1. Rechtzeitig in eine saubere Abkalbebox umstallen, deutlich bevor die ersten Geburtsanzeichen auftreten. Sind die Vorderbeine bereits sichtbar, hat die Geburt schon begonnen und ein Umstallen würde den normalen Geburtsverlauf unterbrechen.
2. Regelmäßig die Geburt überwachen, sobald deutliche Geburtsanzeichen festzustellen sind. Damit die Kuh nicht unnötig gestresst wird, sollte die Überwachung möglichst unauffällig erfolgen.
3. Dokumentieren Sie den Geburtsverlauf, vom Beginn an bis zum Ergebnis. So kann auch selbst bei einem Schichtwechsel jeder nachvollziehen, wie die Geburt bisher verlaufen ist und wie lange sie schon dauert. In großen Betrieben kann so die Geburtsüberwachung durch den Herdenmanager oder den Tierarzt kontrolliert werden.
4. Die Dauer einer normalen Geburt sollten Sie kennen. Vom Blasensprung bis zum Durchtreten des Kopfes sollten bei Kühen nicht mehr als ein bis drei Stunden und bei Färsen höchstens vier bis sechs Stunden vergehen (Aufweitungsphase). In der anschließenden Austreibungsphase sollten das Kalb nach 10 bis 15 Minuten geboren sein, nachdem der Kopf durch die Scham durchgetreten ist. Sobald diese Zeiten überschritten werden oder der Geburtsvorgang ins Stocken kommt, ist eine vaginale Untersuchung und ggf. Geburtshilfe notwendig. Da jede Untersuchung die Aufweitungsphase unterbricht, sollte nie ohne Grund untersucht werden. Denn so kann schnell aus einer normalen Geburt eine Schwergeburt werden. Außerdem stellt jede vaginale Untersuchung ein erhebliches Hygienerisiko dar.
5. Richtig und sauber untersuchen: Für die geburtshilfliche Untersuchung sollte die Kuh zunächst fixiert und ihr Schwanz ausgebunden werden. Anschließend sollte die Genitalregion gründlich mit Wasser und einer hautverträglichen Desinfektionslösung gereinigt werden. Reinigen Sie Ihre Hände und Arme gründlich und tragen Sie saubere Kleidung und Einmalhandschuhe. Durch ein unsauberes Vorgehen bei einer vaginalen Untersuchung können Keime in den Genitaltrakt eintreten und eine Gebärmutterentzündung auslösen.
6. Verwenden Sie viel Gleitgel, um den Öffnungsgrad des Muttermundes sowie Lage, Stellung und Haltung des Kalbes zu untersuchen. Außerdem sollten Sie hier auf Lebenszeichen des Kalbes achten und darauf, ob die Gebärmutter verdreht ist. Reichlich Gleitgel schützt die weichen Geburtswege und das Kalb, manchmal macht es einen Auszug erst möglich.
7. Fachgerecht ziehen: Ziehen Sie nur bei Vorder- oder Hinterendlage, oberer Stellung (Rücken des Kalbes zeigt zum Rücken der Kuh) und gestreckter Haltung des Kalbes aus. Stellungs- und Haltungsanomalien sollten zunächst an der stehenden Kuh berichtigt werden. Beim Ausziehen beide Gliedmaßen des Kalbes mit jeweils einer Geburtskette oberhalb der Fesselgelenke fixieren. Die Ketten sollten dabei auf der Beugeseite der Gelenke verlaufen. Alternativ können auch Geburtsstricke verwendet werden.
- Befindet sich das Kalb in der Vorderendlage, sollte beim Einzugsversuch in das mütterliche Becken wechselseitig an den Ketten gezogen werden. Dies sollte am stehenden Tier und mit der Kraft von nur einer Person erfolgen, ein mechanischer Geburtshelfer sollte nicht verwendet werden. Bei Hinterendlage sollte gleichzeitig an beiden Ketten gezogen werden.
- Üben Sie Zughilfe für den eigentlichen Auszug bei Seitenlage des Muttertieres aus und ziehen Sie dabei gleichzeitig an beiden Ketten. Denn nur bei einer Seitenlage kann die Bauchpresse durch eine Steilerstellung des mütterlichen Beckens zu besseren Raumverhältnissen führen. Ein gleichzeitiger Zug an beiden Ketten gewährleistet dabei die gleichmäßige Verteilung der hohen Zugkräfte.
- Ziehen Sie nur während der Wehen und niemals während der Wehenpausen. Das Kalb kann nur während der Wehenpausen mit sauerstoffreichem Blut versorgt werden. Wird in dieser Zeit gezogen, ist die Versorgung des Kalbes gefährdet.
- Passen Sie die Zugkraft so an, dass sie die Kraft von zwei Männern nicht überschreitet. Zu starke Zugkräfte können zu Verletzungen der Geburtswege, zu Nervenquetschungen oder auch zu Knochenbrüchen beim Kalb führen.
- Ziehen Sie bei einer Vorderendlage zunächst parallel zur Wirbelsäule der Kuh. Ist der Brustkorb des Kalbes durchgetreten, sollten sie um 45° angewinkelt in Richtung Sprunggelenk der Kuh ziehen. Befindet sich das Kalb in der Hinterendlage, sollten sie nur parallel zur Wirbelsäule der Kuh ziehen.
- Schützen Sie den Damm bei Zughilfe durch kräftiges Gegendrücken mit den Handballen, um Einrisse zu vermeiden.
8. Ziehen Sie einen Tierarzt hinzu, sobald der Verdacht einer Gebärmutterdrehung vorliegt oder wenn Lage-, Stellungs- oder Haltungsanomalie nicht zu berichtigen sind. Dauert ein Auszugsversuch länger als 20 Minuten oder werden Verletzungen oder Blutungen beim Muttertier bemerkt, sollte ebenfalls ein Tierarzt gerufen werden. Ein Tierarzt kann zwar bei einem festgesteckten Kalb auch keine erfolgreiche Geburtshilfe mehr leisten. Jedoch kann er durch einen rechtzeitig durchgeführten Kaiserschnitt das Leben vor Kuh und Kalb retten.
9. Erstversorgung des Kalbes: Befreien Sie zunächst die Atemwege von Schleim und Fruchtwasser. Anschließend sollte die Atmung und der Kreislauf des Kalbes durch einen Kaltwasserguss in den Nacken und durch Abreiben angeregt werden. Ist keine spontane Atmung erkennbar, kann sie durch Akupunktur oder Zwicken zwischen den beiden Nasenlöchern angeregt werden. Reagiert das Kalb auch dann nicht, bleibt nur noch die Möglichkeit einer Mund-zu-Nase-Beatmung. Dabei wird in ein Nasenloch des Kalbes beatmet, das zweite Nasenloch und das Maul muss währenddessen zugehalten werden. Eine zweite Person sollte gleichzeitig eine Brustmassage durchführen.
10. Nachuntersuchung der Kuh: Nach der Erstversorgung des Kalbes sollte die Kuh darauf untersucht werden, ob sich ein zweites Kalb in Geburtsweg befindet oder ob Blutungen oder andere Verletzungen vorliegen. Ein übersehender Zwilling, der im Mutterleib abstirbt, kann zu massiven Problemen führen.
Quelle: Dr. Katharina Traulsen, Vet Consult (Allgäuer Bauernblatt)