Täglich 56.000 Liter Milch in die Güllelagune

Die Kontaminierung der Brunnen mit hochgiftigen Substanzen durch die Luftwaffe zwingt einen Milchfarmer in den USA dazu, seine 2.000 Kühe und die Nachzucht einschläfern zu lassen – sofern nicht noch ein Wunder geschieht.

Jeden Tag müssen Renee und Art Schaap, die Inhaber der Highland Dairy Milchfarm in Clovis im US Bundesstaat New Mexico rund 56.000 Liter Milch wegschütten. Einen Großteil ihrer 40 Mitarbeiter hat das Ehepaar bereits entlassen müssen. Jetzt müssen sie wohl auch ihre 4.000 Milchkühe und Rinder euthanisieren (nottöten), denn einige Brunnen der Farm sind mit hochgiftigen Chemikalien verseucht.
Der Albtraum begann im vergangenen Sommer. „Die Luftwaffe ist letzten August herübergekommen und wollte unsere Brunnen überprüfen“, erinnert sich Art Schaap. Nach einem Monat wurde die Familie dann darüber unterrichtet, dass die Luftwaffe gedenkt, sie mit externen Wasser zu versorgen. Schaap's wurde mitgeteilt, dass in ihrem Brunnenwasser PFAS in sehr hohen Konzentrationen nachgewiesen wurde. Die zulässigen Grenzwerte wurden um das 170-fache überschritten! Die Giftstoffe stammen vom nahegelegenen Luftwaffen-Stützpunkt. Dort wird seit den 70iger Jahren bei Übungen ein Löschschaum eingesetzt, der Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) enthält.
Das Wasser aus den farmeigenen Brunnen wurde zur Versorgung der Rinder und Kühe sowie zur Bewässerung der Anbauflächen in der trockenen Region genutzt. Somit haben Pflanzen und Tiere diese hochgiftigen Substanzen aufgenommen und auch wieder abgegeben. Dadurch konnten sich die Giftstoffe auf dem 1.450 Hektar umfassenden Farmgelände ausbreiten.

Das kontaminierte Wasser wurde auch zur Beregnung der Futterflächen genutzt. (Bildquelle: network)

Art Schaap reagierte sofort, er schloss die kontaminierten Brunnen und ließ bei einigen Tieren seiner Herde Blutproben ziehen und sandte diese an den Food Safety Inspection Service (FSIS). „Ich habe zudem die New Mexico Food and Drug Administration gebeten, meine Milch zu untersuchen.“ Ergebnis: Die Behörde fand mehr als doppelt so hohe Werte wie von der Bundesregulierungsbehörde empfohlen.“
Seit dem 30. Oktober 2018 lässt Art Schaap nun die Milch der 2.000 melkenden Kühe in die Güllelagune laufen. Über 1.000 Färsen werden auf der Farm noch gefüttert, allerdings ohne Hoffnung, sie jemals verkaufen zu können. „Die Kühe und Rinder leben, sie atmen und fressen“, erklärt der Milchfarmer. „Ich kann die Milch nicht verkaufen, ebenso wenig kann ich das Rindfleisch vermarkten, denn die Schlachthöfe nehmen mir die Tiere nicht ab. Ich werde voraussichtlich alle Tiere einschläfern lassen müssen.“

Nur 75 % der Verluste werden erstattet

Die wirtschaftlichen Einbußen für die Familie sind enorm. Zwar kann die Familie aus einem Fond (Dairy Indemnity Payment Program) des Landwirtschaftsministeriums (USDA) 75 Prozent des entgangenen Milcheinkommens als Nothilfe beantragen, allerdings muss das Geld zurückgezahlt werden, sobald der Schaden behoben ist. Auch die Tierverluste sollen zunächst aus dem gleichen Fond entschädigt werden, aber auch nur zu 75 Prozent des durchschnittlichen Marktwerts. Die Nothilfe reicht bei weitem nicht aus, um die Milchfarm am Leben zu erhalten zu können. Deshalb haben die Rechtsanwälte der Familie sowohl gegen die Luftwaffe als auch gegen die Hersteller der Chemikalie PFAS Klage erhoben.
Auf die Frage, wie sie ihre Zukunft planen, verschränkt Art Schaap die Arme und schweigt zunächst lange. Schließlich antwortet er. „Ich habe mein ganzes Leben für diese Milchfarm gearbeitet. In diesem Augenblick ist sie null Dollar wert. Unsere komplette Altersversorgung ist somit über Nacht weggebrochen.“
Dem Ehepaar bleibt nur die Hoffnung, dass doch noch ein Teil der Herde gerettet werden kann und dass sie gesund bleiben. Einen winzigen Hoffnungsschimmer, wenigstens einen Teil der Herde doch noch retten zu können, haben Renee und Art Schaap noch. „Wir versuchen einige Tiere mit nicht kontaminiertem Wasser zu versorgen und hoffen, dass PFAS langsam aus ihren Körpern ausgeschwemmt wird.“ Das Problem ist jedoch, dass die „sauberen“ Brunnen auf der Farm nicht genügend Wasser zur Versorgung des gesamten Viehbestands bereitstellen. Leider ist die Luftwaffe nicht bereit, die Milchfarmer hier zu unterstützen. „Wir haben die Luftwaffenbasis gebeten, unsere Kühe mit Wasser zu versorgen, die Militärs lehnten aber ab“, kritisiert Schaap. „Sie erklärten, dass sie Wasser nur für den Hausgebrauch liefern dürften, nicht jedoch zur Versorgung der Rinder und Kühe. Dazu fehle ihnen die Befugnis.“
Art Schaap versucht zudem gerade herauszufinden, welche Anbauflächen bzw. Pflanzenaufwüchse nicht kontaminiert sind. Schließlich wurden nur etwa 50 Prozent der Fläche der Farm mit PFAS-haltigem Wasser bewässert. Mittlerweile hat das FSIS sich bereit erklärt, 30 Rinder zu übernehmen um zu testen, wie lange es dauert, bis PFAS deren Körper wieder verlässt. Auch Fleischproben sollen untersucht werden.
Dass das Gift wieder ausgeschieden wird, darauf vertraut auch das Ehepaar. Zwar sind die Auswirkungen von PFAS-Vergiftungen auf die Gesundheit sind noch weitgehend unbekannt, doch als mögliche Komplikationen werden verschiedene Krebsarten, Colitis ulcerosa, Schilddrüsenerkrankungen und veränderte Hormonspiegel (Unfruchtbarkeit) diskutiert. „Ich bin ein optimistischer Mensch“, erläutert Renee Schaap. „Ein Arzt sagte uns, dass wir das Gift irgendwann aus unserem Körper ausscheiden werden. Leider gibt es keine Studien, die aufzeigen, wie lange der Prozess dauert.“ Aktuell liegt die PFAS-Konzentration im Blut des Ehepaares acht- bis zehnmal über dem Grenzwert. Renee und Art Schaaps werden sich deshalb immer wieder testen lassen müssen.
Zwei Videos zu der Farm bzw. der Geschichte finden Sie hier und hier

Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen

PFAS gelten als in der Natur nicht abbaubar. Sie werden daher als langlebige organische Schadstoffe eingestuft. PFAS sind Bestandteil von Feuerlöschschäumen, die seit den 1970er-Jahren von der Air Force Base eingesetzt werden. PFAS werden in feuerhemmendem Schaum verwendet, um Flammen zu ersticken. Die Chemikalien machen den Löschschaum widerstandsfähig gegen Fett, Wasser, Schmutz und Hitze, wodurch er sich zum Löschen von brennenden Düsenjets eignet.
Laut Medienrecherchen wurde in den USA an 121 Militärstandorten eine Kontamination im Boden mit PFAS festgestellt. Mindestens 564 Trinkwasser-Entnahmestellen in der Umgebung der Luftwaffen-Stützpunkte übersteigen demnach die von der EPA festgelegten Grenzwertempfehlungen.