Milchmarkt: Handel vom Verdacht des Missbrauchs freigesprochen

Zwei Tage lang hat das Bundeskartellamt Vertreter von Handel, Industrie und Milcherzeuger über die tatsächlichen Machtverhältnisse bei der Vermarktung von Milch befragt. Dabei saßen sich auch erstmals Molkereichef Theo Müller und BDM-Vorsitzender Romuald Schaber an einem Tisch gegenüber.

Hintergrund: Seit einigen Monaten schon prüft das Kartellamt die Strukturen und die Verteilung der Marktmacht auf dem Milchmarkt. Denn die Erzeuger werfen dem Handel regelmäßig vor, seine Marktmacht auszunutzen und damit die Preise zu Lasten von Bauern und Molkereien zu drücken.
Schon am ersten Tag kam es zum Schlagabtausch zwischen Theo Müller, dem „Lieblingsfeind“ der bayerischen Bauern und dem BDM-Boss Romuald Schaber. Doch der von vielen erwartete große „Crash“ blieb aus. Denn der Forderung Schabers, der Milchpreis müsse sich künftig an den Produktionskosten orientieren, stimmte Müller zur Überraschung vieler Teilnehmer demonstrativ zu. Das gleiche müsse dann aber auch für die Molkereien gelten, argumentierte der den Milchindustrieverband vertretenden Unternehmer. Die höheren Kosten müsse dann allerdings der Verbraucher tragen.

Überkapazitäten: „Milchbauern sind selbst schuld!“

Während ein Vertreter des Bauernverbandes die Einkaufsmacht des Handels für die niedrigen Milchpreise mitverantwortlich machte und sogar eine kartellrechtliche Entflechtung großer Handelsunternehmen forderte, wies der Handelsverband Deutschland (HDE) diese Anschuldigung entschieden zurück. „Wir sind nicht Schuld an der Misere der Bauern“, wird HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth zitiert. Dass es sowohl bei Milchbauern als auch bei den Molkereien Strukturprobleme und große Überkapazitäten gibt, könne nicht dem Handel angelastet werden. Und das werde der HDE auch dem Kartellamt aufzeigen. „In der Milchbranche ist dringend eine Konsolidierung nötig, um Kräfte zu bündeln, sagte Genth. Im Handel sei dies schon vor Jahren passiert. Zwar bestreitet der Handels-Manager nicht, dass es regelmäßig hart geführte Preisverhandlungen gibt. Das Ergebnis werde aber sofort und ausnahmslos an die Konsumenten weitergegeben - und das sowohl bei Ausschlägen nach unten als auch nach oben. „Von einer Preisspirale nach unten kann im langfristigen Vergleich keine Rede sein.“
Zudem kämen lediglich 14 % der in Deutschland erzeugten Milch als Frisch- oder H-Milch in die Regale des Handels, so Genth weiter. Nur 40 Prozent der in heimischen Molkereien hergestellten Produkte würden hier verkauft. Die Molkereien hätten also auch andere Absatzkanäle als den Handel – eine Erkenntnis, die beim Kartellamt auf reges Interesse stieß.

Kartellamt gegen Preistransparenz

Da selbst nach wiederholter Nachfrage beiden Beamtinnen des Kartellamtes die Vertreter der Milchbauern und Verarbeiter zugeben mussten, dass es eine solche einseitige Übermacht des Handels nicht gibt, wertet der Handel die Ergebnisse der Diskussionsrunde denn auch als „Freispruch“ vom pauschalen Verdacht, der Lebensmitteleinzelhandel diktiere mit seiner Einkaufsmacht der Milchwirtschaft die Preise. „Es gibt keine generelle einseitige Nachfragemacht des Lebensmittelhandels.“
Die Vertreter des Kartellamts erklärten, dass es die auf dem europäischen Markt herrschende Preistransparenz für schädlich hält. Diese ermögliche es Privatmolkereien, Referenzpreise unterhalb ihrer eigenen Leistungsfähigkeit zu zahlen. Zusammenschlüsse von Erzeugern befürwortete das Amt ausdrücklich, einen national einheitlichen Rohmilchpreis aber werde es nicht zulassen.