Neue Milchlieferverträge: Mehr Macht den Produzenten?

Die EU will mehr Preistransparenz am Milchmarkt schaffen. Damit kommt sie einer Forderung der sogenannten "High-Level-Group" nach. Standard-Milchlieferverträge sollen künftig verbindliche Angaben zu Preisen, Menge, Liefer- und Laufzeit enthalten.

Die von der EU-Kommission eingerichtete Expertengruppe zum Thema Milch (High Level Group), eine Arbeitsgruppe hochrangiger Beamter aus der EU-Kommission und den Mitgliedsländern, hat seit Herbst 2009 einen Katalog an Empfehlungen erarbeitet, der das Auslaufen des EU-Milchquotensystems 2015 für die Erzeuger wirtschaftlich abfedern und deren Marktposition stärken soll. In ihrem Abschlussbericht formulieren die Marktexperten sieben Forderungen:
• Verträge: In den Mitgliedstaaten sollen (obligatorische) Vertragsmodelle zwischen Erzeugern und Molkereien entwickelt werden. In diesen Verträgen sollen auch Erzeugerpreise, Milchmengen sowie Laufzeiten und Kündigungsfristen festgelegt werden.
• Marktmacht: Die Gruppe empfiehlt der Kommission ein Gesetz auf den Weg zu bringen, das den Erzeugergemeinschaften erlaubt, gemeinsam einheitliche Verträge - inklusive Preise - mit den Molkereien auszuhandeln.
• Branchenorganisation: Es soll geprüft werden, ob Branchenverbände wie im Obst- und Gemüse-Sektor üblich, auch im Milchsektor (Erzeuger, Verarbeiter und Handel) installiert werden können.
• Transparenz: Instrumente zur Überwachung der Milchpreise sollen die Markttransparenz verbessern. Eurostat soll zudem prüfen, ob es möglich ist, Daten zur Milchmenge und Produktionsvolumen einzelner Milchprodukte zu veröffentlichen.
• Marktregulierung: Neben der Intervention, die nach Meinung der Expertengruppe beibehalten werden soll, wird der Kommission empfohlen, nach weiteren Instrumenten zur Marktstabilisierung zu suchen. Als Beispiel wird im Bericht die Warenterminbörse genannt.
• Kennzeichnung: Es soll geprüft werden, ob zukünftig eine Herkunftskennzeichnung der Milchprodukte machbar ist. Zudem sollen Milchimitate für den Verbraucher besser gekennzeichnet werden.
• Forschung: Die Expertengruppe empfiehlt die nationalen und europäischen Forschungsaktivitäten besser untereinander abzustimmen und Prioritäten in der Forschung zu setzen.
Die EU-Agrarminister werden sich im Juli mit den Empfehlungen der Expertengruppe beschäftigen. Auf Grundlage des Abschlussberichts will dann der Agrarkommissar Dacian Ciolos Ende des Jahres endgültige Vorschläge vorlegen.

Vorschläge greifen ins Leere

Trotz der deutlichen Forderungen nach mehr Transparenz und Marktmacht kommentieren viele Milcherzeuger den Bericht dennoch mit großer Ernüchterung. Viele Milcherzeuger-Vertreter sehen denn auch kaum konkrete Vorschläge, welche die Marktsituation tatsächlich verbessern könnten. „Die Empfehlungen, die die Expertengruppe gibt, können weder die Situation der Milcherzeuger, noch die der Verbraucher in Europa verbessern, so BDM-Chef Romuald Schaber. Einen stabilen Markt und angemessene Preise könnten weder Terminmärkte noch eine europäische Agentur, die die Verteilung der Margen in der Lebensmittelkette beobachtet, gewährleisten. Auch von den Vertragsmodellen hält Schaber nichts: „Verträge können auch jetzt schon geschlossen werden. Nur verhindert die schwache Marktmacht der Erzeuger, dass jene fair für sie ausfallen."
Der Deutsche Bauernverband begrüßt zwar, dass sich die Expertengruppe „ernsthaft und facettenreich mit den Problemen der Milchbauern" befasst habe, kritisiert zugleich aber, dass die Vorschläge nicht konkret genug sind. Auch die Empfehlungen zur Stärkung der Erzeugergemeinschaften sind für den DBV in Deutschland nicht relevant, da das „deutsche Marktstrukturgesetz ausreichend rechtliche Möglichkeiten bietet, die es in anderen EU-Mitgliedstaaten so nicht gibt."