Neue Strategien für volatilere Milchmärkte entwickeln

Milchmarktexperten rechnen nach dem Ende der Milchquote mit weiter zunehmenden Preisrisiken. Eine Absicherung an den Terminmärkten könnte Schwankungen am Kassamarkt ausgleichen. Die Chancen für kleine und mittlere Milchviehbetriebe liegen in Effizienzsteigerung und in stärkerer Kooperation mit anderen Unternehmen.

Wachsende Preisrisiken und insgesamt volatilere Milchmärkte erfordern nach dem Ende der Milchquote neue Strategien in der Vermarktung und bei der Preisabsicherung. Das war das Fazit eines Fachpodiums, das die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) im Rahmen ihrer Wintertagung vergangene Woche in Berlin veranstaltet hat. Laut Prof. Holger Thiele von der Fachhochschule Kiel dürften die bereits in der Vergangenheit gestiegenen Preisunsicherheiten nach dem Quotenende weiter zunehmen und insbesondere im Verlauf dieses Jahres sehr ausgeprägt sein. Obwohl Thiele längerfristig durchaus mit einem günstigen Angebots- und Nachfrageverhältnis am Weltmarkt rechnet, sieht er deshalb grundsätzlich steigenden Bedarf für intelligente Preissicherungsinstrumente. Ähnlich wie bei anderen Agrarrohstoffen wird dazu nach seiner Ansicht in Zukunft der Umgang mit Milchtermingeschäften gehören.

Perspektivisch sind auf dem Milchmarkt die „Megatrends“ gut

Thiele.jpg

Dr. Holger Thiele, Hochschule Kiel (Bildquelle: Elite Magazin)

Nach Thieles Angaben dauert der Preisabschwung am Milchmarkt bereits seit Herbst 2013 an und ist damit schon jetzt ausgeprägter als die letzte Milchmarktkrise im Jahr 2012. Momentan ist laut seiner Einschätzung unklar, wie sich die Milchmengen und -preise nach dem Wegfall der Milchquote entwickeln werden. Er geht zumindest für die ersten Monate des Jahres von einem anhaltenden Preisdruck aus. Perspektivisch sind dem Milchmarktexperten zufolge jedoch die „Megatrends“ intakt: So sei in den nächsten zehn Jahren zwar mit einem weiteren Angebotswachstum zu rechnen; insbesondere auf den Märkten außerhalb Europas werde aber die Nachfrage voraussichtlich noch schneller wachsen. Da die Volatilität der Märkte voraussichtlich ebenfalls steigen werde, sollten die Marktakteure die Möglichkeiten für neue Kontraktvarianten unter Berücksichtigung von Preisstabilisierungselementen prüfen, so der Fachmann. Darüber hinaus empfiehlt er, zukünftig politische Instrumente für die Krisensituationen im Milchmarkt kritisch auf ihre Eignung zu überprüfen.

Hohe Preise zur Absicherung nutzen

Kalverkamp.jpg

Johann Kalverkamp, VR Agrarberatung AG (Bildquelle: Elite Magazin)

Die gleiche Meinung vertrat Johann Kalverkamp von der VR Beratung in Lingen, der in diesem Zusammenhang allerdings davor warnte, die Terminmärkte als „Werkzeug zur Preismaximierung“ zu sehen. Der Warenterminhandel mit Milchprodukten kann nach den Worten Kalverkamps für Milcherzeuger ein interessantes Instrument zur Risikosteuerung sein. Wie der Berater auf der DLG-Wintertagung erklärte, könnten die Phasen hoher Milchpreise dazu genutzt werden, sich dieses Niveau möglichst weit für die kommenden Liefermonate zu sichern, um so Zeiten mit niedrigen Milchpreisen, die teilweise keine Kostendeckung mehr ermöglichten, zu überbrücken. Wer dies beispielsweise konsequent seit Ende letzten Jahres umgesetzt habe, profitiere noch heute von einem Ausgleich für das geringere Milchgeld über die Börse, erläuterte der Agrarberater. Die Kosten für die Absicherung seien dabei moderat und sollten als Investition in das betriebliche Risikomanagement gesehen werden. Oberstes Gebot dabei sei jedoch, die zu Beginn geplante Absicherungsstrategie bis zum Ende durchzuziehen und sich dabei nicht von Emotionen zu Fehlentscheidungen drängen zu lassen, betonte Kalverkamp.

Lage im Norden bleibt angespannt

Thomsen.jpg

Johannes Thomsen, LWK Schleswig-Holstein (Bildquelle: Elite Magazin)

Johannes Thomsen von der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein prognostizierte in Berlin einen weiteren Strukturwandel bei den norddeutschen Milchbauern. Im Gegenzug werden ihm zufolge die Betriebsgröße und die gesamte Milcherzeugung in Schleswig-Holstein steigen, wobei er allerdings aufgrund der limitierten natürlichen Ressourcen kein unbegrenztes Wachstum erwartet.
Thomsen geht in Anbetracht des anhaltenden Strukturwandels davon aus, dass von den heute gut 4.000 in Schleswig-Holstein wirtschaftenden Milchproduzenten in zehn Jahren nur noch 2.900 Unternehmen aktiv sein werden. Die Wirtschaftlichkeit der Milchproduktion wird nach seiner Einschätzung wegen der volatileren Märkte und steigender Produktionskosten auch in den kommenden Jahren insgesamt angespannt bleiben. Selbst den Durchschnittsbetrieben werde es schwer fallen, die volle Entlohnung der Faktorkosten zu erreichen. Die Auswertungen der Beratungsorganisationen und der landwirtschaftlichen Buchführung der wirtschaftlich erfolgreichen und größeren Betriebe in Schleswig-Holstein zeigten aber auch, dass es genügend Betriebe gebe, die wirtschaftlich gute Ergebnisse erzielten, betonte der Fachmann. Diese Betriebe werden nach seiner Erwartung ihre Potenziale im Rahmen der in Norddeutschland verfügbaren natürlichen Ressourcen nutzen und in Zukunft die Milch effizient produzieren. Dabei werde eine hohe Flächen- und Arbeitsproduktivität bei niedrigen Kosten eine wichtige Voraussetzung sein, erklärte Thomsen.

Im Süden Zusammenarbeit intensivieren

Dorfner.jpg

Dr. Gerhard Dorfner, LfL Bayern (Bildquelle: Elite Magazin)

Dr. Gerhard  Dorfner von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) sieht allerdings auch in Zukunft noch Marktchancen für kleinere Milcherzeuger. Voraussetzung dafür sei jedoch eine stärkere Kooperation der Betriebe untereinander, um so die Effizienz und Wirtschaftlichkeit zu verbessern.
Dorfner sieht für die Milcherzeugerländer mit kleineren Milchviehbetrieben in der intensiveren Zusammenarbeit von Betrieben mit arbeitsteiligen Systemen die Möglichkeit, Effizienzgewinne und eine Steigerung der Lebensqualität zu erreichen. Ihm zufolge könnten sich dadurch auch Chancen zur oft notwendigen Einkommenskombination eröffnen. Auf die größeren Betriebe in Süddeutschland wartet laut Dorfner mit der Weiterentwicklung des Familienbetriebes zum erweiterten Familienbetrieb mit angestellten Mitarbeitern eine große arbeitswirtschaftliche Herausforderung. Diese sieht er allerdings als Voraussetzung für langfristig lebensfähige Milcherzeuger an.
Quelle: AgE