Kommentar

Na also, geht doch!

Die Proteste der Milcherzeuger haben sich ausgezahlt: Aldi zeigte sich bei den Milchpreisverhandlungen plötzlich einsichtig. Jetzt muss sich die Milchbranche zusammenraufen und am Ball bleiben!

Stets konnte man sich auf eine Gewissheit verlassen: Die beiden Aldi-Unternehmen erklären im Frühjahr, was sie bereit sind für die Milch bzw. Milchprodukte zu zahlen die Molkereien akzeptieren das Ergebnis zähneknirschend. Doch diesmal kam es anders. Die beiden Aldi-Unternehmen¸ Aldi Nord und Aldi Süd, haben sich am Donnerstag dieser Woche bereit erklärt, ab Mai 2020 mehr Geld für die Milch zu zahlen.
Auch wenn die Aldi’s nun beteuern, dass man ja durchaus bereit sei, einen fairen Preis für die Milch zu zahlen („… wir zahlen mehr, als wir gemäß der Marktlage hätten akzeptieren müssen"), ohne den massiven Druck von der Straße, ohne die umfangreichen Proteste vieler Milcherzeuger, die mit ihren Traktoren vielerorts die Auslieferungslager von Aldi blockiert und damit (sehr medienwirksam) ihren Unmut gegen die geplante Milchpreissenkungen und letztlich die mangelnde Wertschätzung ihrer täglichen Arbeit zum Ausdruck gebracht haben, wäre das Verhandlungsergebnis nicht erreicht worden.
Es gibt also doch noch realistische Möglichkeiten, sich dem Preisdiktat der Discounter zu entziehen und die Abwärtsdynamik der Milchpreise zu drehen. Bleibt die Hoffnung, dass die Milchbranche nun das Momentum nutzt (das letztlich die Bewegung Land schafft Verbindung (LsV) ausgelöst hat!), um sich aus der Opferrolle zu befreien.

Mehr als nur ein billiger PR-Trick?

Die Aldi’s haben in den vergangenen Tagen immer wieder mit den schwächelnden Notierungen an den globalen Milchmärkten argumentiert. Doch anscheinend hat der Discounter einsehen müssen, dass nicht mehr ausreicht, neuseeländische Notierungen für Milchpulver als Argumentation aus der Schublade zu ziehen. Zudem stand der Discounter sich plötzlich Vorwürfen ausgesetzt, aus reiner Profitgier die aktuelle Verunsicherung rund um den Corona-Virus auszunutzen, um den Milchpreis zu drücken.
Es ist es ja ohnehin mehr als absurd, die Entwicklung der Weltmarktpreise als Argument zur Preisgestaltung von Milchprodukten in Deutschlands Kühlregalen heranzuziehen. Das würde ja bedeuten, dass Aldi in der Lage wäre, heimische Milchprodukte durch in andere, in weiter entfernten Ländern hergestellte, zu ersetzen. Weidemilch aus Australien? Quark aus Neuseeland? Schlagsahne aus Vietnam? Ob das dem Konsumenten wohl gefallen würde? Ich glaube nicht!
Wie kürzlich schon Edeka („Essen hat einen Preis verdient: den niedrigsten") und Real (Konflikt mit DMK) mussten sich offensichtlich jetzt auch die Aldi‘s eingestehen, dass sie den Bogen überspannt haben. Auch wenn die deutschen Verbraucher sehr preisbewusst sind, so scheint sich in der öffentlichen Diskussion langsam aber sicher doch die Erkenntnis durchzusetzen, dass ein Maximum an Tierwohl und Nachhaltigkeit ­- für das die heimische Milcherzeugung steht - nicht für lau zu haben ist.
Die Aldi’s und Co. können jetzt zeigen, dass sie wirklich verstanden haben worum es geht, nämlich um einen fairen Umgang mit den Milcherzeugern. Wenn sie es ernst meinen, dann lenken sie auch in den noch laufenden Verhandlungen über die weiteren Produkte der Weißen Linie, also Quark, Sahne und Käse ein. Der Handel kann jetzt beweisen, dass er eine wirkliche Partnerschaft mit der Milchbranche sucht und die 5 Cent mehr für die Frischmilch nicht nur ein billiger PR-Trick waren, um die Milchbauern von weiteren Blockaden abzuhalten.

Noch ein langer Weg …

Bei aller Euphorie über das Erreichte, sollten sich die Milcherzeuger aber im Klaren darüber sein, dass es noch ein langer Weg ist, bis sie für ihre Milch konstant eine einigermaßen „faire“ Vergütung erhalten werden. Warum?
  • Auch wenn es vor allem durch die Demonstrationen und Blockaden gelungen ist, auf die Schieflage aufmerksam zu machen (bis ins Bundeskanzleramt vorzudringen), so führt langfristig kein Weg am Dialog mit den Verbrauchern vorbei. Die Lebensmittelpreise in Deutschland sind einfach zu niedrig, das muss sich in den Köpfen der Verbraucher verankern! Dies zu kommunizieren, das muss die Aufgabe in den kommenden Monaten sein. Höchste Zeit also, dass die in der Branchenstrategie 2030 angekündigte Marketingagentur endlich ihre Arbeit aufnimmt. Hilfreich wäre es zudem, wenn eine Einigung mit dem LEH darüber erzielt würde, dass importierte Milch nach dem deutschen QM-Standard erzeugt werden muss. Eine klare Herkunftskennzeichnung für Milchprodukte (wie in anderen EU Ländern längst üblich) würde es dem Verbraucher zudem erleichtern, regionale Produkte leichter zu erkennen.
  • In der Vergangenheit haben sich die Molkereien bei den Preisverhandlungen immer wieder gegenseitig unterboten. Das muss ein für alle Mal ein Ende haben! Die Molkereien müssen lernen, dass sich höhere Milchpreise nur erzielen lassen, wenn sie enger zusammenrücken und geschlossen gegenüber den Aldi’s und Co. auftreten. Die Molkereien müssen endlich über ihre Schatten springen und dem Beispiel des Handels folgen und ebenfalls ihre Mengen bündeln.

Noch nie war die Chance so groß wie jetzt, die scheinbar bis dato fest zementierten Strukturen aufzubrechen. Die Milcherzeuger haben den Hebel an der richtigen Stelle angesetzt. Bleibt zu hoffen, dass die unterschiedlichen Organisationen und Branchenverbände sich jetzt zusammenraufen und am Ball bleiben. Dass sich gemeinsam etwas zum Positiven bewegen lässt, das haben die Aktionen der letzten Tage ja eindrucksvoll bewiesen!
Gregor Veauthier