Neue Bundesländer

Betriebsaufgaben nehmen zu

Tierhaltern in den neuen Bundesländern steht das Wasser bis zum Hals. Die regionalen Bauernverbände schlagen Alarm. Erzeugerpreise von 26 Cent je Liter Milch stürzen Betriebe in eine der schwersten Krise seit der Wiedervereinigung.

Auch wenn die Erzeugerpreise vom historischen Tief im Jahr 2009, als der Milchpreis unter 23 Cent fiel, noch entfernt sind, lohnt sich die Milchproduktion für viele Produzenten in den neuen Bundesländern offenbar nicht mehr. Nach Berechnungen des Brandenburger Bauernverbandes bringt eine Kuh dem Milchproduzenten einen Verlust von rund 100 Euro ein, so Simon Harnisch, Milchreferent beim Verband. Die Produzenten bräuchten eigentlich einen Milchpreis pro Liter von über 35 Cent, davon ist Harnisch überzeugt. Nur dann könnte auch ein modernisierter Betrieb Investitionen abbezahlen.

"Dazu verteufelt, weiter Milch zu produzieren"

Rund 500 Unternehmen produzieren derzeit in Brandenburg Milch. 2014 zählte das Statistikamt Berlin-Brandenburg knapp 164.000 Milchkühe in der Mark. In den vergangenen 15 Jahren gaben in Brandenburg durchschnittlich 23 Betriebe auf, 2015 waren es 29 Betriebe. Zuletzt verkaufte das Brandenburger Landwirtschaftsunternehmen Odega in Golzow 500 Milchkühe wegen monatlicher Verluste in der Milchproduktion. Laut Bauernverbands-Vize Wendorff erwägen weitere Brandenburger Unternehmen, die Milchproduktion einzustellen. Doch: Viele Unternehmen sind nicht in der Lage, aus dem wenig rentablen Geschäft auszusteigen, weil ihnen die Flexibilität fehle. Viele haben investiert, wir haben Abschreibungszeiten von 15 bis 20 Jahren – man ist dazu verteufelt, für diese Zeit seine Milchproduktion fortzuführen."

Sachsen: Massiver Abbau von Eigenkapital

In den vergangenen zwölf Monaten betrug der Verlust in der sächsischen Milchproduktion 160 Mio. €. Dies teilte der Sächsische Bauernverband nach seiner Klausurtagung in Limbach-Oberfrohna gegenüber der Presse mit. Mit Sorge beobachtet der Verband die weitere Entwicklung. Die Landwirtschaft sei direkt von den kürzlich verlängerten Sanktionen der EU-Kommission gegenüber Russland betroffen. Die Liquiditätslage der Tiere haltenden Betriebe bedrohe mittlerweile deren weitere Existenz. Die stark negative Entwicklung der Unternehmensergebnisse führe nicht nur zu einer deutlich höheren Fremdkapitalaufnahme, sondern auch zu einem massiven Abbau von Eigenkapital. Zunehmend erhalten außerlandwirtschaftliche Kapitalgeber Zutritt zur Landwirtschaft und entziehen uns die Bodenständigkeit. Zahlreiche bäuerliche Existenzen und Arbeitsplätze in unseren Landwirtschaftsbetrieben stehen auf dem Spiel, stellt der SLB fest.
Nach einem Beschluss der Klausurtagung in Limbach-Oberfrohna plant der Landesverband Ende des Monats Aktionen, in denen Landwirte zu Wort kommen sollen. Dabei gebe es kein Tabu. Auch nicht für Demonstrationen in Sachsen. Die Zeit des Hinhaltens und der ungerechten Verteilung der Wertschöpfung müsse ein Ende haben, heißt es in der Abschlusserklärung.

Sachsen-Anhalt: 10 % wollen aufgeben

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(Bildquelle: Elite Magazin)

Bis zu zehn Prozent der Milchviehbetriebe in Sachsen-Anhalt droht durch den Preisverfall die Schließung. Das befürchtet der Bauernverband Sachsen-Anhalt. Wie Sprecher Christian Apprecht sagte, sind das dreimal mehr als sonst. Von den derzeit 619 Betrieben müssten demzufolge etwa 60 dichtmachen. In der derzeitigen Situation mache ein Landwirt pro Kuh und Jahr etwa 1.000 Euro Verlust, rechnete der Verbandssprecher vor. Bei etwa 500 Kühen wären das rund 500.000 Euro auf der Negativseite. Einige könnten das etwa durch eine Biogas- oder Solaranlage ausgleichen. Viele Milchviehhalter könnten jedoch schon jetzt nicht mehr schlafen.

Festpreis für Milch und Sanktionen gegen Russland aufheben

Eine Möglichkeit, um die sich regelmäßig abwechselnden Berg- und Talfahrten bei den Preisen zu unterbinden, wäre ein Festpreis. Molkereien und Bauern könnten bei den Vertragsverhandlungen dem Vorbild Großbritanniens folgen, schlägt Apprecht vor.
Brandenburgs Agrarminister Jörg Vogelsänger (SPD) hat vor dem Beginn der Grünen Woche in Berlin (15. bis 24. Januar) die Europäische Union zu mehr Hilfen aufgefordert. Die 900 Millionen Euro, die in den vergangenen Jahren als Strafabgabe bei Überschreiten der Milchquote einbehalten wurden, müssten jetzt vollständig ausgezahlt werden, sagte Vogelsänger. Wir erwarten das und bleiben dran, betonte er. Vogelsänger fordert auch, die Sanktionen gegen Russland aufzuheben. Man wolle weiter mit den russischen Freunden" Gespräche führen, sagte er im Gespräch mit dem rbb. Die fehlenden Absatzmärkte kostet die Bauern etwa vier Cent pro Liter Milch, sagt  der Präsident des Landesbauernverbands Udo Folgart. Problematisch sieht Folgart auch den Umstand, dass die heimischen Bauern nicht nur während, sondern auch nach dem Embargo aus der Lieferkette ausgeschlossen sind. Es wird schwierig, diejenigen zu verdrängen und zu ersetzen, die diesen Platz in der Zwischenzeit eingenommen haben, sagt er.

Noch knapp 4100 Milcherzeuger

Nach Mitteilung des Statistischen Bundesamtes (Destatis) verringerte sich die Anzahl der Milchviehbetriebe bundesweit auf rund 73.255 Haltungen, das sind etwa 3.200 weniger als vor einem Jahr. Die Zahl der Milchkühe ist innerhalb eines Jahres gemessen an dem Gesamtbestand von 4,3 Millionen Milchkühen jedoch nur geringfügig, um 11.000 gesunken.
In den neuen Bundesländern wurde im November 2015 noch auf 4.129 landwirtschaftlichen Betrieben Milch erzeugt.
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(Bildquelle: Elite Magazin)