Milch: Agrarökonomen warnen vor Irrwegen

Für einen marktwirtschaftlichen Weg zur Bewältigung der gegenwärtigen Krise auf dem Milchmarkt sprechen sich Agrarökonomen der Universitäten Berlin, Göttingen und Rostock aus.

Die Aushebelung des Marktes sei in der jetzigen Krise das falsche Instrument, um Landwirten zu helfen, heißt es in einem Papier der acht Wissenschaftler. Darin kritisieren sie Überlegungen für einen Zusammenschluss der Anbieter auf einem Markt zur Durchsetzung höherer Preise als „wettbewerbspolitisch problematisch und wettbewerbsrechtlich unzulässig“, schreiben die Agrarexperten wie Prof. Stephan von Cramon-Taubadel, Prof. Matin Qaim und Prof. Ludwig Theuvsen in einer Pressemitteilung vom 07. Juni.

Einem Milchkartell oder einer staatlichen Begrenzung der Milchmenge erteilen die Wissenschaftler eine klare Absage. So sei ein „Milchkartell“, bei dem sich Landwirte zusammenschließen und gegebenenfalls mit Molkereien eine Reduzierung der Milchmenge vereinbaren, „wettbewerbspolitisch problematisch und wettbewerbsrechtlich unzulässig“, halten die Professoren fest. Davon einmal abgesehen, sei es schwer, ein solches Kartell durchzusetzen, da sich die Kräfte des Marktes nicht ohne weiteres aushebeln ließen. Außerdem sei eine Mengenreduzierung kurzfristig schwer umzusetzen, da eine Reduzierung der Fütterungsintensität von Milchkühen zu tiergesundheitlichen Problemen führen kann. Es gebe Milcherzeuger, die in der Lage seien, sehr kostengünstig zu produzieren und die an einer Produktionsdrosselung kein Interesse hätten. Forderungen nach einer staatlich durchgesetzten Begrenzung der Milchmenge lehnen die Wissenschaftler als Wiedereinführung einer staatlich administrierten Milchquote ebenfalls entschieden ab.

Warnungen vor einem Strukturbruch in der Milcherzeugung sind übertrieben

Die Agrarökonomen räumen ein, dass eine marktwirtschaftliche Anpassung zu einem Ausscheiden der am wenigsten wettbewerbsfähigen Betriebe aus der Milcherzeugung führen wird. Soziale Härtefälle" müssten hierbei durch Instrumente der Sozialpolitik abgefedert werden, heißt es weiter. Ein Worst-Case-Szenario, wonach bei anhaltend niedrigen Preisen landwirtschaftliche Betriebe massenhaft in den Ruin getrieben werden, halten die Professoren für wenig wahrscheinlich. Denn gegen eine solche Entwicklung sprechen ihrer Meinung nach folgende Punkte: Erstens kauft die EU derzeit Butter und Magermilchpulver, um ein weiteres Absinken der Preise zu verhindern. Zweitens haben die Milcherzeuger in Phasen hoher Milchpreise (zum Beispiel mehr als 40 Cent/kg in 2013/14) die Möglichkeit, finanzielle Reserven aufzubauen, und drittens trägt die auf dem jüngsten Milchgipfel zugesagte Liquiditätshilfe der Bundesregierung zumindest in bescheidenem Umfang dazu bei, finanzielle Engpässe zu überbrücken. Darüber hinaus müssen bei einer kurzfristigen Betrachtung zunächst nur die variablen Produktionskosten durch die Milcherlöse gedeckt werden. Warnungen vor einem Strukturbruch in der Milcherzeugung halten sie denn auch für unbegründet.
Problematisch sei die Situation für Betriebe, die in Erwartung hoher Milchpreise fremdfinanzierte Investitionen getätigt hätten und nun Kredite bedienen müssten. Hier müssten Landwirte und Banken gemeinsam nach Wegen suchen, finanzielle Engpässe zu überbrücken. An einer Insolvenz der Betriebe können jedoch auch die Banken kein Interesse haben, da eine Verwertung der Vermögensgegenstände oft schwierig und langwierig ist.

Die Strukturen am Milchmarkt müssen sich langfristig verändern

Die derzeit in den Medien geführte Diskussion zur angespannten Lage auf dem Milchmarkt geht deutlich über die Suche nach kurzfristigen Problemlösungen hinaus, erklären die Ökonomen. Sie hat vielmehr grundsätzlichen Charakter, denn sie betreffe folgende Fragen: Wer ist für die wirtschaftlichen Folgen von Investitions- und Produktionsentscheidungen verantwortlich und wer haftet für Risiken in einer Marktwirtschaft? Bedarf der Strukturwandel in einem Sektor staatlicher Steuerung, um die Erreichung gesellschaftlicher Ziele sicherzustellen? Soll es ein Leitbild für die Landwirtschaft in Deutschland geben und wenn ja, welches und warum? Unabhängig davon, wie die Antworten auf diese Fragen ausfallen, sollte die Wahl der Mittel und Instrumente zur Zielerreichung rational erfolgen. Das heißt, wenn die Gesellschaft etwa kleine, unter derzeitigen Markbedingungen nicht wettbewerbsfähige Landwirte fördern will, die in schwierigen Regionen wirtschaften (Mittelgebirge, Almlandwirtschaft, reine Grünlandgebiete an der Küste), dann sollte das nicht indirekt durch Eingriffe in den Milchmarkt, sondern durch direkte Zulagen erfolgen.
Aus guten Gründen habe die Europäische Union in den letzten 20 Jahren ihre Agrarsubventionen von Preisstützungen auf sogenannte Direktzahlungen und Zulagen für spezielle Umwelt- und Klimaschutzleistungen umgestellt, begründen die Professoren. Gleichermaßen gilt dieses Prinzip für Haltungsformen, die nicht unter allen Bedingungen rentabel sind, wie die Sommerweidehaltung von Milchkühen. So könnte die Weidehaltung einerseits als Umweltleistung staatlich deutlich höher honoriert werden und andererseits durch spezielle Programme von Molkereien und LEH über Preisaufschläge insgesamt besser entlohnt werden.
Quelle: AgE