Milchpolitischer Frühschoppen

Milch: Staatliches Tierwohllabel (noch) nicht absehbar

Der im Umfeld der Grünen Woche ausgerichtete Milchpolitische Frühschoppen befasste sich in diesem Jahr mit dem Thema „Tierwohl“ im Kuhstall. Eine Meierei im Norden vergütet die Teilnahme am „Tierwohl-Programm“ mit 4 Cent pro Liter.

Intensiv wurde darüber diskutiert, ob ein Tierwohllabel bei Milch sinnvoll ist und welche Kriterien dieses umfassen sollte. Schon die kurzen Statements der Podiumsgäste (Dr. Katharina Kluge vom BMEL, Christoph Bossmann, Geschäftsführer der Osterhusumer Meierei, Jan Heusmann aktiver Milcherzeuger und Mitglied der Landesvereinigung der Milchwirtschaft Niedersachsen sowie Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes), zeigten wie uneins die Branche in der Einordnung des Themas ist.

So schnell kommt kein staatliches Tierwohllabel bei Milch!

Dr. Katharina Kluge vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) erklärte dass noch in diesem Jahr mit einem freiwilligen, dreistufig aufgebaut staatlichen Tierwohllabel zu rechnen sei. Allerdings würden sich die Aktivitäten zunächst auf die Schweinebranche beschränken. Anschließend soll Geflügel folgen. Die Rinder bzw. die Milch hat das Ministerium noch nicht auf die „Timeline" gesetzt. „Die Debatte ist hier ja noch verhältnismäßig ruhig, erklärte Kluge. Allerdings gebe Themen, die heute bereits intensiv bearbeitet werden, u.a. die Schlachtung trächtiger Tiere (inzwischen gesetzlich verboten), das Enthornen von Kälbern oder die Anbindehaltung von Rindern.

„Branche geht die Probleme selbst aktiv an"

Jan Heusmann, Milcherzeuger und Vorsitzender der Landesvereinigung der Milchwirtschaft Niedersachsen verwies auf die Anstrengungen der Milchbranche, Defizite aufzuheben. Als Beispiel nannte er die Beziehung zwischen Milchleistung und Abgangsrate. Hier gab es vor dem Jahr 2000 einen ganz klaren negativen Zusammenhang. Mit der Milchleistung stiegen auch die Abgangsraten. Doch man habe das Problem erkannt und steuere mittlerweile intensiv dagegen. So würden beispielsweise die Zuchtverbände den Gesundheitsparametern mehr Gewicht einräumen. „Die Abgangsraten sind jetzt rückläufig!" Zudem verwies Heusmann auf das Nachhaltigkeitsmodul Milch im Rahmen der QM-Milch-Zertifizierung.

Neue Haltungsverordnung für Kühe?

Thomas Schröder, Vorsitzender des Deutschen Tierschutzbundes (DTB), forderte eine Haltungsverordnung für Milchkühe ein. Diese sei Voraussetzung für die Einführung eines Tierwohllabels, denn nur ein gesetzliche Standard könne als Vergleichsbasis fungieren.
Der DTB selbst hat ein zweistufiges Tierwohl-Label entwickelt, das auf den Milchtüten einiger Discounter zu finden ist (u.a. bei Aldi). Aktuell melken bundesweit 139 Milcherzeuger nach den DTB-Kriterien der Einstiegstufe und 85 Milcherzeuger nach den Kriterien der Premiumstufe.
„Ja, es tut sich was“, sagte er. Allerdings habe die Gesellschaft einen anderen Blick auf die Landwirtschaft, als sie heute betrieben würde. Deutliche Kritik übte er an dem bisherigen Konzept für das staatliche Tierwohllabel von Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner.

4 ct/kg mehr für Tierwohlmilch

Als eine der ersten Molkereien in Deutschland hat sich die Osterhusumer Meierei Witzwort (Schleswig-Holstein) dem Thema angenommen, bestätigte Geschäftsführer Christoph Bossmann. Die Molkerei will mit Weide- und Tierwohlmilch neue Verbrauchergruppen ansprechen. Angesichts eines Verkaufspreises von 1,0 € pro Liter ist die Tierschutz-Milch offenbar nicht gerade ein Renner. Sie muss sich schließlich auch gegen andere Premium-Milchen durchsetzen (die i.d.R. u.a. GVO-frei sind). Deshalb wachse der Absatz auch nicht in den Himmel, die Menge sei eine Kleincharge, so Bossmann. Die Meierei hat das Aufkommen denn auch eng mit den Absatzmöglichkeiten abgestimmt, weshalb derzeit auch keine weiteren Milcherzeuger zugelassen werden.
Aus Sicht der Milcherzeuger erscheint auf den ersten Blick die Teilnahme am „Tierschutz-Programm“ sehr lukrativ (+ 4 Cent). Beim genaueren Hinsehen trübt sich der Glanz dann aber doch etwas ein. So gibt es anscheinend durchaus einige Knackpunkte in den Produktionsrichtlinien, wie z.B. das Angebot eines Laufhofs. Fast alle Milcherzeuger hätten denn auch zunächst investieren müssen. Im Durchschnitt pro Betrieb schätzt er die dabei entstandenen Kosten auf 120.000 € bis 200.000 €. Insgesamt hätten die rund 25 der Meierei angeschlossenen Milcherzeuger über 3,0 Mio. € investiert.

Milcherzeuger haben 3,0 Mio. € investiert

Viele der anwesenden Molkereivertreter bezweifelten denn auch, dass sich ein solches Tierschutzlabel bei Milch durchsetzen wird. Neben dem hohen bürokratischen Aufwand und den erforderlichen Investitionen, die viele Milcherzeuger abschrecke (ein Betrieb, der 100.000 € investiert, müsse bei einem Zuschlag von 4 Cent zunächst 2 Mio. Liter Milch produzieren, um die Investitionskoten wieder einzuspielen!), sei auch langfristig mit geringeren Zuschlägen zu rechnen. „Wenn immer mehr Molkereien Tierwohlmilch anbieten, treten sie in Wettbewerb – und dann sinkt irgendwann der Preis" prognostizierte Ingo Müller, Geschäftsführer beim Deutschen Milchkontor.

Massive Gegenwehr aus Bayern

Massive Gegenwehr zum Thema Tierwohllabel kam aus Bayern. Günther Felßner vom Bayerischen Bauernverband warnte vor einer Diskriminierung konventioneller Milch. Mit der Einführung eines Labels bestehe die Gefahr, dass nur noch (der kleine Anteil) Tierwohlmilch als „gut“ angesehen werde, die übrige Milch, die alle gesetzlichen Anforderungen erfülle, hingegen als „schlecht“. Zudem würden rund 50 % der bayerischen Milcherzeuger aus einem solchen Premium-Programm ausgeschlossen, da diese ihre Kühe im Anbindestall halten würden (Anmerkung: der Tierschutzbund fordert ein sofortiges Aus für die Anbindehaltung!). Auch einige Molkereivertreter aus (Ober-)Bayern äußerten sich kritisch. Um die Anforderungen für mehr Tierwohl zu erfüllen, müssen Milcherzeuger investieren. Allerdings bekommen sie oftmals keine Baugenehmigung für Um- oder Neubauten – weil Zielkonflikte gibt z.B. mit dem Landschafts-, Lärm- oder Geruchsschutz gibt.

Uneins …

Nach einer gut 2,5 stündigen, oftmals hitzigen Diskussion, lässt sich das Meinungsbild wie folgt zusammenfassen:
  • Die Einstiegsstufe eines Tierwohllabels sollte sich möglichst nah an den gesetzlichen Vorgaben orientieren (Anmerkung: noch gibt es diese nicht!). So könnten möglichst viele Milcherzeuger erreicht werden. Die Kriterien könnten dann stetig weiterentwickelt, das Tierwohl sukzessive verbessert werden. Der andere Weg, einen großen Abstand der Einstiegsstufe zum Gesetz zu wählen (Modell DTB), würde die Zielgruppe von Beginn an sehr zuspitzen. Denn eine solche Lösung würde letztlich nur wenige mitnehmen.
  • Kein Konsens zeichnete sich hingegen bei der Beendigung der Anbindehaltung ab. In dieser Frage scheinen die süddeutschen Milcherzeuger bzw. ihre Verbandsvertreter isoliert. Denn hinter vorgehaltener Hand erklären selbst die süddeutschen Molkereivertreter, dass sich die Anbindehaltung nicht mehr allzulange werde halten können. Das verwundert nicht, denn größere Anlieferungsmengen bedeuten auch letztlich auch geringere Kosten für die Molkereien.

Einen Film (Video) des MIV zu den Diskussionen auf dem Milchpolitischen Frühschoppen zum Thema Tierwohl finden Sie hier