Tierwohlvorgaben für Rinderhaltung nicht notwendig?

Immer wieder gelangen teilweise extrem brutale Videoaufnahmen oder Fotos aus der Nutztierhaltung in die Medien, auch aus der Milchviehhaltung. Die Aufnahmen zeigen zwar Ausnahmesituationen, an der Tatsache lässt sich aber nicht rütteln. Derzeit wird viel darüber diskutiert, ob Programme wie QM-Milch tatsächlich ausreichen, um solche „Negativ-Taten“ zu unterbinden, oder ob Tierwohlvorgaben weiter dazu beitragen könnten.

In dieser Woche verwies das Informationsportal Animal-Health-Organisation (aho) auf die Videodokumentation des US-amerikanischen Tierschutzverbands „Mercy for Animals“. Diese zeigt einen grausamen, völlig abgestumpften und gefühlslosen Umgang mit den Kühen einer Farm in Wisconsin. Dort wurden Kühe anscheinend regelrecht durchgeprügelt, bis hin zu schweren blutigen Verletzungen, festliegende Tiere mit dem Hoftrack am Hals aus dem Stall gezogen oder an einer Beckenklammer baumelnd hinaus gefahren, Kälber achtlos behandelt. Teample Grandin, Tierschutzberaterin des US-Landwirtschaftsministeriums, beurteilte das, in den Aufnahmen gezeigte, Verhalten des Stallpersonals als schwere Tierquälerei. Auf der Farm werden fast 5.000 Kühe gemolken, die täglich rund 130.000 kg Milch produzieren. Ein Fall aus den USA – doch Tierschützer vermuten, dass derartige Missstände auch hier in Europa „hinter verschlossenen Stalltüren“ vorkommen können.
Selbstkontrolle für verantwortliche Milcherzeugung
Der Deutsche Bauernverband stellt derweil in Gesprächen mit Vertretern verschiedener europäischer Institutionen in Brüssel heraus, dass „die Milchbauern heute in ihren Ställen nachhaltig und tierwohl-konform arbeiten“. Gesichert sei dies durch vielfältige Eigeninitiativen, wie etwa das Qualitätsmanagementsystem QM-Milch. Daher bedarf es nach dem DBV auch keiner neuen gesetzlichen Regelungen zu Nachhaltigkeit und Tierwohl im Milchviehbereich. Hintergrund der Gespräche war die Diskussion um eine Brüsseler Tierschutzrahmenlinie, die voraussichtlich 2015 weiterentwickelt werden soll. Im QM-Milch-Kriterienkatalog wird unter Punkt 1 die Gesundheit und das Wohlbefinden der Kühe, von denen Milch als Lebensmittel gewonnen wird, abgefragt und überprüft. Die Teilnahme am QM-Milch-System ist nicht gesetzlich verpflichtend, sie wird molkereigebunden von den Lieferanten gefordert oder erfolgt freiwillig. Auch wenn QM-Milch „nur“ eine Form der Selbstkontrolle sei, die verantwortungsbewusste Milcherzeuger annehmen, befinde sich nach Angaben von Europaabgeordneten, Elisabeth Jeggle und Albert Deß, der Berufsstand „auf dem richtigen Weg. Müsse aber noch mehr in Gesellschaft und Politik über diese vielfältigen berufsständig getragenen Aktivitäten zur Sicherung von Nachhaltigkeit und Tierwohl informieren.“
Kritiker bemängeln indess, dass weniger verantwortungsbewusste Milcherzeuger die Teilnahme an berufsständig getragenen Systemen wie QM-Milch jedoch durchaus verweigern können. Eine regelmäßige Überprüfung der Betriebe vor Ort würde dann unwahrscheinlich werden, unsachgemäßes Handeln kaum mehr festzustellen sein.
Ob eine gesetzliche Regelung hier Abhilfe verschaffen würde sei in Frage gestellt. Fakt ist, dass das Thema Tierwohl auch an der Milchviehbranche nicht vorbeigehen wird, in welchem Ausmaß ist nicht sicher. Aber wer wenig Angriffsfläche bietet, kann auch nicht viel verlieren. Ein schwieriges Thema, mit dem wir uns auch in dem Januar-Heft 1/2014 der Elite beschäftigen werden.