Trügerische Ruhe

Trotz Dürre, niedriger Futtererträge und deutlich steigender Produktionskosten ist die Futterknappheit aktuell öffentlich kaum Thema. Die scheinbare Ruhe trügt.

Das Thema Grundfutterknappheit ist aus den Schlagzeilen verschwunden. Zurzeit kann das Gros der Milchkuhbetriebe die Kühe ausreichend gut ausfüttern. Die Winterrationen sind mit den vorhandenen Vorräten geplant und entsprechend der Grundfutterqualitäten eingestellt. Das bedeutet aber nicht, dass sich das Problem knappes Grundfutter aufgelöst hat!
Neben der Tatsache, dass die Grundfutterqualitäten oft schlechter ausfallen, lassen Futterplanungen auf einigen Milchkuhbetrieben vermuten, dass es zum frühen Frühjahr eng werden kann, mit den Grundfuttervorräten. Neben schlechteren Silomaiserträgen und -qualitäten sind häufig die Grassilagen Mangelware, da der 2. und/oder 3. Schnitt in 2018 knapp oder ganz ausgefallen sind.
Milcherzeuger, Berater und Tierärzte berichten, dass sich die Situation in den einzelnen von der Sommerdürre betroffenen Regionen sehr unterschiedlich darstellt:
Während manche Milchkuhhalter noch auf Reserven aus dem Vorjahr zurückgreifen konnten, mussten andere bereits zur Ernte zukaufen. Letzteres bedeutet im Umkehrschluss, dass zu den ohnehin schon höheren Kosten für Ausgleichsfutter (Aufschlag allein hier ca. + 1,5 bis 2 Cent/kg Milch) aufgrund der minderen Grundfutter-Qualitäten, hier mit einem Anstieg der Produktionskosten zu rechnen ist! Die höheren Produktionskosten belasten die Finanzkraft der Betriebe deutlich. Das zeigen aktuelle Zahlen von CRIF Bürgel, einem der führenden Dienstleister für Bonitätsinformationen in Deutschland. Demnach ist die Zahl der insolvenzgefährdeten landwirtschaftlichen Betriebe von August bis November 2018 um 11,1 % gestiegen.
Viele Milcherzeuger sind besorgt. Vor allem Weidebetriebe sehen sich zunehmend mit dem Rücken an der Wand, denn sie waren im Sommer 2018 gezwungen, mehr als üblich zuzufüttern und zwar mit den eigentlich für das Winterhalbjahr eingeplanten Grundfuttervorräten.
Alle von der Futterknappheit betroffenen Milcherzeuger sind auf einen frühen phänologischen Frühlingsbeginn in 2019 angewiesen, um zeitig den ersten Schnitt im Ackerfutter/Grünland nutzen zu können. Ob dies witterungstechnisch gelingen kann, bleibt allerdings noch mindestens vier Monate ungewiss!
So gehen einige Fütterungs-, Grünlandberater und Landwirte davon aus, dass es noch verdammt knapp" werden kann, mit der Grundfutterversorgung Anfang 2019! Sie raten Milcherzeugern weiterhin ihren Verbrauch an Grundfutter scharf im Blick zu behalten, um ggf. zeitnah entgegensteuern zu können. Zu oft werde der Verbrauch unterschätzt!
Eine einfache, aber wirksame Maßnahme aus der Praxis, um den Verbrauch zu überschlagen: Mit Sprühfarbe an den Fahrsilowänden oder der Bodenplatte, den Stand der Silage, die gerade gefüttert wird, mit Strich und Datum markieren und den gemessenen Vorschub einer Woche oder eines Monats vorausrechnen.

Milchmenge nur knapp unter Vorjahr

Auf dem Milchmarkt ist das Thema Futterknappheit allem Anschein nach noch nicht angekommen. Diese Schlussfolgerung lässt sich zumindest aus den Ergebnissen der jüngsten Preisabschlüsse mit dem Lebensmittelhandel und den aktuellen Marktpreisen ableiten. Zwar unterschreitet die Milchmenge weiterhin das Vorjahresniveau – für konventionell erzeugte Kuhmilch zuletzt in der Woche zum 11. November 2018 um 1,0 % – allerdings scheint dies im normalen Schwankungsbereich. Der saisonale Tiefpunkt für dieses Jahr könnte aber erreicht sein, schätzen Marktexperten, denn zumindest regional ist das Milchaufkommen in den letzten zwei Wochen wieder leicht ansteigen.
Am Markt für Biomilch wird das Vorjahresniveau weiter um über 10 % überschritten, die Anlieferungsmengen sind jedoch seit Februar rückläufig und vor allem im August und September deutlich zurückgegangen. Das berichtet der Bioland Verband in seiner monatlichen bundesweiten Milchpreisauswertung (siehe hier).
Auf Seite der Molkereien schaut man aber kritisch auf die Entwicklung des Milchangebots. So schätzte der Vorsitzende des Milchindustrieverbands (MIV) Peter Stahl unlängst auf der Jahrestagung des Milchindustrie-Verbandes e.V. (MIV) in Berlin, dass sich die Auswirkungen der Dürre erst in den nächsten Monaten mit fortschreitender Winterfütterung der Kühe deutlicher abzeichnen werden.

Zu große Aufregung um den 2. Biomilchpreis?

Aufgrund der Dürre mussten einige Bio-Milcherzeuger Grundfutter aus konventioneller Produktion zukaufen. Die EU hat dies über eine Ausnahmeregelung genehmigt. Demnach darf Milch von Bio-Kühen, die im Antragsfall eben teilweise konventionelles Futter fressen, nach der EU-Öko-Verordnung trotzdem weiterhin als bio vermarktet werden.
Die Genossenschaftsmolkerei Arla hatte sich daraufhin entschlossen, die Milch von ihren Biobetrieben, die im Notfall auf konventionelle Komponenten zugreifen müssen, konventionell zu verarbeiten und drei Cent vom Biomilchbasispreis abzuziehen. Das hatte in der Milchbranche für Aufregung gesorgt.
Wir haben nachgefragt, wie viele Arla Biobetriebe bisher von der Ausnahmeregelung Gebrauch machen müssen. Laut dem Unternehmenssprecher von Arla Deutschland, Markus Teubner, nutzt in Deutschland bisher keiner der Arla-Landwirte die von der EU getroffene Ausnahmeregelung. Anträge wurden zwar einige vorbeugend gestellt, aber bisher nicht in Anspruch genommen.
Europaweit seien es bisher nur zwei schwedische Arla-Bio-Milcherzeuger, die von der Sonderregelung tatsächlich Gebrauch machten. Grundsätzlich hatten europaweit nur sehr wenige Arla-Landwirte einen Antrag für die Ausnahmeregelung gestellt. In Deutschland hat Arla 93 Bio-Betriebe, europaweit sind es 989.
"Die geringe Zahl zeigt, dass die Landwirte, die ihre Milch an uns liefern, weiterhin zurechtkommen und bisher nicht auf konventionelles Futter umsteigen mussten. Somit ist das Thema bis dato nicht zum Tragen gekommen und hat sich bislang nicht auf die produzierte Biomilchmenge bei Arla ausgewirkt, erklärt Teubner. Doch auch bei Arla bleibe der Blick gespannt auf die Entwicklung in den kommenden Wochen und Monaten gerichtet.
Quelle: eigene Recherchen, AgE, MIV, Arla