In den Wintermonaten bis hin zum Frühjahr besteht in vielen Regionen die Möglichkeit, überschüssige Speisekartoffeln für die Tierproduktion zu nutzen. Besonders der hohe Energiegehalt in Form von Stärke und ihre Schmackhaftigkeit sind Argumente, Kartoffeln in Rationen für leistungsstarke Milchkühe einzusetzen. Um die Vorteile von Kartoffeln zu nutzen, gleichzeitig aber keine Risiken hinsichtlich Schwankungen, Futterselektion oder Verderb einzugehen, sollte der Einsatz von Kartoffeln möglichst langfristig geplant und in der Rationsgestaltung einkalkuliert werden.
Regeln für die Fütterung von Kartoffeln
Kartoffeln haben einen hohen Futterwert, da sie viel Energie in Form von Stärke enthalten. Dabei wird Kartoffelstärke relativ langsam abgebaut. Vor allem bei günstigen Preisen sprechen die Inhaltsstoffe für einen Einsatz in Milchkuhrationen. Folgendes sollte bei der Rationsgestaltung beachtet werden:
- Der Trockenmassegehalt (TM) liegt durchschnittlich bei 22%.
- Mit 8,4 MJ NEL/kg TM sind Kartoffeln sehr energiereich. Ihr Eiweiß-, Stärke- und Energiegehalt ähnelt dem von Körnermais. Sie sind also kein Grobfutter!
- Die Stärke wird langsamer abgebaut als Getreidestärke. Kartoffeln enthalten im Durchschnitt ca. 47 g beständige Stärke je kg, d.h. etwa 210 g je kg TM (doppelt so viel wie Getreide). Milchkühe können etwa 1,2 bis 1,5 kg beständige Stärke im Dünndarm vertragen.
- Der nXP-Gehalt liegt bei 162 g, der Rohproteinwert bei 96 g/kg TM. Durch die negative RNB ist eine entsprechende Eiweißergänzung notwendig.
- Wegen des sehr geringen Rohfasergehaltes sollte auf eine ausreichende Strukturversorgung geachtet werden.
- Kartoffeln werden roh verfüttert und sind sehr schmackhaft für Kühe (Achtung Grobfutterverdrängung).
- Die Kartoffeln müssen zur Fütterung sauber, nicht angefault, nicht grün und nicht stärker gekeimt sein.
- Für Milchkühe werden Höchstmengen von bis zu 10 kg Kartoffeln pro Tag empfohlen. Eine ausreichende Gewöhnung ist wichtig.
- An niederleistende oder trockenstehende Kühe sollten nur geringe Mengen verfüttert werden, da Stärke Verfettungen provozieren kann.
- Die Tagesmenge hängt von den verwendeten Futtermitteln in der Gesamtration ab. Je maisbetonter die Ration ist, desto weniger Kartoffeln können eingesetzt werden. Je höher der Anteil an Grassilage, desto mehr Kartoffeln sind vertretbar.
Ist Solanin ein Risiko?
Solanin ist ein giftiges Alkaloid, das unter anderem in der Kartoffel vorkommt und häufig als Problem für die Fütterung gesehen wird. Es ist allerdings schwierig abzuschätzen, ab welcher Konzentration Schäden am Tier auftreten. Bis ca. 100 mg Solanin je kg Kartoffel gelten als normal. Im Vergleich zu Untersuchungsergebnissen von Schafen ergäbe sich eine Toleranz von etwa 130 g Solanin für ein 600 kg schweres Rind. Danach wäre das Risiko einer Vergiftung als eher gering einzuschätzen. Da sich Solanin insbesondere in grünen Kartoffeln und in den Keimen konzentriert, ist es entscheidend, dass die Kartoffeln entsprechend sauber angeliefert werden.
Achtung: Schwankungen und Futterselektion
Kühe reagieren negativ auf Schwankungen in der Rationsgestaltung.
- Deshalb ist das Verfüttern von Kartoffeln nur sinnvoll, wenn sie über eine längere Zeit eingesetzt werden können, zum Beispiel über das Einsilieren. Hier ist es aber wichtig, die Kartoffeln gleichmäßig im Silo zu verteilen und wieder zu entnehmen, um den Kühen täglich einen möglichst identischen Anteil vorzulegen.
- Bei der Fütterung frischer Kartoffeln ist allgemein keine Kontinuität der Ration gewährleistet. Deshalb sind eine langfristige Planung und entsprechende Lagermöglichkeiten wichtig. Von einem Zukauf geringer Mengen "zu Schnäppchenpreisen" ist abzuraten.
Das zweite Problem ist Futterselektion.
- Kartoffeln sind sehr schmackhaft und werden gut und gerne von den Kühen selektiert. Bei frischer Verfütterung bietet es sich an, die Kartoffeln zu zerkleinern.
- Entscheidend ist, dass die Ration unabhängig vom Kartoffeleinsatz möglichst nicht selektierbar ist (kurze Futterpartikel, feucht, homogen etc.). Auch wenn die Kühe nach Kartoffeln suchen, zerlegen sie somit nicht die gesamte TMR.
- Insgesamt beanspruchen Kartoffeln in Mischrationen noch einmal mehr regelmäßiges Controlling!
Lagerung: Frisch füttern oder einsilieren
Frisch füttern: In den meisten Betrieben werden Kartoffeln frisch gefüttert. Die Variante ist günstig und verursacht den geringsten Arbeitsaufwand.
- Gewaschene Kartoffeln sollten allerdings innerhalb von sieben bis zehn Tagen verfüttert werden.
- Zudem müssen Kartoffeln kühl und trocken gelagert werden, zum Beispiel unter einer Vlies-Abdeckung.
Einsiliert füttern: Eine Konservierung ist separat oder in Kombination mit Grobfuttern möglich.
- Das alleinige Silieren ist zum Beispiel als Schlauchsilage möglich, wird in der Praxis aber nur selten genutzt.
- Eine andere Möglichkeit ist das gemeinsame Einsilieren mit Gras oder Mais (wenn der Zeitpunkt und die Menge passen). Das heißt, Kartoffeln und Silage werden in abwechselnden Schichten eingefahren. Damit die Kartoffeln nicht keimen und wenig Erde eingetragen wird, sollten die Kartoffeln vorher gewaschen werden. Die Kartoffeln zu zerkleinern ist nicht sinnvoll, weil sie dadurch sehr viel Flüssigkeit verlieren würden. Das Einsilieren der Kartoffeln ermöglicht den Zukauf großer Mengen und vor allem eine langfristige Fütterung.
Was dürfen Kartoffeln kosten?
Ob sich der Einsatz von Kartoffeln lohnt, hängt grundsätzlich von ihrem Zukaufspreis im Vergleich zu alternativen Futtermitteln ab. Zudem müssen mögliche Abschläge für Transport, Lagerung, Nährstoffschwankungen und zusätzliche Arbeit kalkuliert werden. Die Preiswürdigkeit ist also betriebsindividuell zu ermitteln. Zur Orientierung sollte mit einem Risikoabschlag zwischen 20 und 30% gerechnet werden.
Beispiel: Kosten Rapsschrot 30 €/dt und Weizen 20 €/dt, sind Kartoffeln maximal 4,70 €/dt bzw. 3,30 €/dt inklusive 30 % Risikoabschlag wert. Mögliche Transportkosten sind hierbei noch nicht berücksichtigt.
Tabelle: Preiswürdigkeit von Kartoffeln in der Milchkuhfütterung
Futtermittel
|
Preise
|
Preis je dt Weizen
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20 €
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23 €
|
Preis je dt Rapsschrot
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25 €
|
30 €
|
25 €
|
30 €
|
Preiswürdigkeit Kartoffeln je dt
|
4,80 €
|
4,70 €
|
5,60
|
5,50
|
Quellen: u.a. Andrea Meyer, Landwirtschaftskammer Niedersachsen; Christine Hinz, Rensing Landservice GmbH & Co. KG; Gert Borcherding, Beratungsring Altkreis Lingen (Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben 18/2020)
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