschaftlichkeit im Milchkuhbetrieb nicht aus. Und damit hat jeder eine Chance, seine Nische in der großen Produkt-Differenzierung am Milchmarkt zu finden.
1 Entwicklung Milchpreise (bio und konventionell) 2019 und Vorjahre
Entwicklung der Auszahlungspreise für Bio- und konventionelle Milch in 2019 und in den Vorjahren.

Das Jahr 2019 zeichnete sich in der Milchpreisentwicklung durch einen ungewohnte Stabilität aus. Der saisontypische Anstieg mit dem Schritt in das zweite Halbjahr fiel aus und setzte später und schwächer ein, als aus den Vorjahren gewohnt. (Bildquelle: Bioland)

Quellen: ZMB, AMI, BLE, Bioland, MIV


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