Finnland

Milcherzeugung bei Schnee und Minusgraden

Wir haben Milcherzeuger in Finnland besucht und sind beeindruckt. Selbst bei frostigen Temperaturen von minus 20°C und durchgängiger Schneedecke im Winter produzieren die Skandinavier pro Kuh und Jahr über 10.000 kg Milch. Was sind die Bedingungen?

In Finnland leben knapp 271.000 Milchkühe auf etwa 6.250 Betrieben. Wir haben uns für Sie umgehört, zu welchen Bedingungen die finnischen Milcherzeuger ihre Milch produzieren.
Etwa 86 % aller Betriebe befinden sich in Familienhand. Im Durchschnitt verfügen diese Betriebe über eine Fläche von 47 ha. Das Hauptproblem der finnischen Landwirtschaft ist der Mangel an jungen Betriebsnachfolgern, denn das Durchschnittsalter der Betriebsleiter liegt bei 53 Jahren. Aufgrund dessen beschleunigt sich der Strukturwandel in Finnland. Die jungen Betriebsleiter, die verbleiben, sind jedoch durchaus bereit zu investieren und produzieren so mithilfe von moderner Technik und viel Automatisierung Milch auf einem hohen Niveau.

Viele finnische Betriebe trotzen den zunehmenden Betriebsaufgaben mit moderner Technik und viel Tierwohl. (Bildquelle: Oehler)

An der Grenze zu Russland gibt es vereinzelt kleinere Milchkuhbetriebe. Die Mehrheit der Milchkuhbetriebe in Finnland befindet sich jedoch im Westen des Landes. Von der geographischen Lage des Betriebs hängt die Höhe der staatlichen Förderung ab. Je nördlicher ein Milchkuhbetrieb liegt, umso höher ist die Summe an Subventionen. Dieses wird mit den schwierigeren Wetter- und Umweltbedingungen im Norden des Lands begründet.

Nur zwei Schnitte für die Grassilage

Das in Finnland bewirtschafteten landwirtschaftlichen Flächen reichen vom 60. Breitengrad bis nördlich des Polarkreises. Obwohl die Vegetationsperiode kurz ist, gibt es gute Möglichkeiten, Futterpflanzen für den eigenen Betrieb anzubauen. Die eisigen Temperaturen im Winter von bis zu - 20°C haben auch einen Vorteil: Die harten Fröste bekämpfen Pflanzenkrankheiten und töten Schädlinge. Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln ist deswegen geringer als in anderen europäischen Ländern. Die kurzen Nächte der finnischen Sommermonate, in denen es kaum dunkel wird, machen den Anbau von Mais fast unmöglich. Deswegen besteht das Grundfutter hauptsächlich aus Grassilage.
Aufgrund der Witterung ernten die finnischen Landwirte nur zweimal, bei günstigen Wetterbedingungen auch dreimal im Jahr Gras. Der erste Schnitt erfolgt hier meist im Juni. Dann ist das Gras kurz, der Proteingehalt hoch. Beim zweiten Schnitt kommt es den finnischen Landwirten auf die Ertragsmasse an. Bei guten Wetterbedingungen und entsprechendem Wachstum ist in manchen Jahren noch ein dritter Schnitt Ende August drin.

Ende April in Finnland: Der Schnee ist gerade geschmolzen und das Grünland beginnt zu wachsen. (Bildquelle: Oehler)

Übrigens stammt die Methode des Futterkonservierung auch aus Finnland: Der Biochemiker Artturi Ilmari Virtanen war zunächst Laborant und später Direktor bei der finnischen Molkereigenossenschaft Valio. Später entwickelte er als Professor der Universität in Helsinki eine spezielle Silagemethode für proteinreiche Futterpflanzen, bei der wichtige Inhaltsstoffe nicht zerstört werden. Dafür erhielt er 1945 den Nobelpreis für Chemie.

Milchverarbeitung mit Hindernissen

85 % der in Finnland produzierten Milch wird vom Molkereiunternehmen Valio verarbeitet. In Europa ist Valio besonders durch überdurchschnittliche Milchauszahlungspreise bekannt. Den Lieferanten hat das Unternehmen seit kurzem die Fütterung von Soja gänzlich untersagt. Die Regelung gilt für Kühe, Rinder und Kälber.
Die Finnen haben weltweit den höchsten Verbrauch an Milch und Milchprodukten, etwa 130 Liter pro Kopf. Auch der Export von Milchprodukten lief gut. Durch die Russland-Sanktionen der Europäischen Union ab 2014 ging dem finnischen Milchmarkt jedoch ein wichtiger Handelspartner verloren. Knapp ein Drittel des Absatzes brach durch das Russland-Embargo weg. Die Verluste konnte die Branche durch eine Ausweitung der eigenen Produkte mittlerweile weitgehend auffangen. Die finnischen Milcherzeuger erhielten zudem knapp 11 Millionen Euro Hilfsgelder von der EU.


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