Tierschutz in der Nutztierhaltung – wie geht es weiter?

Aus seiner Perspektive als Amtstierarzt berichtete Dr. Jörg Fritzemeier in einem öffentlichen Vortrag darüber, wie Tierschutz in der Nutztierhaltung gesichert wird und wie sich die Anforderungen auch durch gesellschaftliche Ansprüche weiter entwickeln.

"Wie müssen Nutztiere gehalten und versorgt werden, damit wir Menschen ihre Nutzung rechtfertigen können?" Mit dieser Frage sollte sich jeder Mensch beschäftigen, da jeder, der Tiere oder tierische Produkte nutzt, Verantwortung dafür mitträgt. Dafür müsse man kein Ethiker oder Philosoph sein.
Fritzemeier

Dr. Jörg Fritzemeier, Foto: NOZ (Bildquelle: Elite Magazin)

Mit diesem Statement stimmte Dr. Jörg Fritzemeier, Leiter des Veterinärdienstes für Stadt und Landkreis Osnabrück (Niedersachen), das bunt gemischte Auditorium für seinen Vortrag Nutztierhaltung – Anspruch und Wirklichkeit: Rechtliche Anforderungen im Lichte der gesellschaftlichen Entwicklungen" ein. Unter anderem kamen dafür am Donnerstag Abend (25.01.2017) junge und ältere landwirtschaftsfremde Verbraucher, Tierschützer und Landwirte im DBU Zentrum für Umweltkommunikation in Osnabrück zusammen. Der Amtstierarzt entschied sich bewusst dagegen, Fotos zu zeigen und hielt einen reinen Wortvortrag, um auf einer möglichst sachlichen Ebene zu bleiben. Was ihm angesichts des sehr interessierten, aber ruhigen Zuhörerkreises offensichtlich gut gelungen ist.

Vorab in Kürze: Wichtiges für rinderhaltende Betriebe aus dem Vortrag

  • Ausnahmeregelungen für Nutztiere im Tierschutz-Gesetz sollen weiter eingeschränkt werden. So wie es beim betäubungslosen Enthornen von unter sechs Wochen alten Kälbern durch die cc-relevante Pflicht von Sedierung und Schmerztherapie bereits in Angriff genommen wurde. Das Gesetz werde irgendwann dahingehend angepasst.
  • Tierschutzkontrollen durch das Veterinäramt werden zunehmend risikoorientiert durchgeführt. Sprich ausgehend von Befunden an Schlachtkörpern oder auch dem Zustand von Tieren, die an die Tierkörperbeseitigung abgegeben werden.
  • Schlachttierkontrollen: Passend zum vorherigen Punkt: Ob eine Kuh jung oder alt zur Schlachtung gegeben wird ist egal – solange sie nicht aufgrund von managementbedingten Erkrankungen (z.B. Stoffwechselerkrankungen, schweren Lahmheiten) abgeht. Diese Ursachen werden bei den Schlachttierkontrollen berücksichtigt.
  • Tötungsentscheidung: Ebenfalls passend zum vorherigen Punkt: Tierschutz heißt auch, ein Kalb, ein Rind oder eine Kuh rechtzeitig einschläfern zu lassen, wenn durch eine angemessene und kostenakzeptable Behandlung keine Aussicht auf Heilung besteht. Die enge Zusammenarbeit mit Tierärzten ist hier unabdingbar.
  • Kostenfrage mehr Tierschutz: Es wird auf Bundesebene darüber gesprochen, höhere Steuern auf Lebensmittel tierischen Ursprungs zu legen, und diese Einnahmen für höhere Anforderungen im Tierschutz an die Tierhalter zu geben. Die Frage ist, inwieweit die neue alte Regierung diesen Ansatz weiter verfolgt.

  • Ausnahmeregelungen für Nutztiere im Tierschutz-Gesetz sollen weiter eingeschränkt werden. So wie es beim betäubungslosen Enthornen von unter sechs Wochen alten Kälbern durch die cc-relevante Pflicht von Sedierung und Schmerztherapie bereits in Angriff genommen wurde. Das Gesetz werde irgendwann dahingehend angepasst.
  • Tierschutzkontrollen durch das Veterinäramt werden zunehmend risikoorientiert durchgeführt. Sprich ausgehend von Befunden an Schlachtkörpern oder auch dem Zustand von Tieren, die an die Tierkörperbeseitigung abgegeben werden.
  • Schlachttierkontrollen: Passend zum vorherigen Punkt: Ob eine Kuh jung oder alt zur Schlachtung gegeben wird ist egal – solange sie nicht aufgrund von managementbedingten Erkrankungen (z.B. Stoffwechselerkrankungen, schweren Lahmheiten) abgeht. Diese Ursachen werden bei den Schlachttierkontrollen berücksichtigt.
  • Tötungsentscheidung: Ebenfalls passend zum vorherigen Punkt: Tierschutz heißt auch, ein Kalb, ein Rind oder eine Kuh rechtzeitig einschläfern zu lassen, wenn durch eine angemessene und kostenakzeptable Behandlung keine Aussicht auf Heilung besteht. Die enge Zusammenarbeit mit Tierärzten ist hier unabdingbar.
  • Kostenfrage mehr Tierschutz: Es wird auf Bundesebene darüber gesprochen, höhere Steuern auf Lebensmittel tierischen Ursprungs zu legen, und diese Einnahmen für höhere Anforderungen im Tierschutz an die Tierhalter zu geben. Die Frage ist, inwieweit die neue alte Regierung diesen Ansatz weiter verfolgt.

Tierschutz in der Nutztierhaltung – was heißt das heute und wer bestimmt, was ok ist?

Der Amtstierarzt erklärte den Zuhörern, dass der Tierschutz von Nutztieren in Deutschland als Mindeststandard über das Tierschutz-Gesetz und die darauf aufbauende Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung geregelt ist. Die Veterinärämter müssen als zuständige Behörde das Einhalten der Gesetzgebung sicherstellen und kontrollieren.

Kontrollen sind wichtig, sie werden zunehmend risikoorientiert durchgeführt

Eine jährliche 1:1-Kontrolle der Tierhaltungen ist dabei nicht möglich. Dr. Jörg Fritzemeier veranschaulichte dies am Beispiel des Veterinärdienstes Osnabrück: In dem Landkreis gibt es rund 3.000 landwirtschaftliche Tierhaltungen, mit dem vorhandenen Personal schaffen sie es, neben ihren anderen Aufgaben, jährlich knapp 10 % der Betriebe zu besuchen. Dies im Rahmen von cc-Kontrollen, Kontrollen nach Anzeige sowie zunehmend risikoorientierten Kontrollen ausgehend von z.B. auffälligen Befunden an Schlachtkörpern.

Dass nicht jeder Betrieb jährlich kontrolliert werden könne, mag ein Risiko für das Übersehen von schlimmen Tierschutzverstößen sein, so Dr. Fritzemeier. Doch es sei personaltechnisch derzeit und auch mittelfristig unmöglich umzusetzen. Man müsse es sich so vorstellen, wie bei Geschwindigkeitskontrollen im Verkehr: Sie alle 100 m einzurichten ist unmöglich, auch sie können nur in risikoorientierten Stichproben durchgeführt werden. 

Der Amtstierarzt stellte klar, dass der Großteil der landwirtschaftlichen nutztierhaltenden Betriebe die Mindeststandards sehr gut einhalte und teilweise oft deutlich darüber hinausgehend agiere. Und dies aus eigenem Interesse, die meisten Halter von Nutztieren bauen seiner Erfahrung nach sehr wohl Beziehungen zu ihren Tieren auf. Besonders die, die ihre Tiere produktionsbedingt sehr lange halten, wie etwa Milchkuhhalter. Die Anzahl der gehaltenden Tiere in einem Betrieb habe diesbezüglich keinen Einfluss. Bei dem Begriff Massentierhaltung stellen sich mir die Nackenhaare auf, so Dr. Jörg Fritzemeier.
Präventiv gegen Tierschutzverstöße wirke außerdem, dass die Kontrollen der Veterinärämter unangekündigt stattfinden.
Dennoch gebe es leider auch einzelne sehr schlimme Vergehen gegen das Tierschutz-Gesetz. Da keine jährlichen Kontrollen möglich sind, ist es umso wichtiger dass jegliche tierschutzbedingten Auffälligkeiten diskret bei den Veterinärbehörden gemeldet werden. Jeder ist hier dem Wohl der Tiere gegenüber verpflichtet. Egal ob der Futtermittelvertreter, der Hoftierarzt, der Nachbar, der Postbote oder der aufmerksame Passant!

Menschen machen die Regeln im Kompromiss zwischen Moral und Nutzen

"Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen." (TierSchG, aus § 1)
Dr. Fritzemeier sensibilisierte dafür, dass diese Gesetzgebung im Tierschutz, wie in anderen Bereichen auch, ein Konsens über die verschiedenen Ansprüche der Gesellschaft ist. Dazu gehört neben dem Anspruch Tiere zu schützen auch der, Tiere zu nutzen und hochwertige (und im Sinne vieler Menschen offensichtlich nicht zu teure Lebensmittel) zu haben.

Da sich die Ansprüche einer Gesellschaft wandeln, im Wesentlichen bedingt durch Ernährungssicherheit und Wohlstand, verändert sich über die Zeit auch die Auslegung der Gesetze. In westlichen Ländern hin zu deutlich mehr Schutz und Wohlbefinden für die Tiere. Und das sei in gewissen Maßen auch richtig so.
Im Bereich Nutztiere aktuell laut Dr. Fritzemeier besonders in den noch bestehenden Ausnahmeregelungen für diese im Tierschutz-Gesetz. Etwa im Rinderbereich das Enthornen ohne Betäubung von unter sechs Wochen alten Kälbern, während es eigentlich heißt, dass eine Betäubung nur nicht erforderlich ist, wenn bei vergleichbaren Eingriffen am Menschen eine Betäubung in der Regel unterbleibt". 
In diese Ausnahme-Bereiche ist daher in den vergangenen Jahren reichlich Bewegung gekommen und Verbesserungen wurden angegangen. Sowie, dass das Enthornen von Rindern unter sechs Wochen nun cc-relevant nur noch unter Sedierung und einer Schmerztherapie durchgeführt werden darf. Und ja, diese Veränderungen für mehr Wohlbefinden der Nutztiere, kommen auch dadurch in Gang, dass Forderungen aus der Bevölkerung aufkommen. Zusammen mit wissenschaftlichen Erkenntnissen und Arbeitsgruppen sollten dann möglichst praktikable Ansätze dafür entwickelt werden.
Als beispielhaft bewertete Dr. Jörg Fritzemeier diesbezüglich die Arbeit im Projekt Tierschutzplan Niedersachsen, in dem er die Arbeitsgruppe Rind leiten durfte. Hier habe die Zusammenarbeit von Menschen u.a. aus Tiermedizin, Tierschutzorganisationen, Wissenschaft, Wirtschaft, Praxis und Kirche zu sehr guten praxistauglichen Ansätzen geführt. So eine Form der Zusammenarbeit bringe echten Fortschritt und Akzeptanz. Und nicht ein ewiges Recht haben wollen" im Alleingang der jeweiligen Interessensgruppen. Wichtig sei es, die Tierhalter mitzunehmen, also über Neuerungen frühzeitig zu informieren und sie bei der Umsetzung zu unterstützen.

Wird die Nutztierhaltung unrentabel, dann hat man keinen Einfluss mehr auf Tierschutz

Im Nutztierbereich darf bei allen Forderungen nach mehr Tierwohl nicht die Notwendigkeit der Wirtschaftlichkeit vergessen werden, der Amtstierarzt richtete sich an mögliche vertretende Tierschützer. Daher ist die aktuelle Situation äußerst beunruhigend für Nutztierhalter: Obwohl der Tierschutz in der Nutztierhaltung derzeit weltweit in Deutschland, den skandinavischen Ländern und der Schweiz wohl das höchste Niveau hält, gibt es hier derzeit so viele Forderungen nach mehr Tierschutz und Tierwohl in der Nutztierhaltung wie wohl nie zuvor.
Zwei wesentliche Ursachen nennt Dr. Jörg Fritzemeier dafür: Fehlender Kontakt und damit kein realistisches Wissen über die Nutztierhaltung und die dafür erforderliche Rentabilität sowie die mediale Berichterstattung, die mal mehr oder weniger objektiv und emotionsgeladen ist.
Der Amtstierarzt erklärte seinen Zuhörern die Gefahr, die besteht, wenn bei Forderungen für mehr Tierschutz und Tierwohl über das Ziel hinaus geschossen wird: Würden aufgrund von Forderungen und denen nachkommenden politischen Entscheidungen innerhalb kürzester Zeit Regel zu noch mehr Tierschutz in der Nutztierhaltung gültig, ohne, dass berücksichtigt wird, wie die Tierhalter die dadurch entstehenden Mehrkosten einbringen können, dann wird die Nutztierhaltung schnell unrentabel. Deutschland würde einen Nachteil im Wettbewerb bekommen. Höfe würden dann vermehrt die Produktion einstellen. Geschieht das im großen Stil, dann müssen Verbraucher tierische Produkte aus dem Ausland kaufen. Oder sie werden ohnehin im Ausland gekauft, weil sie dort aufgrund geringer Tierschutz-Standards und damit weniger Aufwand günstiger angeboten werden. Was wiederum ebenfalls zur Aufgabe von Nutztierhaltungen in Deutschland führe.
Würde das passieren (oder sich weiter verstärken, wie z.B. im Eierbereich), dann hat der deutsche Verbraucher keinerlei Einfluss mehr auf den Tierschutz, den das Tier erfährt, dass seine Nahrung oder Nutzgegenstände produziert (hat)!
Auch mache es wenig Sinn in Deutschland immer weiter im Alleingang vorzupreschen, da auch die anderen EU-Länder aufgrund der teils gemeinsam geführten Gesetze mitgenommen werden müssten.
Text: Berkemeier