Tag des Milchviehhalters Iden

Schwergeburten besser handhaben

Schwergeburten machen nicht nur eine Menge Arbeit, sondern haben oft unterschätzte Langzeitfolgen. Wir klären, woran das liegt und wie man dagegen vorgeht.

Die Totgeburtenrate schwankt zwischen den Ländern extrem: Es geht von 2,0 % bei Kühen in Norwegen (3,0% bei Färsen) bis hin zu 8,0% (Kühe) bzw. 12,1% (Färsen) in den USA – im Durchschnitt! Deutschland liegt irgendwo dazwischen. Doch wo liegt die Hauptursache für Totgeburten?

In einer Studie in einem ostdeutschen Milchviehbetrieb kamen knapp 10 % der Kälber tot zur Welt. Das störte die Verantwortlichen und gemeinsam mit Tierärzten der TiHo Hannover wollten sie in einer Doktorarbeit den Ursachen auf den Grund gehen. Und siehe da – allein dadurch, dass jede Geburt zu Studienzwecken begleitet wurde, sank die Totgeburtenrate innerhalb eines Jahres von 9,3% auf 3,4%. 

Natürlich ist eine solche Geburtsüberwachung immer auch ein Kompromiss zwischen Personalkosten und Tiergesundheit. Aber sie zeigt, was möglich ist und wieweit allein die Kosten ein Argument sein können, Totgeburten zu akzeptieren!

Totgeburten und Verletzungen sind nur die Spitze des Eisbergs. Eine lange Austreibungsphase und intensive Zughilfe bei einer Schwergeburt sorgen für Sauerstoffmangel beim Kalb: Kohlendioxid, das bei der Energiegewinnung im Gewebe entsteht, kann über die Nabelschnur nicht abgegeben werden. Das Kalb bekommt eine Blutazidose. Beginnt das Kalb während der Austreibung bereits zu atmen, gelangt Fruchtwasser in die Lunge. Dort behindert sie den Gasaustausch und führt zu Durchblutungsstörungen. Durch die folgende Azidose, werden die Nervenzellen im Gehirn geschädigt. Schwergeborene Kälber zeigen eine Trinkschwäche, nehmen weniger Kolostrum auf und sind mit Antikörpern unterversorgt. Nachfolgenden Erkrankungen wie Durchfall oder Atemwegserkrankungen öffnet eine solche Immunschwäche Tür und Tor.

Geburt und Erstversorgung „managen“

Um Schwergeburten möglichst vorzubeugen, können Sie neben der Wahl des Vererbers auch im akuten Fall systematisch an die Sache herangehen:

  • Kühe richtig vorbereiten: Eine zu hohe (enge Geburtswege) oder zu niedrige (mehr Lahmheiten, wenig „Kraft“) Körperkondition erschwert einen gesunden Start ins Leben. Selektieren Sie die Kühe in der Trockenstehergruppe vor (Herdenmanagement-Software) und nehmen Sie die Tiere mindestens (!) einmal wöchentlich genau unter die Lupe.
  • Geburtshilfe in festen Abläufen: Zeigt die Kuh deutliche Geburtsanzeichen wie einen zu 90° abgehaltenen Schwanz, eine sichtbare Fruchtblase, blutigen Schleim oder presst sie bereits mit den Bauchmuskeln? Untersuchen Sie erst dann vaginal mit einem sauberen (!) Arm oder Handschuh auf die Öffnung des Muttermundes, Sichtbarkeit der Fruchtblase, Lebenszeichen beim Kalb sowie dessen Lage, Stellung und Haltung.
  • Zughilfe begrenzen: Müssen Sie eingreifen, dann ruhig und mit Bedacht. Zug mit „allem, was man hat“ schädigt die Wachstumsfugen des Kalbes und kann die Beine schlimmstenfalls sogar brechen, ganz zu schweigen von den Verletzungen der Kuh. (Und, wenn es zu Brüchen kommt: sorgen Sie für eine tierärztliche Versorgung – das sind Sie Ihrem Kalb schuldig!)
  • Kalb versorgen: Ist das Kalb da, saugen Sie noch vorhandenen Schleim ab (z.B. mit einem Kälberretter) und legen Sie das Kalb in Brustlage. Das sorgt für eine optimale Lungenentfaltung. Den Nabel unmittelbar nach der Geburt von außen mit Chlorhexidin oder Jod behandeln. Denn durch die Anatomie des Nabels besteht das Risiko, dass eine Entzündung der äußeren Nabelteile leicht in andere Organe aufsteigt. Das kann schlimme Folgen haben – hier unbedingt auf Hygiene achten!

 

Nabel

Aufbau des Nabels, Quelle: Starke (Bildquelle: Elite Magazin)

Bei der Kontrolle der abgekalbten Kühe achtet Prof. Starke auf folgende Punkte:

  • Gibt es eine weitere Frucht im Mutterleib?
  • Hat die Geburt Verletzungen im Geburtskanal hinterlassen?
  • Ist die Nachgeburt abgegangen?
  • Erfassung der Körpertemperatur
  • Kontrolle der Milch (Milchabflussstörungen, Sekretveränderungen, Milchmenge)
  • Überwachung der Futteraufnahme
  • Kotkontrolle
  • Harnabsatz
  • Kann das Tier aufstehen?
  • Bewegungsablauf (Lahm? Unter der Geburt im Rücken verletzt?)
  • Körperhaltung
  • Puerperalkontrollen.


Viel Erfolg! 

 


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