Labels noch zukunftsgemäß?

Verbraucher entscheiden selber, was sie kaufen möchten. Die Verbraucherwünsche von Angebotsseite aus zu ignorieren wäre wirtschaftlich kontraproduktiv. Die Milcherzeugung dementsprechend auszurichten ist jedoch eine Herausforderung.

Verbraucherumfragen zeigen, dass sich die Konsumenten qualitativ hochwertige Milchprodukte wünschen und auch bereit sind, dafür mehr zu bezahlen. Vorm Discounterregal entscheiden sich viele Kunden dann jedoch wieder für die günstigste Variante. Diese Problematik untersucht die Studie von Yascha Koik, Doktorandin an der FH Kiel. In der Studie wurden unter anderem 517 Verbraucher zur Milcherzeugung befragt und 1.530 Beobachtungen zum möglichen Verbraucherverhalten bei Tierwohlmilch erfasst. Ergebnisse der Studie sind:
  • Verbraucher entscheiden sich auch bei Tierwohlmilch sehr preisbewusst. Bei Milch mit einem Tierwohllabel wurde am häufigsten die günstigste Marke vom Discounter gewählt.
  • Frauen haben im Vergleich zu den Männern eine höhere Zahlungsbereitschaft.
  • Personen aus Haushalten ohne Kinder sind eher bereit, Tierwohlmilch zu höheren Preisen zu kaufen.
  • Personen ab einem Alter von 60 Jahren sind weniger gewillt, teure Tierwohlmilch zu konsumieren. Das gleiche Kaufverhalten gilt auch für Haushalte mit geringem Einkommen.
  • Konsumenten, die sich regelmäßig über landwirtschaftliche Themen informieren, sind eher bereit, mehr Geld für Tierwohlmilch auszugeben.
  • Bildung und Wohnlage (städtisch/ländlich) zeigten keinerlei signifikanten Einfluss auf die Verbraucherentscheidung.

Eine Studie des britischen Marktforschungsinstituts Mintel weist darauf hin, dass auf die Milchbranche zunehmend noch eine ganz andere Entwicklung der Konsumenteninteressen einwirkt. Sie zeigt, dass bestimmte Verbrauchergruppen sich, über die Wünsche für mehr Tierwohl hinaus, ganz von dem tierischen Produkt abwenden. Kuhmilch bekommt eine wachsende Konkurrenz durch Milchalternativen wie Mandel- oder Hafermilch. Gerade in der jungen Generation wird tierische Milch nicht mehr nur" aus ethischen und gesundheitlichen sondern vielmehr aus umweltschützenden Gründen abgelehnt. So ergab die Mintel-Studie, dass 27% der britischen 16 bis 24-Jährigen keine Kuhmilch mehr verzehren. Offen bleibt die Frage, wie sich die Nachfrage nach Kuhmilch aus den genannten Gründen langfristig entwickeln wird. Setzt sich der Trend fort, sollte das der Branche zu denken geben. Eins der von jungen Menschen genannten Argumente in Bezug auf den Umweltschutz ist der Einsatz von importierten Futtermitteln, insbesondere Soja aus Südamerika.

Leisten Label das, was sie sollten?

Die Verbraucherwünsche von der Angebotsseite, also der Milcherzeugerebene sowie auch der Molkereien, aus zu ignorieren wäre wirtschaftlich kontraproduktiv. Die Milcherzeugung dementsprechend auszurichten ist jedoch eine Herausforderung. Die Frage auf der Suche nach einem Lösungsweg ist, ob die Verbraucher mit einer noch größeren Anzahl an Labels und Logos tatsächlich besser erreicht werden können. Beziehungsweise, sie genügend über die Produktionsweise ihrer" Milch aufgeklärt werden können. Bei einer Passantenbefragung des Bayerischen Rundfunks kannten die Teilnehmer verschieden Logos nicht und wussten nicht, was diese überhaupt bedeuten. Des Weiteren wurde die Verlässlichkeit der Siegel angezweifelt (siehe Onlineartikel). Auch bei der oben beschriebenen Studie von Yascha Koik kam heraus, dass nur 28,63% der Befragten Tierwohlkennzeichnungen leicht erkennen.
Anstatt also auf noch mehr unterschiedliche Labels zu setzen, sollte vielmehr für die gesamte Branche eine einheitliche Lösung gefunden werden. Das dies notwendig ist, ist sicher. Denn der Ruf nach mehr Tierwohl und umweltverträglicheren Produktionsweisen wird weiter wachsen.

Tierwohlprämie als Lösung?

Die Politik will unter anderem mit ihrem staatlichen Tierwohllabel helfen, eine einheitliche Lösung für die Nutztier-Branche zu finden. Inwiefern dies auch hilfreich ist, wird jedoch stark hinterfragt und diskutiert. Prof. Folkhard Isermeyer (Agrarökonom und Präsident des Thünen-Instituts) forderte jüngst, dass die Nutztierhalter aus der „zermürbenden Dauer-Defensive“ raus müssen. Nach seiner Ansicht könnte ein „Gesellschaftsvertrag mit überzeugenden Zielbildern und verlässlichem Finanzierungskonzept“ eine Lösung sein. Dafür müssten Zielbilder für eine akzeptierte Nutztierhaltung konkretisiert und nötige Finanzierungsinstrumente eingerichtet werden. Auf einem solchen Weg könnte die Nutztierhaltung in Deutschland, laut dem Wissenschaftler, wieder Akzeptanz finden und damit die Nachfrage nach tierischen Produkten erhalten bleiben. Finanziert werden soll dieser Lösungsansatz mit einer Tierwohlprämie und einer Investitionsförderung. Die Prämienhöhe soll die Investitionen der Landwirte ausgleichen und die Mehrkosten wären somit einkommensneutral. Der Bund soll bei der Finanzierung der Prämie auf eine steuer- oder abgabenfinanzierte Lösung setzten. Beispielsweise könne man auf die Mehrwertsteuerermäßigung (7% statt 19% MwSt.) für Milch- und Fleischerzeugnisse verzichten. Tierische Lebensmittel in Deutschland etwa auf diesem Weg zu verteuern wäre nicht unverschämt. Denn in kaum einem anderen westeuropäischen Land sind die Lebensmittel so günstig wie in Deutschland. Das passt definitiv nicht zu den Rufen nach mehr Tierwohl!
Das Geld nötig ist, um mehr Tierwohl in der Nutztierhaltung zu erreichen, sieht auch Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner. Bei der Finanzierung dürfe man die Landwirte nicht alleine lassen „es muss sich für sie lohnen, höhere Standards einzuhalten“, so Klöckner im Fachgespräch der MuD Tierschutz (19.9.19). Ziel müsse es sein, dass es in Deutschland eine moderne Nutztierhaltung gibt, „die gesellschaftlich akzeptiert und einen Fokus auf das Wohl der Tiere legt. Gleichzeitig muss sie wirtschaftlich tragfähig sein, damit unsere Lebensmittel auch zukünftig in Deutschland produziert werden können. Beides gilt es in Balance zu bringen, so die Ministerin.
Quelle: Studie Yascha Koik, Mintel-Studie, BR, AgE


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