NMC Annual Meeting in Savannah

Klinische Mastitis, aber keine Erreger?

Lassen sich mithilfe von Schnelltests Antibiotika reduzieren? Welche Auswirkungen ziehen Eutererkrankungen, die schon vor der ersten Kalbung auftreten, auf das spätere Leistungsvermögen der Kühe? Informationen von der NMC Mastitiskonferenz 2019.

In knapp jeder zweiten Milchprobe, gewonnen aus dem Euter einer klinisch erkrankten Kuh, finden sich keine Erreger. Eigentlich müssten sich in der Milch vorhandene Erreger aufspüren lassen. Warum ist das oftmals nicht der Fall. Selbst moderne, gentechnisch basierte Analyseverfahren wie z. B. PCR (Polymerase-Kettenreaktion) können hier oft nicht weiterhelfen (mithilfe der PCR-Methode lässt sich die Erbsubstanz (DNA) vervielfältigen), denn die Kontamination mit Fremd-DNA führt unweigerlich zu falsch positiven Ergebnissen. Bei der Probennahme im Kuhstall scheint eine saubere Entnahme der Milchprobe (ohne Fremd-DNA) aber quasi unmöglich. Um eventuell vorhandenen Erreger im Euter nachweisen zu können, müsste die Milch unter sterilen Bedingungen aus der Zitze entnommen werden. Das geht nur mit einer speziellen Lanze unter Vakuumeinfluss und erfordert sehr große Erfahrung bei der Anwendung.
Eigentlich wissen wir gar nicht so viel über die Entstehung von Mastitis!"
Einige Wissenschaftler führen die Tatsache, dass sich in den Milchproben euterkranker Kühe oftmals keine Erreger auffinden lassen, auf eine Störung des „Ökosystems Euter“ zurück. Es wird gemutmaßt, dass das Euterinnere nicht steril ist (wie bislang angenommen), sondern im Euter ein Mikrobiom vorhanden ist. Störungen des Immunsystems (Stress) können die Zusammensetzung der Bakterien-WG (Mikrobiom) im Euter verändern und somit die Entstehung von Eutererkrankungen begünstigen. Allerdings scheint diese Hypothese noch sehr unausgegoren. Aber dennoch vermutet Pamela Ruegg von der Universität Madison Wisconsin, dass die Auslöser einer (klinischen) Mastitis (noch) weitgehend unbekannt sind: „Eigentlich wissen wir gar nicht so viel über die Entstehung von Mastitis!“

Viele Färsen mit Mastitis

Intensiv diskutiert wurde auch das Thema Färsenmastitis. Gleich mehrere Autoren nahmen sich des Themas an, u. a. auch, weil neuere Schätzungen davon ausgehen, dass fast jede zweite Jungkuh (43 %) betroffen ist.
Einig waren sich die anwesenden Mastitisexperten, dass die ökonomischen Auswirkungen einer Färsenmastitis weitgehend unterschätzt werden. Bedenkt man, dass die Aufzucht einer Jungkuh zwischen 1.500 und 2.000 Euro kostet, dann können Eutererkrankungen bei Jungkühen zu enormen wirtschaftlichen Verlusten führen. Immerhin gelten Mastitiden als die häufigste Abgangsursache von Jungkühen. Zudem besteht das Risiko, dass nach einer Mastitis in der ersten Laktation die Milchleistung in den nachfolgenden Laktationen geringer ausfällt, da das Eutergewebe nachhaltig geschädigt wird (Verringerung der Menge des Drüsenepithels).
Eine Färsenmastitis gilt als besonders tückisch, da sie oft bereits vor der ersten Abkalbung vorhanden (aber nicht sichtbar) ist und auch zu Laktationsbeginn nicht unbedingt zu einem Anstieg des Zellgehaltes in der Milch führen muss, erklärte Paula Ospina von der Cornell University. Bleibt die Frage, wie dem Auftreten einer Mastitis bei hochtragenden Rindern und Jungkühen vorgebeugt werden kann? Vinicius Machado von der Texas Tech University umriss die wichtigsten Prophylaxemaßnahmen:
  • Euter-Schwellung vorbeugen
  • Anmelken bereits vor der Kalbung
  • Zitzen desinfizieren
  • Zitzenversiegler einsetzen
  • Antibiotika (Trockensteller) verabreichen

Einig waren sich die Mastitisexperten darin, dass Antibiotika bei Rindern vor der ersten Abkalbung nur injiziert werden sollten, sofern ein „massives" Problem vorliegt. Das ist der Fall, wenn mehr als 15 % der Jungkühe unmittelbar nach dem Abkalben eine klinische Infektion aufzeigen oder wenn bei mehr als 15 % der Zellgehalt einen Schwellenwert von 150.000 Zellen/ml überschreitet.
In einer Studie wurde kürzlich überprüft, ob sich Zitzenversiegler als Alternative zur Antibiose eignen (Übersicht). Darin wurde 886 Färsen entweder ein Zitzenversiegler oder aber ein Zitzenversiegler plus Trockensteller (Amoxicillin) verabreicht. Ergebnis: Der Zitzenversiegler allein führte zu keiner Absenkung des Zellgehaltes. Hingegen traten bei den antibiotisch trockengestellten Färsen bzw. nach einer Kombinationsbehandlung (Versiegler plus Trockensteller) deutlich geringere Zellgehalte und weniger Neuinfektionen auf.
Versiegler

(Bildquelle: Elite Magazin)

Aber auch durch die Auswahl / Selektion geeigneter Vererber lässt sich die Eutergesundheit der Jungkühe verbessern. Wie Dan Weigel vom Pharmakonzern Zoetis erläuterte (Zoetis führt mittlerweile eines der größten Holstein-Zuchtprogramme in den USA), lässt sich dank Genomics bzw. durch die Auswahl von Rindern, die weitgehend resistent gegen Mastitiserreger sind, das Auftreten (Inzidenz) von Mastitis um rund 40 % reduzieren.

Milchqualität zahlt sich aus

Dass es sich im täglichen Herdenmanagement auszahlt, immer auch einen Fokus auf die Verbesserung der Eutergesundheit zu richten, war Brandon Treichler (Tierarzt und Mastitisexperte aus Texas) überzeugt: „Ein geringer Zellgehalt zahlt sich immer in Barem aus!“ Der Experte verwies auf die Ergebnisse einer bislang noch unveröffentlichten Studie (von Elanco Animal Health), in welche die Daten von 460.269 Kühen eingeflossen sind. Demnach ist der Milchverlust bei einer gestörten Eutergesundheit immens. Vor allem bei niedrigen Zellzahlen scheinen die Milchverluste deutlich größer als bislang angenommen. Ein Anstieg des Zellgehaltes um 100.000 Zellen/ml lässt die Milchleistung demnach um 2,5 kg sinken (Übersicht). Ein Anstieg des Zellgehaltes von 100.000 auf 300.000 Zellen würde also täglich 5,0 kg Milch „kosten“. Ähnliche Daten wurden auch in einer irischen und in einer brasilianischen Studie ermittelt.
Zellen und Milchleistung

(Bildquelle: Elite Magazin)

Weniger Antibiotika dank Schnelltest

Möglichkeiten, wie sich der Einsatz von Antibiotika verringern lässt, wurden ebenfalls intensiv diskutiert. Mastitis-Schnelltests können hier eine wichtige Rolle spielen. Denn diese Diagnose-Methoden können innerhalb weniger Stunden einen Hinweis geben, ob eine euterkranke Kuh mit Antibiotika behandelt werden muss. Die Verabreichung von Antibiotika hängt zum einen von der Schwere der Erkrankung ab, zum anderen aber auch von der Art der Erreger.
Z.B kann man auf den Einsatz von Antibiotika risikolos verzichten, sofern sich kein Bakterienwachstum nachweisen lässt. Ähnliches gilt für die lokale Anwendung von Eutertuben, sofern sich dort sogenannte gram-negative Mikroorganismen wie Escherichia coli eingenistet haben. Bei leichten oder mittleren von diesen Erregern ausgelösten Mastitiden ist eine lokale antibiotische Behandlung unnötig.
In der Praxis (insbesondere von Tierärzten) werden diese Schnelltests jedoch immer noch sehr kritisch beurteilt – jedoch zu Unrecht, wie mehrere Feldversuche jetzt belegen. So präsentierte Amy Vasquez von der Cornell University die Ergebnisse einer auf acht im US-Bundestaat New York gelegenen Milchfarmen (500 bis 1.000 Kühe) durchgeführten Studie. Um die Aussagekraft eines Mastitis-Schnelltests zu überprüfen, haben zwei der acht Farmen einen solchen On-Farm-Test eingesetzt (Minnesota Tri-Plate). Sechs weitere Farmen haben alle ihre Milchproben täglich an ein zertifiziertes Milchlabor gesandt. Die Ergebnisse lagen in aller Regel nach 24 Stunden vor. Auf Basis der Analyse-Ergebnisse (Schnelltest bzw. Laborbericht) erfolgte die Behandlung der Kühe. Ergebnis:
Die mit dem Schnelltest im Stall ermittelten Ergebnisse stimmten bei  80 % aller Fälle mit den Laboranalysen überein. Auf den acht Milchfarmen konnten letztlich durch das regelmäßige Monitoring erhebliche Mengen an Antibiotika eingespart werden (je nach Farm zwischen 6,8 und 92,5 %)
Auch eine Arbeitsgruppe der kanadischen Universität Montréal hat sich mit Mastitis-Schnelltests beschäftigt. Hier lag der Fokus auf dem Trockenstellen. In der Region Quebec wurden 569 Kühe aus neun Milchfarmen (2.251 Euterviertel) zufällig vier Behandlungsgruppen zugeteilt:
  • SDCT: Trockensteller in infizierte sowie Zitzenversiegler in gesunde Euterviertel
  • SDCT+V: Trockensteller plus Versiegler in infizierte sowie Zitzenversiegler in gesunde Euterviertel
  • BDCT: Trockensteller in alle Euterviertel
  • BDCT+V: Trockensteller plus Zitzenversiegler in alle Euterviertel

Die Milch der Kühe der beiden SCDT-Gruppen (selektives Trockenstellen) wurde einen Tag vor der letzten Melkzeit mithilfe eines Schnelltests (Petrifilm) untersucht. Ließ sich kein Erreger feststellen, dann wurde nur ein Zitzenversiegler verabreicht (kein Trockensteller!). In den beiden Gruppen wurden so insgesamt 320 Viertel ausschließlich mit einem Versiegler trockengestellt, in 245 Vierteln wurde ein Trockensteller injiziert.
Ergebnisse: Unter dem Strich konnten durch Anwendung der beschriebenen Protokolle (Laboranalyse bzw. Schnelltest) die Antibiotikagaben im Durchschnitt aller Farmen um 58 % reduziert werden (32 % bis 75 %, je nach Herde). Die Anwendung des Schnelltests hatte keine negativen Auswirkungen.
Weitere, detailliere Informationen zum NMC-Kongress finden Sie in Elite Heft 2/2019 (Kongressbericht) sowie in Heft 3/2019 (Wissenschaft).


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