Höhere Margen mit Milch aus der Region

Regionalmarken wie die Faire Milch versprechen höhere Milchpreise. Immer mehr Verbraucher greifen zu „fairen“, in der Region hergestellten Produkten.

In NRW, Deutschlands bevölkerungsreichstem Bundesland soll regional erzeugte Milch für höhere Wertschöpfung auf den Höfen sorgen. Dahin gehen jedenfalls Bestrebungen der Politik und der Wirtschaft. Die neue rot-grüne Landesregierung will laut Landwirtschaftsminister Johannes Remmel den Absatz von Milch und Milchprodukten ankurbeln. Sie plant deshalb den Ausbau regionaler Marken zu fördern. Aktuell wird geprüft, ob ein Gütesiegel „geprüfte Qualität aus NRW“ hilfreich ist.
Am 24. September bringen Rewe und tegut die Faire Milch der BDM-Tochter MVS in Nordrhein-Westfalen auf den Markt. Abgefüllt wird der Rohstoff von 10 regionalen GVO-frei fütternden Erzeugern bei Naarmann. Zunächst sei eine jährliche Abgabemenge von neun Millionen Liter mit Abnehmer Rewe vereinbart, so BDM-Aktivist Rütger Holsteg aus Hamminkeln-Loikum. Laut MVS werden inzwischen bundesweit 36 Mio. kg Milch im Fairpreissegment abgesetzet.

Eine Million Euro an zusätzlichem Milchgeld

Ob ein solches Gütesiegel aber ausreicht, um die Verbraucher zum Kauf der Produkte zu animieren, ist zweifelhaft. Ausschlaggebend für den Erfolg am Markt sei, „dass das Produkt ein Gesicht hat, mit dem sich die Verbraucher identifizieren können“, so Hans-Peter Bierwith, Geschäftsführer der Bubi-Frischdienst GmbH in Dortmund. „Ein wesentlicher Punkt dabei ist die Glaubwürdigkeit der Herkunft und eine positive Assoziation mit der beworbenen Region.“
Bubi setzt auf „faire Milch“ und traditionelle Herstellungsverfahren, also auf den Verzicht auf die Milch mit verlängerter Haltbarkeit (ESL-Milch). Vermarktet wird die Frischmilch über die Handelskette Rewe. Um den 160 teilnehmenden Milchbauern aus Nordrhein-Westfalen die Existenz zu sichern, wurde laut Bierwirth eine zusätzliche Abgabe in Höhe von 10 Cent pro Liter festgelegt. Außerdem wurde die Milch in Dortmund mit dem Siegel „NRW Heimat Produkt Rewe“ der Handelskette ausgestattet. Dies solle die emotionale Bindung zum heimischen Bundesland verstärken. Nach knapp einem Jahr habe man den teilnehmenden Landwirten 1 Mio. Euro an zusätzlichem Milchgeld überweisen können.
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(Bildquelle: Elite Magazin)

„Als einer der größten Vermarkter regionaler Produkte gilt Edeka Südwest. Unter der regionalen Marke „Unsere Heimat – echt & gut“ vermarktet Edeka Südwest ausschließlich Lebensmittel, die in der Region angebaut, geerntet, verarbeitet und verpackt werden. Das Sortiment umfasst neben Obst und Gemüse auch Milch- und Molkereiprodukte. Die fair gehandelte Milch wird von drei Molkereien aus dem Absatzgebiet der Edeka Südwest geliefert. Die hier angeschlossenen Milchbauern profitieren von einem um zehn Prozent über dem verhandelten Einkaufspreis liegenden Preisaufschlag, den Edeka Südwest an die Molkereien zahlt. Diese geben den Aufschlag eins zu eins an die Milchproduzenten weiter. Die Auszahlung wird durch einen unabhängigen Wirtschaftsprüfer überwacht. Auch der Discounter Netto (ehemals Plus) bietet unter der Dachmarke Ein Herz für Erzeuger" seit August 2008 fair gehandelte fettarme H-Milch an. Der Umsatzanteil der Milch dürfte aktuell bei gut zehn Prozent liegen.

Nach Bio kommt jetzt „Local Food“

Nach Bio" kommt jetzt Regio". Seit die Bio-Welle etwas abflacht, sind regionale Lebensmittel, neudeutsch local food, im Kommen. Eine wachsende Zahl von Kunden legt Wert darauf, dass ihre Lebensmittel nicht von weither herangekarrt, geschifft oder geflogen werden, sondern aus der Region" stammen. Die Wertschätzung der Verbraucher für regionale Produkte lässt sich empirisch belegen. Nach einer repräsentativen Umfrage des Marktforschungsunternehmens Dialego von 2009 greifen mehr als zwei Drittel der Deutschen gezielt zu regionalen Produkten, also zu solchen, die in der Region, in der man lebt, hergestellt oder angebaut wurden. Als wichtigsten Grund geben die Befragten an, regionale Betriebe unterstützen zu wollen (76 %). Mehr als die Hälfte der Beteiligten möchte durch kürzere Transportwege die Umwelt entlasten.
Auch Trendforscher des von Matthias Horx geleiteten Zukunftsinstituts im hessischen Kelkheim kommen zu dem Ergebnis, dass das Interesse für Produkte wachse, die den Käufer einbinden in Tradition und Zusammengehörigkeit". Regionalität sei ein zukunftsträchtiger Sinnmarkt" des Nahen, Guten, Vertrauten, der durch Finanzkrise und Globalisierung noch auf längere Zeit stimuliert werde, schreiben die Kelkheimer Forscher in ihrer 2009 veröffentlichten Studie. Dabei verweist das Institut auf eine Allensbach-Umfrage, wonach mittlerweile rund die Hälfte der Deutschen regionalen Produkten den Vorzug geben. Für Konsumenten mit höherem Einkommen stelle der regionale Genuss sogar eine neue Form von Luxus dar. 41 % der Besserverdienenden bevorzugten erlesene Produkte aus der Heimat und zahlten dafür auch gerne einen höheren Preis.
Zum gleichen Ergebnis kommt auch eine im Frühjahr 2010 vom Frankfurter Institut für Markt- und Sozialforschung durchgeführte Umfrage: Regionale Produkte stehen hoch im Kurs. So gaben 55,2 % der Befragten an, dass ihnen die regionale Herkunft eines Produktes wichtig oder sehr wichtig ist (Top Box 1+2). Frauen sind dabei noch achtsamer als der Durchschnitt: Bei den weiblichen Befragten liegt der Wert bei 61 %. Am höchsten im Kurs steht Regionalität beim Einkauf jedoch bei den älteren Konsumenten ab 50 Jahren: In dieser Altersgruppe legen 68,1 % Wert darauf, regionale Produkte zu kaufen. Das Haushaltseinkommen spielt bei der Frage nach dem Ursprung der Produkte eine untergeordnete Rolle: Die Geringverdiener mit einem Nettoeinkommen von bis zu 1.500 € erreichen mit 59,8 % sogar den höchsten Wert in der Top Box.
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(Bildquelle: Elite Magazin)

Kurze und damit umweltschonende Transportwege?

Strittig zwischen Verbraucherschützern und Marketingstrategen ist immer wieder die Definition der Begriffe „fair“ und „Region“ – mangels einheitlicher, staatlicher Regelungen und entsprechender Labels tatsächlich eine recht willkürliche Angelegenheit. Für die einen ist z.B. die Region das Allgäu, für Edeka Südwest der deutsche Südwesten. Der anthroposophisch angehauchte hessische Lebensmittelfilialist und Bio-Pionier tegut betrachtet dagegen nur einen Radius von etwa 150 Kilometern rund um den Firmensitz in Fulda als seine Region, aus der ein Teil der Waren bezogen wird. Dagegen stammt die unter der neuen regionalen Milchmarke Die Hessische" vermarkete Milch, die in rund 70 Edeka-Märkten Südhessens erhältlich ist, aus ganz Hessen.
 
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