Mehr, nicht weniger Handel braucht die europäische Milchbranche!

Handelsabkommen wie CETA und TTIP sind wichtig, glauben Jack Baines und Jukka Likitalo vom Europäischen Milch-Handelsverband Eucolait. Kommen künftige Handelsabkommen nicht zu Stande, könnte die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Milchbranche auf dem Weltmarkt verlieren.

Die Aussichten auf dem Weltmarkt sind gut, aber wir brauchen besseren Marktzugang durch Freihandelsabkommen. Die weltweite Nachfrage von Milcherzeugnissen wächst um ca. zwei Prozent pro Jahr, der kombinierte Importbedarf und damit der Welthandel sogar etwas schneller. Aber wie groß ist das Stück, das sich die europäischen Exporteure von diesem Kuchen sichern können? Laut EU-Kommission wird der globale Marktanteil der EU steigen, da die Bedingungen für Milcherzeugung und Verarbeitung auf unserem Kontinent generell gut sind. Hierbei spielt aber auch der Marktzugang in wichtige Einfuhrländer eine große Rolle, denn die Tarife für Milchprodukte sind im Durchschnitt weiterhin ziemlich hoch. Da weitere Zugeständnisse für Zollsätze im Rahmen der Welthandelsorganisation Lichtjahre entfernt sind, bleibt nur die bilaterale bzw. plurilaterale Route.

Konkurrenten mit Vorteilen

Trotz des Ehrgeizes der EU-Kommission gibt es einige Märkte, in denen unsere Konkurrenten bereits einen Vorteil genießen, wie etwa Neuseeland in der größten Wachstumsregion China und Südostasien, oder die USA in Mexico. Dieser Abstand wird sich noch vergrößern, sollte das Transpazifische Freihandelsabkommen (TPP) zwischen 12 Ländern, die über ein Drittel des weltweiten BIP ausmachen, ratifiziert werden.
Die EU hat in den vergangenen Jahren einige wichtige Handelsabkommen wie mit Südkorea und Vietnam aushandeln können. Mit den meisten für die Milchbranche wichtigen Märkten ist man aber noch in der Anfangsphase oder wie mit China noch an der Startlinie. In einigen Fällen wie mit Mexiko oder der Türkei gibt es bereits Handelsabkommen, welche aber für den Bereich der Milchprodukte quasi ohne Bedeutung sind. Diese sollen in den kommenden Jahren modernisiert werden.

Die Krise der europäischen Handelspolitik

Die EU-Handelspolitik befindet sich im Moment in einer Legitimitätskrise. Laufende Verhandlungen, insbesondere TTIP werden als stark undemokratisch und nur dem Interesse der multinationalen Unternehmen dienend kritisiert. Dies geht mit dem allgemeineren Trend von steigenden Populismus und Misstrauen gegenüber der freien Wirtschaft und Globalisierung einher. An Freihandelsabkommen verdienen nur die Großen während normale Bürger ihre Arbeit verlieren und amerikanischen Hormonfleisch, genmodifizierten Produkten und anderen Ungeheuern ausgesetzt werden, so eine weit verbreitete Ansicht, die es zu bekämpfen gilt. Die Aufklärung über den konkreten Nutzen jedes Handelsabkommens muss deutlich besser und überzeugender werden, auch in unserem Sektor, obwohl der Weltmarkt mittlerweile wohl von einem Großteil der Branche eher als Chance anstatt als Bedrohung angesehen wird.
Zudem leidet die Handelspolitik an internen Hindernissen, wie etwa in Sachen Investitionsschutz an der Kompetenzverteilung zwischen Kommission und Mitgliedstaaten. Aufgrund dieser Problematik sind die Handelsabkommen mit Singapur und Kanada noch nicht abgewickelt. Das kanadische Handelsabkommen CETA wird außerdem zunehmend wie TTIP betrachtet, was die Ratifizierung durch das europäische Parlament sowie die nun vorgesehene Ratifizierung durch die 28 Mitgliedstaaten gefährden könnte.
Trotz der genannten Schwierigkeiten bereitet die Kommission weitere Verhandlungen mit Ländern wie Neuseeland und Australien vor. Aufgrund der begrenzten Ressourcen sollte aber der Fokus eher darauf gesetzt werden, die jetzigen Verhandlungen schleunigst zu Ende zu führen.

Auch auf dem europäischen Markt gibt es Schwierigkeiten

Der wichtigste Absatzmarkt bleibt selbstverständlich nach wie vor der gemeinsame Binnenmarkt, auf dem mehr als 85 Prozent der EU-Milch in verschieden Formen verkauft wird. Zum Teil aus den gleichen Gründen wie bei Freihandelsabkommen, werden nun auch der Binnenmarkt und die EU im Allgemeinen zunehmend angegriffen. Davon zeugt nicht nur das Ergebnis des Brexit-Referendums, sondern eine steigende Anzahl an Maßnahmen in verschiedenen Mitgliedstaaten, um „ausländische“ Waren aus dem Land zu halten. Der gravierendste Schritt in diesem Zusammenhang war die vor kurzem erteilte Erlaubnis der EU-Kommission für das französische Projekt, eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung für Milch, zwei Jahre lang auszuprobieren. Diese rein politische Entscheidung öffnet die Tür für ähnliche Gesetze in anderen Mitgliedstaaten, die bereits wie Champignons aus dem Boden schießen.
Den gemeinsamen Markt zusammenzuhalten und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Milchbranche auf dem Weltmarkt durch ein „level playing field“ zu gewährleisten, das sind aus unserer Sicht die größten Herausforderungen für die EU in den kommenden Jahren.
Quelle: MIV Milch Politik-Report, Oktober 2016