Milch ist nicht gleich Milch!

Milch hat viele Facetten - darin sind sich ein Milchsommelier, ein Mokereigeschäftsführer, eine Landwirtin und ein Tierarzt einig. Dass dieses den Verbrauchern vermittelt werden muss, diskutierten sie beim Forum Milch NRW in Werl.

Trinkmilch weist viele unterschiedliche Facetten auf. Das zeigte Milchsommelier Bas de Groot zu Beginn des Forum Milch NRW in Werl, einer Veranstaltung der Landesvereinigung der Milchwirtschaft NRW. Der Niederländer demonstrierte den rund 120 Teilnehmern den Ablauf einer typischen Milchverköstigung: Zuerst riechen. Milch kann nach Gras, Mandeln oder Schlagsahne riechen, erklärte er. Dann das Glas schwenken und auf die Farbe achten: Ist die Milch am Glasrand eher weiß oder zeigt sie eher einen gelblichen Farbton? Dann einen kleinen Schluck nehmen. Achtung, die Betonung liegt auf klein, denn: Schmecken ist nicht trinken, erklärte Bas de Groot. Ein bisschen Luft dazu lassen und schmecken. Die Süße schmeckt man auf der Zungenspitze, bittere Nuancen eher hinten im Mund." Ist die Milch homogenisiert, ist ihr Geschmack süßer. Milch hat viele Geschmacksrichtungen und Qualitätsstufen, erklärte er weiter. In den vielen Möglichkeiten der Differenzierung lägen noch viele Möglichkeiten für den Milchmarkt. Denn für die Verbraucher seien Lebensmittel mittlerweile Ausdruck ihrer Identität. Weil jeder verschiedene Interessen habe, sei die Milchindustrie gut daran getan, möglichst viele Produkte anzubieten. Das biete auch kleinen Betrieben eine Zukunftschance.
Derselben Meinung war auch Dr. Rupert Ebner, Vorstandsmitglied bei SlowFood Deutschland. Mehr Vielfalt täte der Branche gut, genau so wie möglichst natürliche und naturbelassene Produkte. Standardprodukte würden zu Lasten der Milcherzeuger gehen, weil diese austauschbar und dann wenig wertgeschätzt würden. Gute Milch, die sich gut vermarkten lässt, sei für ihn Milch aus an den Boden angepasster Produktion. Die Voraussetzung für gut und fair sei eine kurze Produktionskette mit heimischen Futtermitteln.

Mehr Diversität - im Handel und auf dem Tisch

Bieten die Molkereien denn ausreichend Produkte für die verschiedenen Anlässe oder gibt es noch zu viele Standardprodukte bei Milcherzeugnissen? Wir sind noch nicht perfekt, erklärte der Deutschland-Chef von FrieslandCampin Jan Kruise. Dass die Konsumenten aber verschiedene Bedürfnisse an Milchprodukte haben, weiß auch er. Frückstücksprodukte bei Hunger, als Belohnung nach einem stressigen Tag, Verbraucher trinken Milch nicht wegen der Milch wegen!, erklärte er. Deswegen ist für ihn neben Tierwohl und Nachhaltigkeit auch sehr wichtig, dass die Produkte den Verbrauchern gefallen. Denn Milch kämpfe gegen einen immer schlechter werdenden Ruf an. Milch und Milchtrinken stünden wegen des hohen CO2-Fußabdruckes immer mehr in der Kritik. Dadurch würde die Marktsituation immer schwieriger, besonders aufgrund der wenigen und großen Player auf dem Markt. Die Branche betont nicht ausreichend, dass Milch gesund ist, erklärte Kruise. Dafür würde ein offener und ausgewogener Dialog mit der Gesellschaft und den großen Lebensmittelhändlern helfen, sowie mehr Miteinander innerhalb der Branche, ohne immer auf seinen Wettbewerbsvorteil im Fokus zu haben.
Ein gemeinsamer Dialog als Branche wünscht sich auch Landwirtin Mechthild Frentrup. Sie ist davon überzeugt, dass Milcherzeuger die Chance für einen guten Dialog nur gebündelt umsetzen können. Die Genossenschaften nehmen Landwirten viele Aufgaben ab, erklärte sie. Die Entfremdung der Verbraucher liegt ihrer Meinung darin, dass heute kaum jemand noch Berührungspunkte mit der Landwirtschaft hat. Vor 50 Jahre hatte noch fast jeder einen Landwirt in der Familie, heute ist die Landwirtschaft nicht mehr in den Familien verankert"." Der Dialog mit Verbrauchern und Gesellschaft sei deswegen eine Herkules-Aufgabe. Ein bewusstes Ausprobieren und Schmecken von verschiedenen Milchen empfiehlt sie allen Verbrauchern. Der breiten Masse ist nicht bekannt, was gut schmeckt und was besser, erklärte sie. Die fehlende Wertschätzung für Milch und Milchprodukte führt sie darauf zurück, dass vielen Menschen die Zeit fehle, Essen zuzubereiten und sich mit der Herkunft von Lebensmitteln zu beschäftigen. Das führe auch dazu, dass sich viele Missverständnisse bei den Verbrauchern weiterhin halten, z. B. dass Milch Hormone enthalte oder bei nicht-homogenisierter Milch sich Sahne oben absetze - und nicht schlechte Milch!
Übrigens, Elite Impulse hat bereits ausführlich über Milchsommelier Bas de Groot berichtet. Den vollständigen Artikel Milch ist lebendig!" können Sie hier lesen. (Hinweis: Elite Abonnenten haben freien Zugang.)