Die Fütterung, die Sauberkeit beim Melken, die Liegeboxenpflege, die Einstellung der Melkmaschine – alle diese und noch viel mehr Punkte beeinflussen die Eutergesundheit einer Kuh. Steuern lassen sich diese nur, wenn die Risikofaktoren einzeln angeschaut und möglichst kontrolliert werden.
Eine wichtige vorbeugende Maßnahme war in der Vergangenheit das antibiotische Trockenstellen der Kühe, um eine Neuinfektion des Euters während der Trockenphase zu verhindern. Vermehrt fordert die Gesellschaft aus Angst vor Resistenzen, den Einsatz von Antibiotika in der Milchkuhhaltung zu reduzieren. Da liegt es nahe, selektives Trockenstellen einzuführen.
Zellzahl unter 100.000 und drei Monate keine Euterentzündung
„Viele Landwirte scheuen sich davor, mit dem Selektiven Trockenstellen zu beginnen“, berichtet Dr. Mark Holsteg vom Eutergesundheitsdienst NRW von seiner Erfahrung. „Mein Tipp: Einfach machen! Jeder Betrieb hat Kühe, welche die Bedingungen dafür erfüllen und mit denen man beginnen kann. Dazu auf jeden Fall die Haltungsbedingungen der Trockensteher im Blick behalten, um die Zahl der Neuinfektionen möglichst zu minimieren!“
Eine Kuh ist geeignet zum selektiven Trockenstellen, wenn sie
- Weniger als 100.000 Zellen in der letzten Milchleistungsprüfung vor dem Trockenstellen aufweist,
- in den letzten drei Monaten der Laktation nicht an einer Mastitis erkrankt ist,
- am Tag des Trockenstellens einen negativen Schalmtest zeigt.
Diese Tiere können relativ gefahrlos nur mit einem Zitzenversiegler trockengestellt werden. Zwei Einschränkungen gibt Holsteg zu bedenken: „Selektives Trockenstellen eignet sich nur bedingt für Betriebe mit ansteckenden Eutererkrankungen wie z.B. Aureus. Und die Hygiene beim Trockenstellen ist entscheidend: sauberes Arbeiten – desinfizieren, in der richtigen Reihenfolge, in sauberer Umgebung, mit sauberen Handschuhen. Sonst geht es nicht!“
In der Laktation richtig behandeln
Um die Kühe überhaupt gesund bis zum Trockenstellen zu bekommen, müssen sie bei Problemen in der Laktation richtig behandelt werden. In einer Untersuchung der amerikanischen Wissenschaftlerin Pamela Ruegg kam im vergangenen Jahr heraus, dass zwischen 70 und 80% der Mastitisfälle nicht von einer Antibiotikagabe profitieren!
Weltweit nimmt der Anteil umweltassoziierter Euterentzündungen zu. Coliforme Keime (deren Gifte schädigen die Kühe, nicht die Erreger selbst) oder solche, die bei klassischen Nachweismethoden kein Wachstum zeigen (kein Bakterienwachstum – kein Antibiotikum), sollen bereits für gut 50% der Mastitisfälle verantwortlich sein.
Eine gute Möglichkeit, Antibiotika einzusparen, ohne den Kühen die Chance auf Heilung zu nehmen. Doch um herauszufinden, um welche Erreger es sich handelt, sind klassische bakteriologische Untersuchungen (BUs) zu langsam. Mehrere Tage dauert es, bis das Ergebnis vorliegt. Eine mögliche Lösung bieten Schnelltests, z.B. Petrifilm (wir berichteten) oder MastDecide.
Die Behandlungsmethode basiert dann auf der Schwere der Mastitis (Grad 1: nur Flocken, Grad 2: Flocken und geschwollenes Euterviertel, Grad 3: Flocken, geschwollenes Euter, Fieber, schlechtes Allgemeinbefinden) und dem Ergebnis des Schnelltests. Nur noch Euterentzündungen, die durch gram-positive Erreger ausgelöst werden, erhalten eine antibiotische Behandlung! Jede Kuh bekommt zudem unabhängig von dem Ergebnis ein Schmerzmittel und Entzündungshemmer (NSAID).
„Wichtig ist, vor der Behandlung zudem die Behandlungswürdigkeit der Kuh einzustufen: Bei älteren Kühen, Kühen mit mehr als einem betroffenen Viertel, Kühen mit chronischer Mastitis, die bereits häufiger behandelt worden sind oder eine Zellzahl von mehr als 700.000 über mehr als drei Monate aufweisen, wird ein Antibiotikum wahrscheinlich nicht anschlagen. Treffen mehrere Bedingungen zu, sollte man entscheiden, ob sich eine antibiotische Behandlung lohnt oder die Kuh besser abgeht“, rät Dr. Peter Zieger (Innovationsteam Milch Hessen).
Milchprobe prüft Behandlungswürdigkeit
Künftig wird es ein weiteres Werkzeug geben, um die Behandlungswürdigkeit von Kühen zu beurteilen. Die ersten Landeskontrollverbände bzw. Milchprüfringe haben nun ein Untersuchungsgerät in Betrieb genommen, welches die sog. Zellzahldifferenzierung beherrscht.
Bisher konnten Messgeräte lediglich die absolute Anzahl somatischer Zellen in einer Milchprobe zählen. Doch mittlerweile weiß man, dass sich der Gehalt verschiedener Zelltypen in der Milch verändert, je nachdem, ob eine Euterentzündung erst beginnt (akut) oder bereits länger andauert (chronisch). Ist es möglich, den Anteil dieser Zellen, die für eine akute oder chronische Entzündung stehen, genau zu bestimmen, lässt auch sagen, ob sich eine antibiotische Behandlung dieser Kuh noch lohnt.
„Seit wenigen Wochen sind wir in der Lage, die Proben genauso schnell zu verarbeiten wie bei normalen Zellzahlmessungen. Das ist eine wichtige Voraussetzung, die Technik demnächst flächendeckend einsetzen zu können“, erklärt Peter Höckels, Laborleiter des LKV NRW in Krefeld.
Jetzt gelte es, mithilfer dieser Ergebnisse den Eutergesundheitsstatus einer Herde noch detaillierter zu interpretieren und einen Bericht zu entwickeln, der sie für den praktischen Einsatz optimal darstellt. Daran arbeitet das Projekt
ZellDiX. Nach Abschluss dieses Projektes können die Milchkuhbetriebe die neuen Zahlen nutzen. Ob der Test teurer wird als eine normale Zellzahlmessung, steht noch nicht fest.
Gutes Futter als Basis fürs Immunsystem
Ein starkes Immunsystem benötigt viel Energie, die das Futter liefern muss. Dr. Klaus Hünting von der Landwirtschaftskammer NRW betont die für ihn wichtigsten Punkte bei der Futterkonservierung:
- Für eine Extraportion Zucker: Gras nach Tagen mit viel Sonnenschein schneiden,
- Für weniger Hefen: Silo luftdicht abdecken,
- Für den Siliererfolg: Siliermittel kosten zwar Geld, können aber viel bringen.
Tipp: Wenn irgend möglich, mit dem Erntegut über eine Waage fahren, das erleichtert die Dosierung des Siliermittels. Alternativ 10 bis 20 m2 auf mehreren Standorten mähen und Frischmasse wiegen. Am besten über den Häcklser eindosieren. Hünting rät, Siliermittel nicht als Lückenbüßer einzusetzen: „Je besser die Qualität des Ernteguts, desto größer der Erfolg des Siliermittels!“
Umsetzen in die Praxis
In den Niederlanden müssen Landwirte seit 2012 selektiv trockenstellen. Ivo Hermanussen vom Betrieb Barendonk Holsteins sagt: Erst war ich genervt, weil ich dachte, das ist unnötig. Mittlerweile will ich aber nicht mehr zurück. Wir konnten unsere Tierarztkosten auf unter ein Cent/kg senken!"
Markus Hübers (LIMA Holsteins) stellt nicht ganze Euter, sondern nur einzelne Viertel selektiv antibiotisch trocken. Das spart 40% Antibiotika ein, senkt in seinem Betrieb, in dem sich viele Leute die Arbeit teilen, aber das Risiko eines Zellzahlanstiegs. Mit Tipps zur Arbeitsorganisation!
Quelle: Low Budget Press Trip des Europäischen Agrarjournalisten-Verbandes im April 2018