Neun Monate Hitzestress

In Florida ist über neun Monate Hitzestress angesagt, der Klimawandel wird die Situation noch weiter verschärfen. Keine guten Aussichten für die Milchproduktion im "Sunshine State“.

Kein Bundesstaat in den USA erlebt mehr Sonnentage als Florida, das sich daher auch mit Fug und Recht als „Sunshine State“ bezeichnet. Über 300 Tage scheint die Sonne im Durchschnitt, in manchen Orten sogar an bis zu 361 Tagen im Jahr. Durch die Brise vom Meer werden im Sommer die hohen Temperaturen etwas erträglicher, aber warm ist es dennoch. Selbst im Winter klettert das Thermometer oft noch bis auf rund 25 Grad Celsius (tagsüber).
Problematisch für die Milchkühe ist das subtropisch feuchte Klima. Besonders zwischen Mai und Oktober regnet es fast täglich in Florida - trotz zehn Sonnenstunden am Tag. Durch die besondere Lage der Halbinsel kann Florida im Sommer auch von tropischen Gewittern und starkem Regen betroffen sein. Während der Sommermonate sind schwül-heiße 33 Grad und 90 % Luftfeuchte keine Seltenheit. Absehbar ist wohl, dass es in den kommenden Jahren noch heißer werden wird. So haben Meteorologen errechnet, dass es in Zentralflorida zwischen ab dem Jahr 2036 über 123 Tage hinweg die Temperaturen auf über 37 C liegen werden. Ab dem Jahr 2070 dürfte sich die Hitzeperiode sogar über 155 Tage erstrecken … aktuell erreichen die Temperaturen gerade mal an 30 Tagen diese Werte.

Ab April wird nicht mehr besamt

Was den vielen Sonnenurlaubern gefallen dürfte, muss Milcherzeugern hingegen wie ein Alptraum erscheinen. Schon jetzt müssen sie mit enormen technischen Aufwand ihre Kühe „runterkühlen“. Selbst jetzt, Ende Januar, laufen in den Kuhställen schon unentwegt die Ventilatoren. Ab April werden die Tiere noch beregnet. Viele Farmer sind denn auch skeptisch, ob sich der in den kommenden Jahren zunehmenden Hitze noch entgegen gewirkt werden kann. Schon heute wird ab Ende April kein Rind und keine Milchkuh mehr besamt, da die Tiere nicht mehr tragend werden. Zu sehr ist das Immunsystem mit der Hitze beschäftigt.
Die hohen Temperaturen stellen auch eine Herausforderung für den Futterbau dar. Die erste Grasernte muss bis April abgeschlossen sein, damit bis Ende Juni noch ein zweiter Grasschnitt erfolgen kann. Allerdings ist das hitzetolerante Bermuda-Gras nicht von guter Qualität, weiß Albert de Vries von der Universität Florida. Viele Milchfarmer müssen große Mengen an Futter zukaufen, das treibt die Produktionskosten enorm in die Höhe.

Ohne Beregnung wächst nichts

Neben dem Futterzukauf verteuert auch noch die Beregnung der Futterflächen die Produktion. Ohne diese Anlagen wäre der Futterbau kaum möglich. Selbst an Regentagen verdunstet das Wasser so schnell wieder oder sickert auf den sandigen Böden gleich tief ins Erdreich, so dass auf den Wiesen und Weiden ohne Beregnung kaum noch ein Aufwuchs heranwachsen würde. Der Mais benötigt ohnehin viel Wasser. Rund ein Viertel der Nutzfläche Floridas wird derzeit beregnet. Umgerechnet knapp 600 Liter Wasser werden pro Kuh und Tag benötigt.
Ein weiteres Problem, mit dem sich die Farmer konfrontiert sehen, neben den vergleichsweise umfangreichen Verwaltungs- und Umweltvorschriften, ist seit Neuestem die Weidehaltung. Mittlerweile geraten auch in Florida die großen Milchkuhanlagen immer öfter ins Visier kritischer Verbraucher und NGO’s. „Ich kann verstehen, dass die Menschen die Kühe draußen sehen wollen, doch für die Tiere ist das bei diesen Temperaturen alles andere als angenehm“ erklärt Jan H. Herdenmanager bei Alliance Dairy. Das Unternehmen, das an vier Standorten Rinder und Kühe hält, lässt mittlerweile einen Teil der Rinder und Kühe auf die Weide. „Eigentlich müssten wir den Kühen Schatten auf der Weide anbieten, doch Schatten kostet so viel Milchleistung, denn die Kühe legen sich unter die Bäume und stehen nicht mehr auf. Sie fressen und saufen dann den ganzen Tag nicht.“

Rasanter Strukturwandel trotz hoher Milchpreise

Aktuell produzieren die rund 119.000 Holsteinkühe in Florida – je nach Witterung (Niederschlägen) - rund 1,1 Mrd. kg Milch pro Jahr. Das hört sich nach einer Menge an, aber der US-Bundesstaat rangiert nur an 18. Stelle im Ranking. Zum Vergleich: In Kalifornien werden 18 und in Wisconsin 13 Milliarden Liter Milch erzeugt. Allerdings wird in Florida nur noch auf 80 Milchfarmen gemolken. Viele Farmer haben desillusioniert aufgrund fehlender Gewinne aufgegeben. Seit nunmehr fünf Jahren müssen die Farmer mit vergleichsweise geringen Milchpreisen zurechtkommen: „2015 waren die Milchpreise schlecht, 2016 ging es nochmals bergab, 2017 sah es zunächst etwas besser aus, doch 2018 brachen die Preise dann wieder ein. In 2019 haben sie sich dann zum Glück wieder erholt“ erläutert Milchfarmer Matthew Lussier, „doch um die durch die Preistiefs entstandenen Löcher stopfen zu können, bräuchten wir jetzt einige überdurchschnittlich gute Jahre.“
Den Strukturwandel spüren jetzt auch die Molkereien, jährlich werden ihnen fünf Prozent weniger Milch zur Verarbeitung angedient. Dieser Trend dürfte sich fortsetzen. Höchstwahrscheinlich wird schon bald Rohmilch in großen Mengen aus anderen Landesteilen der USA nach Florida transportiert werden müssen.
Giebel mit Ventilatoren

Der komplette Giebel des 1.000er Kuhstalls ist mit Lüftern ausgeführt, welche die Luft aus dem Stall ziehen. (Bildquelle: Veauthier)

Kühe warten vor dem Melkstand

Auch im Warteraum vor dem Melkstand werden die Kühe gekühlt. (Bildquelle: Veauthier)

Melkstand

Auf der North Florida Holsteins-Farm werden pro Stunde 500 Kühe in dem 2x40 Parallelmelkstand gemolken (insgesamt 3.700 Kühe 3x täglich). (Bildquelle: Veauthier)