Schweiz: Kommt die Milchquote zurück?

Kaum abgeschafft, soll die Milchquote in der Schweiz wieder eingeführt werden. So tönte es zumindest in den letzten Tagen durch die Medien. Was steckt dahinter?

Im Mai 2009 wurde die Milchkontingentierung abgeschafft. Seitdem herrscht ein großes Durcheinander in der Schweizer Milchbranche und auf dem Milchmarkt. Denn obwohl im Juni 2009 gegründete Branchenorganisation Milch (BOM), in der sämtliche Akteure der Schweizer Milchbranche vereint sind, den Milchmarkt organisieren sollte, fanden die Akteure am Markt bisher keinen einheitlichen Kurs. Die Folge sind Milchübermengen und ein sinkender Milchpreis.

Dreistufiges System

Die Branchenorganisation Milch (BOM) hatte noch im November letzten Jahres ein dreistufiges System mit Vertrags-, Börsen- und Abräumungsmilch entwickelt, welches per Beschluss des Bundesrats im Februar 2010 verbindlich eingeführt wurde. Dieses System teilte die produzierte Milch folgendermaßen ein:
  • Die Vertragsmilch sollte mengenmäßig marktkonform sein und zwischen Verarbeiter und Lieferanten in mindestens einjährigen Verträgen abgesichert werden.
  • Die Milch, die über die Vertragsmilch hinaus produziert wird, soll über ein von der BOM beaufsichtigten Börse gehandelt werden.
  • Eine von der BOM festgelegte Milchmenge, die weder als Vertragsmilch noch als Börsenmilch gehandelt werden konnte, sollte im Rahmen einer Marktabräumung" aus dem Markt genommen und außerhalb der EU exportiert werden.

  • Die Vertragsmilch sollte mengenmäßig marktkonform sein und zwischen Verarbeiter und Lieferanten in mindestens einjährigen Verträgen abgesichert werden.
  • Die Milch, die über die Vertragsmilch hinaus produziert wird, soll über ein von der BOM beaufsichtigten Börse gehandelt werden.
  • Eine von der BOM festgelegte Milchmenge, die weder als Vertragsmilch noch als Börsenmilch gehandelt werden konnte, sollte im Rahmen einer Marktabräumung" aus dem Markt genommen und außerhalb der EU exportiert werden.

Doch das System, das ein hohes Maß an Selbstkontrolle und Disziplin voraussetzt, wurde nur unzureichend umgesetzt. Während die Milchverarbeiter (Molkereien) den Verkauf der Übermilch" an der Milchbörse favorisieren, da sie die Milch dort günstiger einkaufen können, bevorzugen Milchproduzenten  die Marktabräumung, da nur diese Milch tatsächlich vom Schweizer Markt genommen wird. Daran haben jedoch die Milchverarbeiter wenig Interesse, sie befürchten eine künstliche Verknappung des Rohstoffangebotes.

Wer kommt für die Übermengen auf?

Der immer weiter wachsende Butterberg sorgt für weitere Probleme, dessen Entsorgung ("Abräumung") drückt  auf den Milchpreis, da es keine staatliche Interventionen mehr gibt. Ursprünglich war geplant, 15 Mio. Franken für die Abräumung von 3.000 t Butter einzusetzen. Die Milchproduzenten sollten sich mit 6,07 Rappen/kg an der Abräumung beteiligen. Letztlich scheiterte das Konzept aber an den Widerständen aus den einzelnen Erzeugerorganisationen, die sich nicht im abgesprochenen Umfang an dem Abbau des Butterbergs beteiligen wollten. Man einigte sich darauf, dass sich die Bauern nun nur noch mit ca. 2,5 Rappen/kg beteiligen müssen.

A, B und C-Quote

Im September 2010 beschloss die Branchenorganisation Milch, den einzelnen Marktakteuren mehr Eigenverantwortung zu übergeben. Jeder Milchverarbeiter (Molkerei) soll nun selbst eine Unterteilung der angelieferten Milchmenge vornehmen:
  • A-Milch: Frischmilch oder Milchprodukte, welche für den Inlandsmarkt bestimmt sind
  • B-Milch: Milchprodukte, die in die EU exportiert werden sollen
  • C-Milch: Milch bzw. Milcherzeugnisse, die in Drittländer außerhalb der Union geliefert werden sollen.

  • A-Milch: Frischmilch oder Milchprodukte, welche für den Inlandsmarkt bestimmt sind
  • B-Milch: Milchprodukte, die in die EU exportiert werden sollen
  • C-Milch: Milch bzw. Milcherzeugnisse, die in Drittländer außerhalb der Union geliefert werden sollen.

Für die A-Milch soll ein Richtpreis (derzeit 65 Rappen/kg) gelten, die C-Milch soll künftig zu Weltmarktpreisen vermarktet werden. Die Milch, die nicht vertraglich gebunden ist, soll nur noch freiwillig an der Börse angeboten werden (bis dato sollten alle Milchmengen, die nicht vertraglich zwischen Milcherzeuger und Milchhändler, bzw. Milchverarbeiter gebunden war, über die Börse vermarktet werden). Ferner solle mehr Transparenz zwischen den Vertragspartnern herrschen, damit das Vertrauen zwischen Milchverarbeiter und Bauern gestärkt werde und z.B. keine billige C-Milch für Frischmilchprodukte im Inland genutzt wird.

Zentrale Milchmengensteuerung

Zwischenzeitlich hat jedoch der Nationalrat und Milchproduzent Andreas Aebi unter dem Titel Milchmengensteuerung für marktgerechte Milchmengen" eine Motion eingereicht (eine Motion ist ein Handlungsinstrument der Parlamentarier der schweizerischen Bundesversammlung, womit der Bundesrat beauftragt wird, innerhalb von zwei Jahren einen Entwurf für ein Gesetz oder einen Beschluss vorzulegen oder eine Maßnahme zu treffen). Aebi fordert, die Milchproduktion zentral zu steuern. Konkret bedeutet dies, dass jeder Handelsorganisationen oder jedem Verarbeitungsunternehmen eine Basismilchmenge zugeteilt wird, die sich auf die Höhe der Lieferrechte des Milchjahres 2008/2009 beruft. Wer mehr Milch produzieren will, soll für die Mehrmengen bis zu 30 Rappen/Liter zahlen. Diese 30 Rappen sollen in Entlastungsmassnahmen fließen (z.B. für Marktabräumaktionen).
Am 1.Oktober 2010 hat der Nationalrat für die Motion gestimmt. Doch ob die neue zentrale Milchmengensteuerung demnächst wirksam wird, ist noch unklar! Zunächst muss die Motion noch von weiteren Räten abgesegnet werden. Als erstes steht die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerats auf dem Programm, indem industrienahe Ständerräte sitzen, wie beispielsweise Emmi-Präsident Konrad Graber grünes Licht geben. Der Weg bis zur Umsetzung von Motion Aebi kann noch steinig werden.
Inzwischen mehrt sich die Kritik an der Rolle rückwärts" am Milchmarkt. So hat das Eidgenössische Volkswirschaftsdepartement EVD betont, dass der Bundesrat die Motion ablehnen wird, da der Bundesrat u.a. nicht möchte, dass die Milchproduktion durch die Dachorganisation SMP gelenkt wird (siehe Mitteilung ).
Auch der Präsident des Schweizerischen Bauernverbandes und Nationalrat Hansjörg Walter, welcher zwar grundsätzlich froh über die Zustimmung des Nationalratis ist, äußerte Kritik an Aebi und fordert Nachbesserungen. So seien 30 Rappen Abzug für Mehrmengen zuviel. Auch sei es schwierig, die Unterscheidung zwischen Basis- und Mehrmengen auf Basis des Milchjahres 08/09 nachzuvollziehen.
Ebenfalls gegen die Motin Aebi ausgesprochen hat sich die Produzenten Plattform Milchwirtschaft (PMW). Diese sei ein Schlag ins Gesicht all jener Bauern, die zukunftsorientiert denken würden und seit Jahren entsprechend investierten. Man würde wieder eine Milchpreisinsel" Schweiz schaffen, dabei seien drei von vier Kilogramm Milch der internationalen Konkurrenz ausgesetzt.

Rückschritt oder Fortschritt?

Zahlreiche Medienmitteilungen schrieben, dass in der Schweiz wieder die Quote eingeführt werden solle. Doch die SMP dementiert diese Behauptungen. Nach ihnen handelt es sich bei der Motion Aebi nicht um eine neue Kontingentierung. Ihrer Ansicht zufolge lege eine Kontingentierung die Mengen strikt fest. Demgegenüber verlange die Motion Aebi lediglich eine Lenkungsabgabe auf Mengen, die über der Nachfrage gemolken werden. Zudem seien die 30 Rappen lediglich als maximale Abgabe definiert worden, die nicht unbedingt ausgeschöpft werden müsse.
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